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INTERVIEW/372: Schlagseite Militarismus - Kontinuität der Bündnisbreite ...    Lorenz Gösta Beutin im Gespräch (SB)



Der Historiker Lorenz Gösta Beutin hatte sich schon in jungen Jahren in der Umweltorganisation BUND engagiert und war bis 1999 Mitglied der Grün-Alternativen Jugend. Aufgrund ihrer Kriegspolitik kehrte er den Grünen den Rücken und schloß sich der Partei Die Linke an, deren Landesvorstand in Schleswig-Holstein er von 2007 bis 2014 angehörte. Seit 2014 ist er Mitarbeiter der Bundestagsfraktion im Regionalbüro Nord in Kiel und seit November 2015 Landessprecher der Linkspartei, für die er bei der Bundestagswahl im September auf Platz 2 der Landesliste kandidiert.

Für den 20. Juni hatte ein breites Bündnis antimilitaristischer Organisationen in Kiel zu einer Demonstration unter dem Motto "War Starts Here - Let's Stop It Here" aufgerufen. [1] Aktueller Anlaß war das Kiel International Seapower Symposium (KISS), mit dem an diesem Tag zum dritten Mal in Folge eine Kriegskonferenz während der Kieler Woche abgehalten wurde. Veranstalter war das Institut für Sicherheitspolitik der Universität Kiel (ISPK), das mit dem Center for Naval Analyses ein hochkarätiges, von der US-Regierung finanziertes, aber nicht dem Pentagon unterstehendes Forschungs- und Planungszentrum für militärstrategische Fragen als Partner gewonnen hatte.

Nach der Auftaktkundgebung vor dem Sitz des ISPK zogen die Aktivistinnen und Aktivisten in Richtung Förde. Bei einem Zwischenstopp prangerte Lorenz Gösta Beutin das Nord-Süd-Gefälle an, dessen Aufrechterhaltung von der Bundesrepublik mit allen Mitteln verteidigt werde, um den ressourcenintensiven deutschen Lebensstandard zu sichern. Am Horn von Afrika und in anderen Regionen des Kontinents verhungerten Menschen in großer Zahl auch dafür, daß hierzulande reichlich konsumiert werden kann. Das Totschweigen des globalen Hungers sei ein Symptom dessen, daß der "Wert" eines Menschen im globalen Kapitalismus anhand seiner Verwertbarkeit bemessen wird. Gleiches gelte für die Spaltung der Menschen, die aus ihren Ländern nach Europa fliehen, in Flüchtlinge, die aus humanitären Gründen aufgenommen werden, und sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge, die bereits an den europäischen Außengrenzen abgewehrt oder später abgeschoben werden. Der Kapitalismus sei eine zentrale Fluchtursache.

Nachdem sich der Demonstrationszug wieder in Bewegung gesetzt hatte, beantwortete Lorenz Gösta Beutin dem Schattenblick unterwegs einige kurze Fragen zum Kieler antimilitaristischen Bündnis, zu dessen Zielen und zum Umgang mit den vielfältigen Herausforderungen der aktuellen Antikriegsbewegung.


Hinter einem Transparent auf der Demo - Foto: © 2017 by Schattenblick

Lorenz Gösta Beutin
Foto: © 2017 by Schattenblick


Schattenblick (SB): Heute ist hier in Kiel bei der Antikriegsdemonstration ein breites Bündnis vertreten. Könntest du einmal sagen, wer alles beteiligt ist?

Lorenz Gösta Beutin (LGB): Das Bündnis reicht vom AStA der CAU Kiel über ver.di Kiel, die Friedenswerkstatt, das Kieler Friedensforum, Subvertere, Die Linke, die Linksjugend ['solid], DKP, SDAJ und Die Falken bis hin zu diversen weiteren Studierenden- und antimilitaristischen Gruppen.

SB: Gibt es aus Sicht der Linkspartei Positionen, die zwar im Bündnis untergebracht werden können, aber noch darüber hinausweisen?

LGB: Ich glaube, die zentralen Themen sind alle in diesem Bündnis vertreten. Wir sagen Stopp der Auslandseinsätze, Stopp von Rüstungsexporten, wir wollen die Fluchtursachen und nicht die Flüchtlinge bekämpfen und wir sagen ganz klar, daß Forschung und Lehre friedlichen Zwecken dienen sollen. Das sind die Kernziele des Bündnisses und auch unsere Ziele als Partei.

SB: Wurde das Bündnis nur für die heutige Veranstaltung geschlossen oder handelt es sich um einen längerfristigen Prozeß?

LGB: Das Bündnis ist tatsächlich schon vor zwei Jahren, also 2015, aus Protest gegen eine Kriegskonferenz des ISPK entstanden, die damals noch gemeinsam mit dem NATO-Exzellenzzentrum hier in Kiel veranstaltet worden ist. Und diesmal wird sie ja in Zusammenarbeit mit dem Think Tank der US Navy durchgeführt. Das heißt, sie haben in diesem Jahr einen anderen Partner, aber die Ziele bleiben die gleichen.

SB: Spielt es im Zusammenhang des Bündnisses eine Rolle, auch die brisanten langfristigen Forderungen wie Abschaffung der NATO zu thematisieren, oder ist das im Moment dafür nicht von Belang?

LGB: Uns geht es im Bündnis nach dem Motto "Der Krieg beginnt hier - beginnen wir hier, ihn zu stoppen!" erst einmal um die zentralen Themen, die gegenwärtig hierzulande anstehen, das heißt Rüstungsproduktion, Bundeswehr raus aus den Schulen und Fluchtursachen bekämpfen. Ich glaube, daß Ziele wie Raus aus der NATO und Auflösung der NATO sicherlich anstrebenswert sind. Es handelt sich dabei aber natürlich um keine akuten Forderungen, die man derzeit unmittelbar umsetzen könnte.

SB: Im Moment gibt es ungeheuer viele Fronten, an denen man als Kriegsgegner aktiv werden könnte oder sollte. Wie schafft man es denn, die Kräfte so zu bündeln, daß man noch einigermaßen Wirkung erzielt?

LGB: Wir bemühen uns, immer auch das Verbindende dieser verschiedenen Proteste deutlich zu machen. Ich glaube, das ist das Zentrale. Wenn uns das gelingt, das Verbindende der Proteste gegen den Krieg, gegen die Rüstungsindustrie, gegen die Militärforschung und für die Bekämpfung von Fluchtursachen, für Solidarität mit Flüchtlingen herauszustreichen, dann macht uns das unser Engagement erheblich einfacher.

SB: Lorenz, vielen Dank für das Gespräch.


Transparent der Linksjugend 'Militarismus entgegentreten, Rüstungsindustrie das Handwerk legen' - Foto: © 2017 by Schattenblick

Foto: © 2017 by Schattenblick


Fußnote:

[1] Siehe dazu:
BERICHT/278: Schlagseite Militarismus - steter Tropfen ... (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/politik/report/pbre0278.html


28. Juni 2017


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