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USA/1410: Europa - atlantische Mißachtung ... (SB)



Die US-Regierung hat im Laufe des vergangenen Jahres den diplomatischen Status der EU herabgestuft, ohne es für nötig zu halten, irgendjemanden in Brüssel darüber zu informieren. Letztgültig festgestellt wurde dies erst am 5. Dezember beim Staatsbegräbnis des früheren US-Präsidenten George W. Bush. Da war der EU-Diplomat in Washington, David O'Sullivan, angehalten worden, als allerletztes von über 150 Diplomaten seine Kondolenz zu erweisen, berichtete die Deutsche Welle [1].

Es bestätigte sich, was der EU-Vertretung in Washington Wochen zuvor bereits aufgefallen war, nämlich daß sie zu bestimmten Ereignissen keine Einladung erhalten hatte. Und bei Staatsbegräbnissen, zu denen Diplomaten aller Herren Länder anreisen, richtet sich die Reihenfolge der Beileidsbekundungen der Diplomaten üblicherweise nach dem Dienstalter. Das ist unverfänglich. Derjenige Diplomat, der die längste Zeit in Washington akkreditiert ist, darf als erstes sprechen, wohingegen der jüngste in diplomatischen Diensten bis zum Schluß warten muß. Die Rolle des Schlußlichts war nun für den altgedienten Kämpen im europäischen Diplomatenkorps, den Iren O'Sullivan vorgesehen, der seit 2014 in Washington sitzt und eigentlich an 20. bis 30. Stelle an der Reihe gewesen wäre, sein Beileid zu bekunden.

Es zeugt schon von großer Ignoranz, uramerikanisch gesprochen, von einer tief gespaltenen Zunge, ausgerechnet auf der Beerdigung eines Mannes, der zumindest laut der zahlreichen Huldigungen an jenem Tag maßgeblich die Einheit Deutschlands und auch Europas in die Wege geleitet hat, die Europäer auf solche Weise abzukanzeln.

2016 hatte die Obama-Regierung der EU einen diplomatischen Sonderstatus erteilt, der ihren Vertreterinnen und Vertretern einen leichten Zugang zu Regierungsmitgliedern ermöglichte. Die Trump-Administration hat diesen Status stillschweigend aufgehoben, so da die EU nun zu einer weniger bedeutenden "internationalen Organisation" degradiert wurde.

Das war nicht die erste diplomatische Ohrfeige einer US-Regierung gegen die Europäische Union. Noch gut in Erinnerung dürfte vielen das "Fuck the EU!" (z. Dt.: Scheiß auf die EU!) der neokonservativen US-Diplomatin Victoria Nuland bei einem Telefongespräch mit dem US-Botschafter für die Ukraine, Geoffrey R. Pyatt, am 4. Februar 2014 sein. Und sicherlich erweckte die Aussage von US-Präsident Donald Trump, die EU sei in Handelsfragen noch vor China und Rußland ein "Feind" der USA, nicht den Eindruck, daß er damit eine Partnerschaft auf Augenhöhe meinte.

Im aktuellen Fall wollten die EU-Diplomaten selbstverständlich wissen, was es denn nun mit der Herabstufung auf sich habe, und erhielten als Antwort des für diplomatische Angelegenheiten zuständigen US-Außenministeriums, man habe vergessen, sie zu informieren. Die Entscheidung zur Herabstufung sei getroffen worden, weil der Protokollchef das so für angemessen gehalten habe.

Nun ja, Verachtung ist steigerbar, wie man an dieser Antwort ablesen. Man weiß nicht, was schlimmer wiegt, die Herabstufung oder die anschließende Begründung, bei der noch einmal nachgetreten wurde. Und ein weiteres Mal, indem das US-Außenministerium auf eine EU-Anfrage lediglich eine automatische E-Mail schickte: "Die Kommunikation mit den Medien beschränkt sich auf Ereignisse und Fragen im Zusammenhang mit der Sicherheit von Menschenleben oder dem Schutz von Eigentum oder auf solche, die für die nationale Sicherheit als wesentlich erachtet werden."

Das Argument, die Pressestelle des Außenministeriums könne wegen des Shutdowns der Regierung und eines reduzierten Betriebs zur Zeit keine Anfragen beantworten, die nicht dringend sind, klingt vorgeschoben, wenn man bedenkt, daß der Regierungsstillstand nicht bedeutet, daß die Ministerien und Amtsstuben in der US-Hauptstadt zur Zeit vollkommen menschenleer sind.

Das alles wäre eigentlich überhaupt kein Problem, der Affront trifft gewiß nicht die Falschen. Die neokolonialistisch-überhebliche Attitüde von Vertretern der EU-Mitgliedsländer ihrerseits gegenüber afrikanischen Ländern steht dem Verhältnis der Vereinigten Staaten gegenüber den Europäern in nichts nach. Insofern wurde der EU ein Spiegel vorgehalten - ob das was nützt, steht zu bezweifeln.

Solange es bei diplomatischen Ränkespielen bliebe, könnte man dem Vorgang fast schon eine heitere Note abgewinnen. Allerdings sollte man in Anbetracht der hier zu Tage getretenen Einstellung davon ausgehen, daß die US-Regierung jenseits der Diplomatie ähnlich auftreten würde. Das bedeutet aber, daß, wenn die beiden transatlantischen Partner gemeinsam gegen Rußland zu Felde ziehen sollten, wie es zur Zeit allem Anschein nach vorbereitet wird, "Fuck the EU!" nicht treffender die Situation beschreiben könnte. Die Bezichtigung Rußlands, es habe den INF-Vertrag zur Vernichtung aller landgestützten Flugkörper mit kürzerer und mittlerer Reichweite (500 bis 5.500 Kilometer) verletzt und müsse mit den Konsequenzen rechnen, droht darauf hinauszulaufen, daß West wie Ost auf diesem Gebiet nuklear aufrüsten und daß Europa das erste Schlachtfeld wird, das dann eröffnet würde. Niemand müßte es aussprechen, doch wäre die EU dann ziemlich "gefuckt", um ein letztes Mal Nulands undiplomatische Wortwahl zu bemühen.


Fußnote:

[1] https://www.dw.com/en/trump-administration-downgrades-eu-mission-to-us/a-46990608

9. Januar 2019


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