Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → SOZIALES

ARMUT/128: Ostdeutschland hat das höchste Armutsrisiko (SoVD)


Sozialverband Deutschland - SoVD-Zeitung Nr. 6 / Juni 2009

Armutsatlas zeigt soziale Schere und ein regional zerrissenes Land

Ostdeutschland hat das höchste Armutsrisiko


Verschiedene Studien haben in den vergangenen Jahren über Einkommens- und Vermögensverteilungen sowie über die Lebenslagen armutsgefährdeter Menschen Einblick gegeben. Somit wurde die Armutsberichterstattung immer präziser. Dass die Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Armutsentwicklung offenbar ein regional zerrissenes Land ist, in dem ganze Landstriche zu verarmen drohen, zeigt der erste Regionale Armutsatlas, den der Paritätische Gesamtverband in Berlin vorstellte.


Die Ergebnisse des Berichtes zeigen auf den ersten Blick das bekannte Gefälle: Die wirtschaftlich prosperierenden Bundesländer Süddeutschlands weisen eine sehr viel niedrigere Quote des Armutsrisikos aus als im Norden; am schlechtesten schneiden immer noch die ostdeutschen Länder ab - aber auch unter ihnen wachsen die Quoten tendenziell in Richtung Norden. So liegt der Armutsanteil in Mecklenburg-Vorpommern mit 24,3 Prozent am höchsten, mit 10 Prozent in Baden-Württemberg am niedrigsten.

Ein genauerer Blick in die Regionen vermittelt über dieses zu erwartende Ergebnis hinaus weitere interessante Einblicke. Dabei zeigt sich, dass in drei Regionen das Armutsrisiko jeweils unterhalb von 11 Prozent der Gesamtbevölkerung liegt: der so genannte nördliche "Hamburger Speckgürtel", das Rhein-Main-Gebiet und ein breiter Streifen im südlichen Baden-Württemberg und Südbayern. Armutsquoten, die denen Ostdeutschlands vergleichbar sind, erreichten Ostfriesland und die Region um Bremen, zwei Regionen des südlichen Niedersachsens und Teile des Ruhrgebiets.

"Die regionale Betrachtung der Armut führt uns erstmals vor Augen, dass Deutschland nicht nur sozial, sondern auch regional ein tief zerrissenes Land ist", bilanziert Dr. Ulrich Schneider Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. "Zwanzig Jahre nach dem Mauerfall ist Deutschland nicht länger zwei- sondern mindestens dreigeteilt und im Hinblick auf die Armutsbetroffenheit zerrissener als je zuvor. Wenn die ärmste Region eine viermal so hohe Armutsquote aufweist wie die reichste, hat das mit gleichwertigen Lebensverhältnissen nichts mehr zu tun." Ohne gezielte Maßnahmen der Armutsbekämpfung werde mittelfristig jede Grundlage für eine gute ökonomische Entwicklung in den betroffenen Regionen zerstört, mahnte Ulrich Schneider.

Scharfe Kritik übte der Verband in diesem Zusammenhang an dem Konjunkturpaket II. Die zehn Milliarden Bundesmittel für Investitionen in Bildung und kommunale Infrastruktur flössen zu einem Drittel in die drei Bundesländer, die mit Abstand die geringsten Armutsquoten aufweisen. Eine solche Mittelverteilung sei nicht nur ökonomisch unvernünftig, sondern auch sozial ungerecht.

Im Regionalen Armutsatlas werden Personen als arm eingestuft, denen weniger als 60 Prozent eines mittleren Einkommens zur Verfügung stehen. Einem Ein-Personen-Haushalt mussten dieser Rechnung zufolge 764 Euro zur Verfügung stehen, um nicht als arm zu gelten.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband nahm den Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes zur Grundlage seiner Statistik.

In vielen Regionen Deutschlands wächst die Armut. In Mecklenburg-Vorpommern ist laut Statistik nahezu jeder 4. Einwohner (24,3 %) arm. In Baden-Württemberg gilt nur jeder 10. als arm.


*


Quelle:
SoVD-Zeitung des Sozialverband Deutschland (SoVD)
Nr. 6 / Juni 2009, S. 4
Herausgeber: Bundesvorstand des Sozialverband Deutschland e.V.
Stralauer Str. 63, 10179 Berlin
Tel.: 030/72 62 22-0, Fax: 030/72 62 22-145
E-Mail: redaktion@sovd.de
Internet: www.sovd.de

Die SoVD-Zeitung erscheint am 1. eines jeden Monats.
Der Bezugspreis wird im Rahmen des Verbandsbeitrages
erhoben.


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. August 2009