Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REPORT

BERICHT/181: Weggenossen unverdrossen - Abbruch, Umbruch, Aufbruch ... (SB)


Wir lassen es uns nicht nehmen ...

UZ-Pressefest vom 27. bis 29. Juni 2014 in Dortmund


Bild von Thomas J. Richter 'DKP fürchtet euch nicht' - Foto: 2014 by Schattenblick

Foto: 2014 by Schattenblick

Seit 1973 lassen es sich Kommunistinnen und Kommunisten nicht nehmen, mit dem Pressefest der DKP-Wochenzeitung Unsere Zeit einen politischen und kulturellen Gegenpunkt zu Entsolidarisierung, Kommerz und Kapitalismus zu setzen. Nun lädt die DKP wieder zum großen Volksfest der Solidarität vom 27. bis 29. Juni 2014 im Revierpark Wischlingen, Dortmund, ein. So oder ähnlich hieß es in der Ankündigung und Einladung zum "größten Fest der Linken in Deutschland", das bereits in 18. Auflage Gestalt angenommen hat. Sich dieses Fest nicht nehmen zu lassen, bedeutete Mitte der 1970er Jahre insbesondere, mit der Stadt Düsseldorf um die Nutzung der Rheinwiesen zu streiten. Dort waren 1973 zum ersten UZ-Pressefest nach Angaben der Veranstalter mehr als 700.000 Menschen zusammengekommen, was nicht nur den örtlichen Ratsherren einen gewaltigen Schrecken eingejagt haben muß, obgleich der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz die Besucherzahl vorsichtshalber wesentlich niedriger ansetzte. Zwei Jahre später traf man sich wiederum auf den Rheinwiesen, zu deren Überlassung das Verwaltungsgericht die Stadt verurteilt hatte.

Straße mit Ständen - Fotos: © 2014 by Schattenblick Straße mit Ständen - Fotos: © 2014 by Schattenblick

Im Revierpark Wischlingen
Fotos: © 2014 by Schattenblick

Da die Schwierigkeiten mit der Stadt Düsseldorf hinsichtlich der Freigabe dieses Geländes jedoch weiter anhielten, wurde das ursprünglich für 1976 geplante UZ-Pressefest verschoben und fand 1977 in Recklinghausen statt. Weitere Veranstaltungsorte waren dann Essen, Duisburg-Wedau und Bottrop, wobei die Besucherzahlen noch in den 1980er Jahren jeweils zwischen 200.000 und 300.000 lagen. Seit 1995 feiert man alle zwei Jahre im Revierpark Wischlingen in Dortmund an einem langen Wochenende im Juni von Freitag bis Sonntag und konnte dafür bis 2011 jeweils noch rund 50.000 Menschen versammeln. Daß diesmal drei Jahre vergangen sind und das Fest in einem etwas kleineren Rahmen über die vielfältigen Bühnen ging, verweist auf eine weitere Bedeutung der eingangs zitierten Aussage, man lasse sich das UZ-Pressefest nicht nehmen.

Im Jahr 2013 entschied man sich, auf das Fest zu verzichten, weil der zu Jahresbeginn durchgeführte 20. Parteitag der DKP zu viele Kräfte gebunden hatte. Ende letzten Jahres machte der Parteivorstand dann die Durchführung einer Großveranstaltung davon abhängig, daß mindestens 30.000 Euro an Spenden zur Vorfinanzierung zusammenkommen. Schnell wurde diese Summe übertroffen und damit von der Basis und gewiß auch vielen Menschen außerhalb der Partei ein deutliches Anliegen signalisiert.

Transparent 'Whose streets are our streets?' - Foto: © 2014 by Schattenblick

Die Eigentumsfrage
Foto: © 2014 by Schattenblick

Wie die deutsche Linke insgesamt ist auch die DKP dramatisch auf bundesweit etwa 3000 Mitglieder geschrumpft. Davor nicht die Augen zu verschließen und sich mit der eigenen Schwäche rückhaltlos zu konfrontieren, ist die Grundvoraussetzung, um sich nicht im nostalgischen Rückblick auf bessere Zeiten zu verlieren und aller substantiellen Handlungsmöglichkeiten hinsichtlich des anzulegenden Kurses zu berauben. Zugleich gilt es, sich nicht dem Diktat der herrschenden Verhältnisse zu unterwerfen und als Minderheit die Flucht in eine mehrheitsfähige Position anzutreten, die bald keine Verwandtschaft mit einer entschiedenen Gegnerschaft zu der hiesigen Gesellschaftsordnung und deren nationalen wie internationalen Konsequenzen mehr hat und somit die Absage an all das besiegelt, wofür zu streiten man einst angetreten ist.

In dieser Widerspruchslage hat sich die DKP bemerkenswert resistent gegen alle Anfeindungen und Verlockungen erwiesen. Ungleich anderen mehr oder minder kurzlebigen, wankelmütigen oder karrieristischen Strömungen und Fraktionen der Linken repräsentiert sie eine inhaltliche und organisatorische Dauerhaftigkeit, die ihresgleichen sucht. In Zeiten, da Marxismus, Leninismus, Kommunismus und Sozialismus nicht nur für besiegt, sondern als angebliche Verirrung des Denkens und Handelns für anachronistisch und widerlegt erklärt werden, ist dieses Beharrungsvermögen um so mehr zu würdigen.

Auf der Bühne - Fotos: © 2014 by Schattenblick Auf der Bühne - Fotos: © 2014 by Schattenblick

Aus der Vielfalt des musikalischen Programms - Gruppe Gutzeit und La Blech
Fotos: © 2014 by Schattenblick

Das UZ-Pressefest 2014 auf die Beine zu stellen, war daher in zweifacher Hinsicht ein nicht zu unterschätzendes Zeichen. Die DKP hat ohne Inanspruchnahme prallgefüllter Töpfe von Parteigeldern und Stiftungsmitteln allein aus eigener Anstrengung und gesammelten Solidaritätsbeiträgen einen finanziellen und organisatorischen Kraftakt bewältigt. Und wenngleich ihre eigene Arbeit und Präsentation natürlich den Schwerpunkt bildete, schuf sie doch auch eine Plattform für außerparteiliche Positionen, deren Präsenz sich an einer Bündnis- und Diskussionsfähigkeit in einander überschneidenden Interessenlagen bemißt.

In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, daß die DKP mit der Wahl ihrer neuen Führung im vergangenen Jahr einen Kurs angelegt hat, der sich erfreulich von den Tendenzen namentlich in der Partei Die Linke unterscheidet. Dort ist Reform zu einem Synonym für die sukzessive Abkehr von originär linken Positionen geworden, so daß selbst das deutungsoffene Konzept des demokratischen Sozialismus oder wie vor dem Europaparteitag die grundsätzliche Kritik am Projekt EU entsorgt worden ist. Hingegen hat die DKP sowohl der Aufweichung ihrer dezidiert antikapitalistischen Ausrichtung einen Riegel vorgeschoben als auch auf dieser Grundlage die lange vermiedene Öffnung für bislang vernachlässigte Interessen einer der Traditionslinken mehr oder minder fernen, aber nichtsdestoweniger entschiedenen Streitbarkeit zumindest in Teilen der Jugend eingeleitet.

So waren auf dem Pressefest der Parteivorstand wie auch zahlreiche Landesverbände der DKP und die Marx-Engels-Stiftung mit eigenen Zelten, Ständen und Programmen ebenso präsent wie die Publikationen UZ, junge Welt und Melodie & Rhythmus. Vertreten waren auch die Linkspartei, die SDAJ, die Naturfreundejugend NRW, die Freidenker und nicht zuletzt im "Roten Zelt" die außerparlamentarische Linke, die sich Antikapitalismus und Antifaschismus als untrennbare Einheit auf ihre Fahnen geschrieben hat. Neben dem Brückenschlag zu anderen Teilen der Linken ist insbesondere der Internationalismus hervorzuheben, den die DKP seit jeher hochhält. Im Zentrum der internationalen Beteiligung stand auch in diesem Jahr die Casa Cuba, wozu sich Repräsentanten von 34 kommunistischen Parteien und Befreiungsbewegungen aus zahlreichen Ländern Europas, Lateinamerikas und des Nahen Ostens sowie Vietnams gesellten.

Stände internationaler Parteien - Fotos: © 2014 by Schattenblick Stände internationaler Parteien - Fotos: © 2014 by Schattenblick

 

Stände internationaler Parteien - Fotos: © 2014 by Schattenblick Stände internationaler Parteien - Fotos: © 2014 by Schattenblick

Internationale Solidarität ...
Fotos: © 2014 by Schattenblick

Vielleicht sollte man gar nicht erst anfangen, auf die Themen der zahlreichen Programme einzugehen, da an dieser Stelle ohnehin viel mehr unerwähnt bliebe, als genannt werden kann, will man die Leserinnen und Leser nicht mit Aufzählungen langweilen. Das breite Spektrum reichte von imperialistischen Kriegen und der Lage im Nahen Osten und der Ukraine über Krise und EU, Rassismus und das Erstarken rechtspopulistischer und neofaschistischer Bewegungen, Ausbeutung und Flüchtlingspolitik bis hin zum Umbau der Städte und Marxismus und Tierbefreiung, nicht zu vergessen die kubanische Revolution und vieles mehr.

Wenngleich in diesem Jahr etwas kleiner konzipiert, war die Weitläufigkeit des Festgeländes, dessen Hauptachse die "Internationale Straße" bildete, schon auf den ersten Blick beeindruckend. Hatte man die Wege zwischen der Eishalle mit ihrem Literatur- und Kunstmarkt an dem einen und der Hauptbühne am anderen Ende mehrfach durchschlendert, mischte sich die Entdeckung immer neuer Stände, Buden und Zelte mit einem wachsenden Gefühl der Vertrautheit mit dem Terrain. Allenthalben bekannte Gesichter, kurze oder längere Gespräche, neue Begegnungen und natürlich die fast schon obligatorische Frage, wo und wann diese oder jene Veranstaltung stattfinde. Da diverse Programmstränge parallel verliefen, bedurfte es schon einer gewissen logistischen Leistung, um wenigstens das Gefühl in Grenzen zu halten, man versäume schon wieder interessante Vorträge und Diskussionen, die gerade andernorts stattfanden. Die Einsicht, daß man nun einmal nicht alles mitbekommen könne, mochte dann ein vorzüglicher Anlaß sein, Einkehr zu halten und sich zu stärken, wozu auf Schritt und Tritt Gelegenheit bestand, zumal auch hier genußvoll praktizierter Internationalismus Pate stehen konnte.

Auf der Bühne - Fotos: © 2014 by Schattenblick Auf der Bühne - Fotos: © 2014 by Schattenblick

 

Auf der Bühne - Fotos: © 2014 by Schattenblick Auf der Bühne - Fotos: © 2014 by Schattenblick

Esther Bejarano & Microphone Mafia
Fotos: © 2014 by Schattenblick

Nicht minder vielfältig und permanent wie die inhaltliche Ausgestaltung des Pressefestes war sein kulturelles Angebot mit Musik, Kabarett und Film wie auch einer kunsttheoretischen Debatte unter namhafter Beteiligung. Hier wie vielerorts auf dem Pressefest kam die Nähe von Theorie und Praxis, Begegnung und Diskussion, Lernen und Feiern dann zum Tragen, wo einem verbindenden Interesse der Zuschlag gegeben wird, den herrschenden Verhältnissen die Stirn zu bieten. So war denn auch das als "Widerstandskonzert" unter dem Motto "Gegen Krieg und Krise - Gemeinsam gegen Rechts!" angekündigte Konzert am Samstagabend mit den Rappern der Microphone Mafia, der fast 90 Jahre alten Esther Bejarano und Konstantin Wecker fraglos einer der Höhepunkte des Pressefestes.

Auf der Bühne - Fotos: © 2014 by Schattenblick Auf der Bühne - Fotos: © 2014 by Schattenblick Auf der Bühne - Fotos: © 2014 by Schattenblick

Konstantin Wecker und Fabrizio Zanotti
Fotos: © 2014 by Schattenblick

So unbestreitbar sich das Bedrohungsszenario im Zuge imperialistischer Aggression nach außen und Repression nach innen zuspitzt, so drängend stellt sich die Frage nach einer substantiellen und unabweislichen Positionierung, die dieser Vernichtungsgewalt etwas entgegensetzt. Die bloße Beschwörung eines breiten Bündnisses unter Vernachlässigung antikapitalistischer Positionen hilft da nicht weiter, führt sie doch geradewegs in die Zersetzung und Vereinnahmung durch eben jene Interessen, die man nicht länger von Grund auf verwirft. Was hingegen eine Bündnisfähigkeit ohne Ausschluß fundamentaler Kritik an der herrschenden Gesellschaftsordnung betrifft, deutete sich auf dem Pressefest doch eine Annäherung zwischen der aktuellen Mehrheitsposition in der DKP und der SDAJ wie auch dem linken Flügel der Linkspartei an. Das Treffen in Dortmund könnte nicht zuletzt dazu beigetragen haben, über Partei- und Organisationsgrenzen hinweg einen haltbaren Schulterschluß auf verschiedenen zentralen politischen Feldern zu befördern.

Nach diesem einführenden Beitrag zum 18. UZ-Pressefest in Dortmund werden eine Erörterung daran anknüpfender Fragen sowie mehrere Interviews mit Referentinnen, Referenten, internationalen Gästen und einem prominenten Künstler die Berichterstattung fortsetzen und vertiefen.

Transparent 'DKP - Wir sind die Partei von Karl Marx und Friedrich Engels' - Foto: © 2014 by Schattenblick

Foto: 2014 by Schattenblick

1. Juli 2014