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INTERVIEW/282: EU-Umlastkonverter - Taktisch kompatibel, strategisch frei ...    Kurt Baumann im Gespräch (SB)


Zusammenhalt in Zeiten der Atomisierung

"Griechenland, EU und Euro in der Krise" - Interview am 9. Oktober 2015 in Hamburg-Eimsbüttel


Kurt Baumann ist Mitglied der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ). Im September besuchten 25 Jugendliche im Rahmen einer von der SDAJ organisierten Solidaritätsreise Athen, wo sie auch mit Mitgliederinnen und Mitgliedern der Kommunistischen Jugend Griechenlands (KNE), der Jugendorganisation der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE), zusammentrafen. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Griechenland, EU und Euro in der Krise" [1] wurde über diese Reise berichtet, anschließend hatte der Schattenblick Gelegenheit, Kurt einige ergänzende Fragen zu stellen.


Im Gespräch - Foto: © 2015 by Schattenblick

Kurt Baumann
Foto: © 2015 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Könntest du etwas zu den Motiven und Begleitumständen eurer Reise nach Griechenland zur Jugendorganisation der KKE, KNE, sagen?

Kurt Baumann (KB): Die Delegations- bzw. Solidaritätsrundreise nach Griechenland fand auf Beschluß des SDAJ-Bundeskongresses statt und sollte eigentlich an das Odigitis-Festival der KNE gekoppelt sein. Denn für uns ist die Vernetzung der europäischen kommunistischen Jugendverbände gleichrangig mit der Vernetzung der WBDJ-Verbände (Weltbund der Demokratischen Jugend). Die europäische und nordamerikanische Version des WBDJ ist die sogenannte CENA, und da versuchen wir ein Gleichgewicht herzustellen. Die KNE ist Mitglied beider Organisationen und stellt als eine starke und derzeit in Kämpfen stehende kommunistische Jugendorganisation einen wichtigen Bündnispartner für uns dar. Außerdem hat sie sowohl international als auch national ein sehr bestimmtes organisiertes Auftreten, von dem wir, wie wir glauben, etwas lernen können. Das ist die formale Begründung für die Reise. Wir haben bei unserer Beschlußfassung jedoch nicht ahnen können, daß wir mitten in eine Flüchtlingswelle und in die Zeit der Wahlen hineinpreschen. Mental waren wir eher darauf vorbereitet, genaueres über die Arbeitsweise der KKE und KNE zu erfahren. Dieses Anliegen ist zum Teil von der Wahlperiode dort verschluckt worden.

SB: Wenn es um Informationen zur Vorgehensweise der KKE und ihrer Jugendorganisation KNE geht, erteilen das Parteiprogramm und andere Schriften da nicht genug Auskunft? Welche Lerneffekte oder Inspirationen habt ihr euch also von den direkten Gesprächen vor Ort versprochen?

KB: Vieles von dem, was die KKE zu ihrer Parteilinie veröffentlicht, wird nur zu einem Teil in andere Sprachen übersetzt, und zwar von ihnen selbst, weil sie auf internationale Zusammenarbeit viel Wert legen. Aber natürlich stellt das immer nur einen Ausschnitt dar und bezieht sich meistens auf kontroverse Fragen innerhalb der internationalen kommunistischen Bewegung. Sicherlich läßt sich aus diesem Material Programmatisches zur Anwendung des Marxismus-Leninismus entnehmen. Das betrifft weltanschauliche ebenso wie strategische Fragen zur konkreten Situation in Griechenland. So findet man beispielsweise Informationen zum Volksbündnis [2] zuhauf im Internet.

Was wir daraus jedoch nicht herauslesen konnten, war die Konkretion dessen, oder wie ihr Frauenverband organisiert ist, wie ihre Treffen aussehen und wie sie mit Leuten aus unorganisierten Zusammenhängen in Aktion kommen. Natürlich haben uns auch die Unterschiede zu unserer Arbeitsweise interessiert, weil wir in Teilen unserer politischen Praxis und Bündnispolitik maßgeblich mit Kadern anderer Organisationen zusammenarbeiten und sich so ein völlig anderes Herangehen ergibt.

SB: In linken Medien wird gegen die KKE und wahrscheinlich auch ihren Jugendverband oft der Vorwurf der Sektiererei vorgebracht. Ist das für euch überhaupt ein relevanter Vorwurf gegenüber einer linken Organisation, die in ihrem Kampf eine gewisse Geschlossenheit aufweisen muß, oder seht ihr darin eher eine herrschaftsimmanente Konterstrategie?

KB: Wie wir bezieht sich die KKE in ihrem linken Radikalismus auf Lenin, der sinngemäß gesagt hat, wer einen möglichen Bündnispartner links liegen läßt, macht einen großen Fehler, weil das Kapital der revolutionären Bewegung als Übermacht gegenübersteht. Aufgrund der Erfahrungen, die wir bei der Rundreise gemacht haben, würde ich die These vertreten und notfalls auch hier in Deutschland verteidigen, daß die KKE mit dem Volksbündnis keine Massenorganisation um sich herum hätte aufbauen können, wenn sie auf einen potentiellen Bündnispartner verzichtet oder sich geweigert hätte, auf einen Bündnispartner zuzugehen, der möglicherweise am Ende wieder abspringt, denn sie setzt ganz klar auf Volksmassen. Wer einmal eine PAME-Demo mit eigenen Augen gesehen hat, weiß, daß sie niemanden ausschließt, der in dem Moment ernsthaft daran interessiert ist, diesen Kampf mitzuführen.

SB: Von der Basisarbeit der KKE ist hierzulande wenig bekannt. Müßte diese Art der Verankerung in den Betrieben und Stadtvierteln nicht ein Traum für jeden Linken oder Kommunisten in Deutschland sein?

KB: Abstrakt gesehen sicherlich, aber konkret ist es so, daß jedes Mitglied der KKE oder KNE angehalten ist, in seinem direkten Umfeld Ansatzpunkte für die Gründung eines sogenannten Aktion-Komitees, also einer Aktionseinheit auf der niedrigsten Handlungsebene, zu suchen. Das können beispielsweise überhöhte Mietpreise sein. In diesem Fall zieht das Parteimitglied mit den Leuten aus seinem Wohnbezirk vor die Zentrale der Wohnungsgesellschaft, um gegen die Mietkosten zu protestieren. Voraussetzung dafür ist natürlich, daß die Leute den Kommunisten nicht als linken Spinner abtun, der von außen kommt und ihnen die Welt erklären will, sondern er muß auch bereit sein, mit ihnen gemeinsam in diesen Kampf zu gehen. Sicherlich kann ich mir diese Einstellung zum Vorbild nehmen, aber ich kann sie nicht 1:1 auf Deutschland übertragen.

In Athen kann man um keine Ecke laufen, ohne Hammer und Sichel bzw. das KKE-Symbol oder die tagesaktuelle Losung der Partei an der Wand zu sehen. Manchmal steht die neueste Schlagzeile des Rizospastis [3] schneller an den Häuserwänden als gedruckt in der nächsten Auflage. Die KKE ist in diesem Sinne unglaublich schlagkräftig. Im gleichen Zuge, wie die Linken in der deutschen Gesellschaft viel weniger verankert sind, gibt es hier in Deutschland einen viel stärkeren Antikommunismus. Hinzu kommt, daß die deutsche Linke oftmals die Attitüde hat, sich aus der normalen Gesellschaft zu entfernen.

Ein Beispiel dafür ist die politische Kleidung. Wir haben kaum ein Mitglied der KKE mit einem Che-Guevara-T-Shirt herumlaufen gesehen. Die KKE will nicht die Heraushebung, sondern das Reingehen in die Massen, und das machen sie unglaublich konsequent, selbst in den persönlichen Angelegenheiten. Natürlich gibt es KNE-T-Shirts und die Leute haben sie auch an, aber sie wollen sich damit nicht von den anderen Menschen abheben, sondern unterstreichen damit lediglich ihre Verbundenheit mit der Partei. Das ist bewundernswert und ein Traum, so arbeiten zu können, aber ich kann diese Situation nicht auf Deutschland übertragen.

SB: Massenproteste wie 2011 auf dem Syntagma-Platz kann man sich hierzulande kaum vorstellen. Du hast diese Kundgebungen auf dem Syntagma-Platz in deinem Vortrag als kleinbürgerliche Platzbesetzung bezeichnet. Wie steht die SDAJ überhaupt zu dieser Art von spontaner Protestaktion, ist das für euch von vornherein zum Scheitern verurteilt?

KB: Der Syntagma-Platz war zwar voll, aber als die Kommunisten dort erschienen sind und getan haben, was Kommunisten tun sollen, nämlich versucht haben zu argumentieren und eine Linie hereinzubringen, dann haben Leute auf relativ organisierte Weise angefangen zu rufen : "Trade unions out - parties out". Man hat die Kommunisten von diesem Platz vertrieben, und zwar auch als sie gesagt haben, okay, wenn ihr uns nicht als Kommunisten wollt, dann nehmt uns doch als Gewerkschaft. Doch man wollte auch die Gewerkschaften nicht, man wollte gar keine Organisation, statt dessen haben sich dort Faschisten neben Anarchos getummelt, was von der KKE mit Bildern stringent nachgewiesen wurde. Das kann ich nicht anders als kleinbürgerlich bezeichnen, um nicht noch schärfere Begriffe zu benutzen. Es ist immer gefährlich, wenn man die Leute bewußt in Konfrontation zu den Kommunisten bringt. Ich unterstelle damit nicht jedem einzelnen ein reaktionäres Bewußtsein, aber bei den Leuten, die das organisiert haben, kann man meines Erachtens sehr wohl von einer reaktionären Einstellung sprechen.

Es gibt auch in Deutschland spontan entstehende Proteste und Organisationen. Während meiner Schulzeit hatten wir einen Lehrer, der fachlich und menschlich einfach unfähig war. Schließlich haben wir ihn gemeinsam abgesägt. Nach diesem Erfolg haben wir uns spontan gesagt, das könnten wir öfter machen, weil es noch mehr von diesen blöden Lehrern gibt. Ich war damals kein SDAJler, vielmehr haben wir eine SV gegründet. Das ist eine klassische Interessenvertretungsstruktur, die nicht nach einer Regel, sondern spontan entsteht. Die SDAJ vertritt die Linie, solche Sachen immer dann zu unterstützen, wenn Leute für ihre eigenen Interessen kämpfen.

Wenn sich Leute damit an uns wenden, rennen sie offene Türen ein, denn diese kleinen und kleinsten Klassenkämpfe bringen letzten Endes den großen Klassenkampf ins Rollen. Wenn es jedoch keine spontanen Entwicklungen sind, weil sie wie zum Beispiel bei den Montagsmahnwachen gesteuert werden, oder wenn die Spontaneität derart überhöht ist, daß ein organisiertes Herangehen unmöglich wird oder man uns gegenüber feindlich auftritt, werden wir gewiß nicht verleugnen, SDAJler zu sein. In Deutschland treten wir, wo wir es können, offen als Kommunisten auf. Denn der SDAJ ist der kommunistische Jugendverband. Wir müssen als solcher auftreten, andernfalls verlieren wir unsere Glaubwürdigkeit. Falls man uns daran hindern will, können wir immer noch entscheiden, ob wir das mit gleicher Münze heimzahlen oder nach taktischer Abwägung einfach ignorieren. Prinzipiell besteht unsere Linie jedoch darin, wo immer es geht, eine Zusammenarbeit anzustreben, und wenn uns jemand feindlich gegenübertritt, im Zweifelsfall ignorieren. Wenn Leute rabiat gefährlich werden, wie es diese Montagsmahnwachen teilweise waren, dann kann man, muß aber nicht mit Stellungnahmen reagieren.

SB: Mit Blick auf den Krisenzyklus hat die KKE mit ihrer radikalen Forderung, aus der EU und Eurozone auszutreten, durchaus richtig gelegen, vor allem, wenn man sich die Politik der Syriza-Regierung heute anschaut. Dennoch konnte die KKE bei den letzten Wahlen in absoluten Zahlen nicht zulegen. Welchen Schluß zieht ihr daraus, daß die KKE trotz ihres stringenten Kurses nicht massenwirksam und nach wie vor eine Fünf-Prozent-Partei ist und ihr damit die Dimension größerer politischen Handlungsfähigkeit verschlossen bleibt?

KB: Es ist zweierlei, Recht zu haben und das Richtige zur richtigen Zeit in eine richtige Handlung überführen zu können. Es gibt natürlich Situationen mit massenhafter Verelendung und auch massiver Repression, wo die Arbeiterklasse tatsächlich vor entwicklungshemmenden Faktoren steht und die Aufforderung, mit den Kommunisten zu kämpfen, die Leute vor echte Schwierigkeiten stellt. Dann hat man es mit realer Handlungsunfähigkeit zu sein, weil große Teile der griechischen Arbeiterklasse davon betroffen sind. Es gibt Bereiche, in die weder die Gewerkschaftsdachverbände noch die Basisgewerkschaften wirklich eindringen können. Das kennen wir hier in Deutschland auch, aber diese Probleme muß die Arbeiterbewegung für sich lösen.

Warum sich die offensichtliche Krise nicht in Wahlerfolge der KKE niederschlägt, mag daran liegen, daß die Leute das Richtige mit dem falschen Bewußtsein gewählt haben. Sie haben nicht die KKE gewählt in der Hoffnung, eine Syriza-Regierung dadurch linker zu machen. Als Syriza dann die Regierungsmacht gestellt hat, war die KKE nicht bereit, das linke Feigenblatt einer Syriza-Regierung zu sein. Und diese Haltung haben die Kommunisten durchgezogen. Natürlich haben sie damit die Hoffnungen der Leute enttäuscht, was dazu geführt hat, daß sie erneut Syriza oder jetzt die Volkseinheit - oder wen auch immer man als nächstes linkes Feigenblatt haben möchte - gewählt haben. Das Problem ist, daß man solche Leute nicht an sich binden kann.

Ich glaube, die KKE würde die Haltung vertreten, daß man mit diesem Bewußtsein nicht kämpfen kann und die Stimmen deswegen ein Wahlergebnis aufplustern. In der Wahlauswertung hat sich die KKE sehr oft auf Lenin bezogen. Ihm zufolge stellen Wahlergebnisse die Reife der Arbeiterklasse dar. Daß jeder Zwanzigste die KKE gewählt hat, markiert nochmal einen höheren Schnitt und die Reife der griechischen Arbeiterklasse derzeit, und nur das ist für die KKE von Interesse. Daraus läßt sich ein bestimmtes soziales Niveau berechnen, denn ein Reeder wird die Kommunisten ganz sicher nicht gewählt haben. Daraus zieht die KKE den Schluß, daß man die Bewußtseinszustände durch den von ihr tagtäglich geführten Kampf verändern muß. Das ist im wesentlichen auch die Lektion, die wir als SDAJ daraus ziehen. Wir können die Leute nicht dazu auffordern: Wählt etwas anderes, und dann wird alles gut.

SB: Ihr vertretet in eurer Politik einen Klassenstandpunkt. Nun haben wir es hier in Deutschland im Unterschied zu Griechenland mit einer Gesellschaft zu tun, die hinsichtlich der sozialen Lebens- und Arbeitsverhältnisse extrem fragmentiert ist. Wie geht ihr mit der zunehmenden Tendenz zur Atomisierung und Prekarisierung um, denn für eine widerständige Politik müßt ihr zuallererst die Menschen erreichen?

KB: Die Leute lernen nicht dadurch, daß ich ihnen etwas anderes erzähle, sondern vor allem dadurch, daß sie andere Erfahrungen machen. Wenn die Verhältnisse atomisieren, müssen linke Kräfte dem entgegenwirken, also Solidarität und das Gemeinsame zu einer Realität machen, die erfahrbar wird. Ein guter Anhaltspunkt dafür ist die Orientierung auf die Interessenvertretungsstrukturen, die auch in einem imperialistischen Land wie Deutschland zur Selbstorganisierung des Lohnfutters und der Arbeitssklaven gebraucht werden und die das Kapital von daher nicht einfach abschaffen kann. In diesen Strukturen kann man arbeiten, weil man bereits etwas Gemeinsames hat. Ein zweiter guter Ansatzpunkt ist dort, wo die Atomisierung so weit fortgeschritten ist, daß gerade Gewerkschaften die Dringlichkeit erkennen, etwas machen zu müssen - Beispiel Call Center.

Die SDAJ gehört zu jenem Teil der Gewerkschafts- und Arbeiterbewegung, der zu Organizing-Kampagnen aufruft, die auf eine Selbstmobilisierung/Selbstaktivierung der Kolleginnen und Kollegen abzielen. Und in diesem Sinne ist die SDAJ die Alternative mit Blick auf die Solidarität und das Gemeinsame. Ich denke, daß gerade Organizing-Kampagnen ein Beispiel dafür sind, daß es funktionieren kann. Denn die Atomisierung ist der Versuch, Teile der Arbeiterklasse im Kapitalismus zu integrieren. Weil der Kapitalismus jedoch eine antagonistische Gesellschaft impliziert, kann er auf Dauer niemanden integrieren. Die Widersprüche sind vorhanden und treten immer deutlicher zutage. Und weil der Mensch arbeitsteilig produziert, kann der Kapitalismus nicht verhindern, daß irgendwo zwei Lohnarbeiter zusammenkommen und eine Interessenvertretung gründen. Wenn wir dort unsere Arbeit machen, kann daraus etwas entstehen.

Ganz konkret ist es wahnsinnig schwer, ein bestimmtes Bewußtsein in die Betriebe hineinzutragen. Dennoch haben wir in der letzten Arbeiterjugendpolitik-Kampagne versucht, für diese konkrete Problemstellung eine Lösung zu entwickeln, nämlich die Solidarität von außen an die Betriebe heranzuführen. Das ist natürlich nicht das Gelbe vom Ei, weil sie eigentlich innerhalb des Betriebes entwickelt werden müßte, aber mangels geeigneterer Ansatzpunkte ist das immer noch das Beste, was wir tun können.

SB: Jugendliche lassen sich heute vor allem über Ökologie, Klimawandel oder auch Tierrechtsthemen erreichen. Könnten solche Themen nicht zu einer Politisierung beitragen, auch wenn das erst einmal wenig mit einem Klassenstandpunkt zu tun hat? Oder anders gefragt: Sind soziale Bewegungen für die SDAJ überhaupt von Relevanz?

KB: Wir befassen uns damit auf zwei Arten. Zum einen geben wir immer wieder Sonderpublikationen mit unseren Standpunkten heraus. in Kürze erscheinen eine Umweltbroschüre und ein Positionspapier mit unseren hochschulpolitische Forderungen. Ansonsten beziehen wir in unserem Verbandsmagazin Stellung zu Themen, mit denen wir uns vorher aus historischen oder organisatorischen Gründen nicht so intensiv beschäftigt hatten. Natürlich beteiligen wir uns auch an Protesten dieser Art, aber wir werden ungeachtet dessen niemals den Klassenstandpunkt aufgeben oder plötzlich davon reden, daß das Kapital die Probleme schon lösen wird. Das kann es nämlich nicht.

Aber wir werden, wo wir es können, unseren Klassenstandpunkt in den Protest einbringen. Die Gefahr besteht jedoch, wenn man sich zu sehr mit solchen Themen auseinandersetzt, daß die Leute aus ihren Lebens- und Arbeitszusammenhängen herausgerissen und in einen anderen Kampf geworfen werden. In meinen Augen wäre das eine Fluchtbewegung, die von Resignation und Furcht bestimmt wird, auch wenn man vordergründig einen positiven Anspruch an sich und seine Mitmenschen erhebt. Das wäre Flucht in eine Selbstverwirklichungskompensation, die den Klassenstandpunkt völlig negiert.

SB: Nach deinen Worten gibt es zwischen der KNE und der KKE sowohl strukturell, organisatorisch als auch inhaltlich eine sehr enge Verbindung. Wie steht ihr als SDAJ zur DKP, weil ihr euch nicht explizit als ihre Jugendorganisation versteht?

KB: Das ist richtig. Auch in der alltäglichen Arbeit ist die Verbindung zur DKP weniger eng. Aber grundsätzlich teilt die DKP mit uns die gleiche Weltanschauung und die wesentlichen programmatischen Fragen. Wir wollen den Sozialismus über möglichst breite Volksschichten im Kampf um die eigenen Rechte erreichen, und das geht derzeit am besten im Kampf gegen das Monopolkapital. In unserem Zukunftspapier ist das allerdings anders ausformuliert als im DKP-Programm, schon deshalb, weil es sich jeweils an unterschiedliche Menschen richtet. Wenn man beides liest, erkennt man, daß der Weg dahin in dem einen oder anderen Moment viel klarer oder weniger klar gefaßt ist. Ohne sich zu weit vorzuwagen, könnte man sagen, daß es zeitlich gefaßte Positionspapiere sind. Vor allem das DKP-Programm von 2006 macht deutlich, daß ein Diskussionsprozeß im Gange ist, der eine Bewegung innerhalb der Partei kennzeichnet, was völlig normal ist, da eine Partei sich immer auch entwickelt.

In erster Linie unterscheiden wir uns von der DKP darin, daß wir verschiedene Taktiken fahren, also innerhalb derselben Strategie unterschiedliche Mittel und Wege zu finden versuchen, um am Ende dasselbe Ziel zu erreichen. Die einfachste Erklärung dafür ist, daß wir uns an unterschiedliche Leute wenden. Uns geht es vor allem um die Jugend. Wir werden uns von daher nicht an einem Lehrer-, sondern an einem Schülerstreik beteiligen. Tatsächlich ist es so, daß die DKP teilweise in Wohngebietsgruppen organisiert ist und damit ein anderes Politikfeld hat als wir. In Hamburg beispielsweise leitet die DKP Wohngebietsgruppen, das gibt es in der SDAJ Hamburg nicht. Das heißt, wir haben keine langjährige lokale Verankerung, so daß die DKP Sachen machen kann, die wir nicht machen können.

Und genau dort gibt es eine Gemeinsamkeit zwischen SDAJ und DKP und KKE. Natürlich profitiert man voneinander, aber der Unterschied ist meiner Ansicht nach, daß wir vor allem in der ideologischen Anleitung hin und wieder stärker auf die eigenen Kader setzen, zumal die KNE in meinen Augen explizit eigene Bildungsstrukturen hat. Ich will damit nicht sagen, daß das ein gewollter Unterschied ist, zumal sich das auch wieder relativiert, denn bei uns wie entsprechend auch in der KNE treten Referenten auf, die zu großen Teilen DKP- respektive KKE-Provenienz sind. Teilweise kommen die Leute, die an unseren Veranstaltungen teilnehmen, in nicht unerheblicher Zahl aus der DKP. Ich will die Nähe der SDAJ zur DKP an keiner Stelle in Abrede stellen. Ich glaube jedoch, daß die DKP von der Entwicklung nach 1990 in ganz anderem Maße getroffen wurde als die KKE, und daß wir als Jugendverband entsprechende Strukturen aufgebaut haben, was demzufolge an manchen Stellen eine größere Eigenständigkeit impliziert.

SB: Kurt, vielen Dank für das Gespräch.


Fußnoten:

[1] http://www.kapitalismus-in-der-krise.de/index.php

[2] Sammelbegriff für die diversen Parteiorganisationen der KKE

[3] Zeitung der KKE


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