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USA/1418: Washington - wer will das wirklich wissen ... (SB)


Washington - wer will das wirklich wissen ...


Durch die Bank hat sich Russiagate als fadenscheinige Hetzkampagne der "liberalen" Medien der USA erwiesen, um den Sieg Donald Trumps bei der Präsidentenwahl 2016 gegen Hillary Clinton zu delegitimieren und seinen angestrebten außenpolitischen Versöhnungskurs mit Rußland zu torpedieren. Mittels Russiagate haben sich namhafte Medienportale wie die New York Times, die Washington Post und MSNBC als die größten Verbreiter von Fake News überhaupt entpuppt und Millionen reaktionärer Trump-Wähler in ihrer Abneigung dem "Establishment" gegenüber bestätigt. Aus diesem Grund hat Trump, der sich selbst ungeniert als Lügenbaron-in-Chief feiert, beste Chancen auf die Wiederwahl im November und eine zweite Amtszeit im Weißen Haus. Dafür liegen die Beziehungen zwischen den Nuklearmächten USA und Rußland in Trümmern, weswegen die Herausgeber des international renommierten Bulletin of Atomic Scientists die Welt in größerer Gefahr als während der Kubakrise 1962 sehen.

Für die Behauptung, Rußland habe belastende Emails über die gezielte Benachteiligung des linken Senators Bernie Sanders bei den demokratischen Vorwahlen mittels eines Hackerangriffs gestohlen und sie dem Wikileaks-Chef Julian Assange zugespielt, um die Moskau-Kritikerin Clinton im Wahlkampf gegen Trump zu benachteiligen, hat es bis heute keinen einzigen stichhaltigen Beweis gegeben. Assange hat stets bestritten, die fraglichen Daten von den Russen erhalten zu haben, und statt dessen auf ein Leck seitens unzufriedener Sanders-Anhänger in der Parteizentrale der Demokraten in Washington hingedeutet. Die vielkolportierte Behauptung einer heimlichen Zusammenarbeit zwischen Team Trump und Verbindungsleuten des Kremls im Jahre 2016 hat sich längst als Fantasieprodukt eines für die Demokraten arbeitenden Ex-Mitglieds des britischen Auslandsgeheimdiensts MI6 sowie übereifriger Spionenjäger beim FBI herausgestellt. Kein Wunder also, daß der zuständige Sonderermittler in Sachen Russiagate, Ex-FBI-Chef Robert Mueller, bei der Präsentation seines Untersuchungsberichts im März 2019 öffentlich einräumen mußte, daß an der großen Verschwörung nichts dran gewesen ist.

Dennoch hält sich hartnäckig die These von der russischen Beeinflussung des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfs 2016 - und sei es nicht direkt, um Trump zum Sieg zu verhelfen, sondern um Zwietracht in der amerikanischen Gesellschaft zu sähen und den Glauben der US-Bürger an die Segnungen ihrer Demokratie zu erschüttern. Als Hauptquelle und Ausgangspunkt der angeblichen Desinformationskampagne des Kremls gilt die Firma Internet Research Agency (IRA) mit Sitz in Sankt Petersburg, deren Inhaber Jewgeni Prigoschin mit Rußlands Präsidenten Wladimir Putin befreundet sein soll und die im fraglichen Zeitraum in den sozialen Medien der USA, vornehmlich bei Facebook und Twitter, seltsame Nachrichten und Geschichten verbreitet hat.

Während Mueller in den IRA-Aktivitäten eine "systematische" Desinformationskampagne zum Nachteil der nationalen Sicherheit der USA zu erkennen meinte, kommen unabhängige Beobachter zu ganz anderen Schlüssen. Der Historiker Gareth Porter zum Beispiel hat die Gesamtausgaben der IRA für die in den Monaten vor dem Urnengang Anfang November 2016 an amerikanische Internet-Nutzer gerichtete Meldungen auf rund 45.000 Dollar beziffert, sie mit den gigantischen Aufwendungen der politischen Parteien und der diversen Lobbyorganisationen in Sachen Wahlwerbung von etwa 6,5 Milliarden Dollar verglichen und für bedeutungslos befunden. Zwar waren die IRA-Postings besonders stark auf bekennende Clinton- und Trump-Anhänger ausgerichtet, aber nur deshalb, weil die IRA für das Erreichen dieser Marktsegmente Gelder von regulären Werbetreibenden erhielt. Die ganze Unternehmung scheint also wirtschaftlich und nicht politisch motiviert gewesen zu sein. Deshalb mischten sich unter die eher politisch ausgerichteten Meldungen auch viele Spaßinhalte wie Bilder herumtollender Hunde und ähnliches.

Im Februar 2018 hat Sonderermittler Mueller mit großem Tamtam die Anklageerhebung gegen dreizehn mit der IRA verbundene Personen und Firmen wegen Wahlbetrugs bekanntgegeben. Da sich alle Beschuldigten in Rußland befinden, hat niemand damit gerechnet, daß die Angelegenheit vor Gericht ausgetragen wird. Völlig überraschend haben recht schnell zwei Prigoschin-Firmen, Concord Management und Concord Consulting, eine Anwaltskanzlei in den USA mit der Wahrung ihrer Interessen beauftragt. Seitens der Beschuldigten hieß es, die Anklage fuße auf Falschannahmen, und man werde das Recht, sich vor einem öffentlichen Gericht gegen die Rufschädigung durch das US-Justizministerium zu wehren, in Anspruch nehmen. Seitdem liefen die Vorbereitungen auf den Prozeß auf Hochtouren.

Am 16. März kam es jedoch zu einer plötzlichen Wendung. An diesem Tag verzichtete die Staatsanwaltschaft in Washington offiziell auf den Prozeß, weil eine Behandlung des Sachverhalts "nicht im öffentlichen Interesse" liege. Die Anwälte der Verteidigung hatten Einblick in die gegen ihre Mandanten vorliegenden "Beweise" verlangt, sie aber nicht erhalten. Um die ganze Affäre weiterhin unter der Decke zu halten, hat nun das Justizminister erklärt, die beiden IRA-nahen Firmen verlangten eine Offenlegung des gegen sie vorliegenden "Beweismaterials", was für die "nationale Sicherheit der USA" abträglich wäre und deshalb geheim bleiben müsse. Schlimmer noch, das Justizministerium hat den Versuch von Concord Consulting und Concord Management, sich vor einem ordentlichen Gericht gegen die gegen sie erhobenen Vorwürfe zu verteidigen, zu einem "Mißbrauch" des amerikanischen Rechtssystems und einem weiteren Angriff Rußlands auf die US-Gesellschaft erklärt.

Angesichts dieser erstaunlichen Wendung hat Prigoschin am 17. März eine Klage wegen Verleumdung in Höhe von 50 Milliarden Dollar angekündigt. Wie er auf diese astronomische Summe gekommen ist, weiß außer ihm niemand. Unterdessen reißt die Anti-Rußland-Hysterie in den USA nicht ab. Ebenfalls am 17. März hat Prof. Thomas Rid, Kommunikationswissenschaftler an der Johns Hopkins University in Baltimore, in einem Gastbeitrag bei der New York Times Rußland offen bezichtigt, die Krise um die Corona-Virus-Pandemie zu mißbrauchen, um "Zwietracht unter Amerikanern" zu säen. Weder für diese These noch für die Behauptung, der KGB habe 1960 auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges jüdische Friedhöfe in den USA verwüstet, um die Rassenkonflikte zu schüren, hat Rid auch nur einen einzigen Beweis präsentiert.

19. März 2020


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