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USA/1414: Washington - zweifelhafter Druck auf das Präsidentenamt ... (SB)


Washington - zweifelhafter Druck auf das Präsidentenamt...


Unter Leitung der demokratischen Mehrheitsführerin Nancy Pelosi hat am 31. Oktober das Repräsentantenhaus in Washington zum dritten Mal nach 1974 gegen Richard Nixon und 1998 gegen Bill Clinton ein formelles Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten eröffnet. Die Demokraten werfen Donald Trump vor, versucht zu haben, von der Regierung der Ukraine unter der Drohung, finanzielle und militärische Hilfe zurückzuhalten, belastende Informationen über Joe Biden zu bekommen, den derzeit laut Umfragen aussichtsreichsten demokratischen Kandidaten für die Präsidentenwahl im kommenden Jahr. Im Mittelpunkt der Vorwurfs stehen ein Telefonat, das der US-Präsident vom Oval Office des Weißen Hauses aus am 25. Juli mit dem frischgewählten ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj geführt hat, sowie private Ermittlungen, die Trumps Freund und Rechtsbeistand, der ehemalige Bundesstaatsanwalt und Bürgermeister von New York Rudolph Giuliani, im Frühjahr beiderseits des Atlantiks betrieben hat.

Politisch leisten sich die Demokraten damit einen Riesenfehler, der die Chancen Trumps auf eine Wiederwahl 2020 eher erhöhen als schmälern dürfte. Statt den bei weiten Teilen der Bevölkerung verhaßten Lügenbaron aus New York wegen seiner rassistischen Appelle an Gruppen wie den Klu Klux Klan samt Dauerhetze gegen Muslime, Lateinamerikaner und die Volksrepublik China, der unmenschlichen Behandlung von Migranten und ihren Kindern an der Grenze zu Mexiko, des drastischen Abbaus von Umweltschutzbestimmungen, der völkerrechtlich illegalen militärischen Beschlagnahmung syrischer Ölfelder, der Besetzung zahlreicher Richterposten mit reaktionären Juristen, des Austritts der USA aus dem Pariser Klimaabkommen und des internationalen Atomvertrags mit dem Iran - beides im Jahr 2015 - anzugreifen, bauschen die Demokraten eine Angelegenheit zum Sonderfall ohnegleichen auf, die sie erstens selbst belasten kann und zweitens für die meisten Wähler weder besonders relevant noch leicht zu verstehen ist.

Hintergrund der Ukraine-Affäre ist der Dauerstreit zwischen Trump, der bereits 2016 im Wahlkampf gegen Hillary Clinton für partnerschaftliche, weniger konfrontative Beziehungen zu Rußland eingetreten ist, auf der einen und den Demokraten und dem Sicherheitsapparat auf der anderen Seite, denen es im Frühjahr 2014 während der zweiten Amtszeit Barack Obamas gelungen war, mittels eines gewaltsamen Putsches in Kiew eine pro-westliche Regierung zu installieren. Aufgeschreckt durch die krasse Mißachtung seiner legitimen Sicherheitsinteressen hat Rußland damals die Krim mit Unterstützung der großen Mehrheit der dort lebenden Menschen annektiert. Aus Angst vor dem Einfluß politischer Neonazigruppen in Kiew hat die pro-russische Bevölkerung die östliche Donbass-Region für autonom erklärt, weshalb seitdem dort ein Krieg niedriger Intensität geführt wird.

Als am Vorabend des demokratischen Parteitags im Sommer 2016 Wikileaks belastende Emails des Democratic National Committee (DNC) veröffentlichte, aus denen klar hervorging, daß die Parteiführung die populäre linke Galionsfigur, Senator Bernie Sanders aus Vermont, bei den Vorwahlen systematisch benachteiligt und damit um einen möglichen Sieg betrogen hatte, um Clinton zur Präsidentschaftskandidatin küren zu können, war das eine schwere Belastung für die ehemalige Außenministerin. Auf die spektakuläre Krise reagierte Team Clinton mit der Schutzbehauptung, der russische Geheimdienst habe einen DNC-Server gehackt und das fragliche Material Wikileaks zugespielt, um die ehemalige First Lady, die in der Vergangenheit Kreml-Chef Wladimir Putin auf eine Stufe mit Adolf Hitler gestellt hatte, zu schädigen.

Für diese Behauptung gibt es bis heute lediglich das Wort der Firma Crowdstrike, die in Sachen digitaler Sicherheit die DNC-Computer betreute. Wikileaks-Chef Julian Assange hat bestritten, das Material von Moskau erhalten zu haben, und statt dessen als Quelle auf ein anonymes internes Leck bei den Demokraten verwiesen. Als jedoch im Wahlkampf Trump Wikileaks und die Russen wegen der Enthüllungen über "crooked Hillary" lobte, stand für die Demokraten und ihre Verbündeten im Staatsapparat fest, daß der windige Immobilienhai, der über die Jahre auffällig viele seiner Luxuswohnungen an zwielichtige russische Oligarchen verkauft habe, mit dem Kreml unter einer Decke stecke.

Diese steile These hat in Washington zu heftigen Aktivitäten bei Außenministerium, FBI und CIA geführt. Es wurden Ermittlungen wegen einer möglichen Zusammenarbeit zwischen dem Trump Tower in New York und dem Kreml eingeleitet, die nach dem Wahlsieg Trumps und dessen Einzug ins Weißen Haus im Frühjahr 2017 in eine Untersuchung des Justizministeriums unter der Leitung des ehemaligen FBI-Chefs Robert Mueller ausarteten. Trotz einer hysterischen Berichterstattung seitens der großen "liberalen" Konzernmedien wie der New York Times, der Washington Post und der Nachrichtensender CNN und MSNBC konnte Mueller in zweijähriger Arbeit keine stichhaltigen Beweise dafür finden, daß Trump und seine Gewährsleute im Wahlkampf wissentlich die Hilfe Moskaus erhalten hätten. Der Vorwurf des russischen "Hacks" der DNC-Computer blieb nur deshalb bestehen, weil das FBI auf eine eigene Untersuchung der fraglichen Hardware verzichtete und sich auf die Angaben der nicht gerade unparteiischen Firma Crowdstrike verließ.

Gerade einen Tag, nachdem Mueller seinen Abschlußbericht dem Justizministerium vorgelegt hatte, telefonierte Trump mit Selenskyj und bedrängte den ukrainischen Präsidenten, um sich Hilfe in eigener Sache zu sichern. Trump wollte mehr über die Umstände wissen, unter denen Joe Bidens Sohn Hunter Biden unmittelbar nach der "Wende" in Kiew Vorstandsmitglied beim ukrainischen Energiekonzern Burisma geworden war und deshalb rund zwei Jahre lang 50.000 Dollar im Monat eingestrichen hatte. Damals war Biden sen. als Obamas US-Vizepräsident höchstpersönlich für die "demokratische Transformation" der Ukraine zuständig. 2018 hatte Biden bei einem Auftritt vor dem einflußreichen Council on Foreign Relations (CFR) in New York damit geprahlt, als US-Vizepräsident die Regierung in Kiew durch die angedrohte Blockade eines IWF-Notkredits von einer Milliarde Dollar dazu gebracht zu haben, den angeblich korrupten Generalstaatsanwalt Viktor Schokin zu entlassen. Trump vermutete, Schokin sei nur deshalb geschaßt worden, weil er damals gegen Burisma unter anderem wegen der Hunter-Biden-Verbindung ermittelte. Trump wollte zudem, daß Selenskyj Hinweisen nachgehe, denenzufolge Crowdstrike den russischen "Hack" auf den DNC-Server mit Hilfe ukrainischer Computerspezialisten vorgetäuscht habe.

Ende September schlug die Nachricht, ein Whistleblower habe sich im August bei Adam Schiff, dem demokratischen Vorsitzenden des Geheimdienstausschusses des Repräsentantenhauses, mit der formellen Beschwerde gemeldet, Trump habe beim fraglichen Gespräch mit Selenskyj privates vor staatliches Interesse gestellt und dadurch die nationale Sicherheit der USA aufs Spiel gesetzt, wie die sprichwörtliche Bombe ein. Während New York Times und Konsorten, die sich die Bohne für das Schicksal der beiden inhaftierten westlichen Dissidenten Chelsea Manning und Julian Assange interessieren, ein Brimborium um die Identität von Schiffs Informanten machten und sie bis heute geheimhalten, um sie angeblich vor Vergeltung durch Trump zu schützen, hat man dank konservativer US-Onlinepublikationen wie Real Clear Investigations und The Gateway Pundit sowie der trotzkistischen World Socialist Web Site eine Menge Informationen erhalten, die in Sachen Ukraine-Affäre auf eine Palastintrige seitens des "tiefen Staats" hindeuten.

Bei besagtem Whistleblower handelt es sich um einen 33jährigen CIA-Agenten namens Eric Ciaramella, der als Mitglied der Obama-Administration als Rußland-Experte im Nationalen Sicherheitsrat gearbeitet hat und in dieser Funktion zutiefst in Washingtons Machenschaften in der Ukraine verstrickt war. Darum hat Ciaramella Vizepräsident Biden 2015 und 2016 mehrmals bei Besuchen in Amerikas neuester osteuropäischer Kolonie begleitet. Er hat 2016 zudem - möglicherweise im Auftrag des damaligen CIA-Chefs John Brennan - zusammen mit der Ukrainisch-Amerikanerin Alexandra Chalupa, die damals im Auftrag des DNC und des Wahlkampfteams Clintons belastende Informationen aus der Ukraine über Trumps Wahlkampfmanager Paul Manafort, einst Berater von Präsident Viktor Janukowitsch, auftreiben sollte, an der Entstehung der Russiagate-Kampagne mitgewirkt.

Die vermeintlichen Erkenntnisse, die Ciaramella Schiff vor drei Monaten zukommen ließ, stammen zudem aus zweiter oder dritter Hand. Der CIA-Agent hat das alles entscheidende Gespräch zwischen Trump und Selenksyj nicht selbst mitgehört, denn er war bereits 2017 vom Weißen Haus wegen des Verdachts der Weitergabe von vertraulichen Regierungsinformationen an die Presse aus dem Nationalen Sicherheitsrat verbannt und zurück nach Langley geschickt worden. Der Anlaß war ein Treffen im Oval Office, bei dem Trump angeblich irgendwelche Informationen der US-Geheimdienste über die Aktivitäten islamistischer Umstürzler in Syrien an den russischen Außenminister Sergey Lawrow weitergegeben haben soll. Die Mitarbeiter von Schiff, die sich Ciaramella "anvertraut" haben sollen, Abigail Grace und Sean Misko, sind beide ehemalige Kollegen des CIA-Manns aus der gemeinsamen Zeit im Nationalen Sicherheitsrat Obamas.

Inwieweit Trump sich tatsächlich gegenüber Selenskyj ein Fehlverhalten im Sinne des Gesetzes zuschulden kommen ließ, ist völlig unklar, weil unter Juristen und Staatsrechtlern strittig. Zu dem Zeitpunkt, als beide Männer sprachen, wußte der Ukrainer nicht einmal, daß Washington die versprochene Finanzhilfe für Kiew auf Eis gelegt hatte, also kann formell von einer Erpressung im Sinne des Gebens und Nehmens nicht die Rede sein. Der Hauptvorwurf, den in den letzten Tagen die Zeugen der Anklage - darunter Ex-Botschafterin Marie Yovanovitch, der Diplomat William B. Taylor jun. sowie die beiden Mitarbeiter des nationalen Sicherheitsrats Oberstleutnant Alexander Vindman und Tim Morrison - vor Schiffs Ausschuß gegen Trump erheben, ist, daß dieser die Ukraine-Politik Washingtons radikal verändern wollte, um sich eventuell mit Rußland auszusöhnen.

Der Standpunkt all dieser Leute und Medienunternehmen wie New York Times und MSNBC, die sie als selbstlose Beschützer Amerikas vor dem Schurken im Weißen Haus in den Himmel loben, ist höchst bedenklich. Schließlich ist laut Verfassung der US-Präsident als gewählter Vertreter des Volkes die Instanz, welche letztlich über den richtigen Kurs Washingtons in der Außen- und Sicherheitspolitik zu befinden hat, und nicht irgendwelche rußlandfeindlichen Apparatschiks mit Verbindungen zu den imperialistisch eingestellten Denkfabriken in Washington und zur amerikanischen Rüstungsindustrie.

Man muß Trump nicht mögen, um zu erkennen, daß seit nunmehr drei Jahren die Verfechter eines Kalten Kriegs 2.0 mittels fadenscheiniger Konstrukte wie Russiagate und Ukrainegate systematisch jeden Versuch des eigenen Oberkommandierenden der Streitkräfte, bessere Beziehungen zwischen den beiden Staaten mit den mit Abstand weltweit größten Atomwaffenarsenalen herbeizuführen, ruinieren. Dieser Personenkreis, der sich für die außenpolitische Elite der USA hält, trägt die Hauptverantwortung dafür, daß die Menschheit unter anderem wegen des Wegfalls des INF-Vertrags im vergangenen August nach Einschätzung der Redaktion des Bulletin of Atomic Scientists, der Whistleblower-Legende Daniel "Pentagon-Papiere" Ellsberg und des ehemaligen Generalsekretärs des Zentralkomitees der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, der völligen Auslöschung durch einen Nuklearkrieg so nahe steht wie seit der Kubakrise 1962 nicht mehr.

7. November 2019


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