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ARMUT/278: Akzeptierte Armut - "Bildungs- und Teilhabepaket" reicht nicht aus (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 42 vom 18. Oktober 2019
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Akzeptierte Armut
"Bildungs- und Teilhabepaket" reicht nicht aus

von Markus Bernhardt


In der vergangenen Woche hat der Paritätische Wohlfahrtsverband eine Expertise zum sogenannten Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung vorgestellt. Eigenen Angaben zufolge wollte die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD mit einem höheren Kinderzuschlag und mehr Leistungen für Bildung und Teilhabe die Kinderarmut in Deutschland bekämpfen.

Kinder sollten "möglichst unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten des Elternhauses faire Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe und Bildung erhalten und ihre Fähigkeiten entwickeln können", betonte das von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) geführte Ministerium auf seiner Internetseite. Mittels speziell zugeschnittener Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket sollten Kindern und Jugendlichen "mehr Möglichkeiten" geboten werden, "um an Bildungs- und Förderangeboten im schulischen, sozialen und kulturellen Bereich teilnehmen zu können". Um von staatlichen Transferleistungen abhängigen Familien die Möglichkeit zu geben, ihren Kindern beispielsweise die Mitgliedschaft in einem Sportverein oder auch Klassenfahrten zu finanzieren oder sie besser mit notwendigem Schulbedarf ausstatten zu können, wurde der Betrag für die Ausstattung mit Schulbedarf ab Juli dieses Jahres von 100 auf 150 Euro pro Schuljahr angehoben. Bis dahin geltende Eigenanteile beim Schulessen und der Schülerbeförderung wurden abgeschafft.

Während die etablierte Politik erwartungsgemäß voll des Lobes für die eigenen Gesetzesänderungen ist, übt der Paritätische Wohlfahrtsverband in seiner nun veröffentlichten Expertise harsche Kritik an der Gesetzgebung der Bundesregierung, von der nur jedes siebte Kind der 6- bis unter 15-Jährigen überhaupt profitiere.

Die Leistungen für benachteiligte Kinder und Jugendliche seien in ihrer Höhe unzureichend und in der bestehenden Form schlicht nicht geeignet, Kinderarmut zu bekämpfen, Teilhabe zu ermöglichen und Bildungsgerechtigkeit sicherzustellen, konstatiert der Verband. Nach einer aktuellen Expertise der Paritätischen Forschungsstelle profitierten zuletzt weniger als 15 Prozent der Schülerinnen und Schüler unter 15 Jahren im Hartz-IV-Bezug von den sogenannten 'soziokulturellen Teilhabeleistungen', mindestens 85 Prozent der Leistungsberechtigten wurden in der Praxis dagegen nicht erreicht.

Die bisherigen Reformen im Kampf gegen Kinderarmut seien ein "Stückwerk" und selbst die kürzlich mit dem so genannten "Starke-Familien-Gesetz" in Kraft getretenen "Verbesserungen beim Bildungs- und Teilhabepaket seien allenfalls "Trostpflaster" gewesen, aber keine zufriedenstellende Lösung", so der Sozialverband weiter. Bisher kamen die soziokulturellen Teilhabeleistungen laut Expertise bei der großen Mehrheit der grundsätzlich leistungsberechtigten Kinder und Jugendlichen zwischen sechs und 15 Jahren nicht an. So kommt der Paritätische in seiner Studie zu dem Schluss, dass "deutliche regionale Unterschiede" bestünden, insgesamt sei aber in einem Großteil der Kommunen die durchschnittliche Quote bewilligter Anträge und festgestellter Ansprüche noch immer "niederschmetternd gering". "Das Bildungs- und Teilhabepaket ist und bleibt Murks und geht komplett an der Lebensrealität Heranwachsender und den Strukturen vor Ort vorbei. Dieses Paket ist durch Reparaturen nicht zu retten. Es ist Zeit, sich von dem verkorksten Bildungs- und Teilhabepaket endlich zu verabschieden", forderte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.

Tatsächlich scheint aufgrund der Kritik des Verbandes selbst im Familienministerium ein Umdenken eingesetzt zu haben. So wird mittlerweile beispielsweise der Vorschlag des Verbandes nach Einführung eines verbindlichen Rechtsanspruchs auf Teilhabe im Kinder- und Jugendhilfegesetz seitens des Ministeriums unterstützt.

"Es geht darum, Angebote für alle Kinder und Jugendlichen zu schaffen, die sie in ihrer Entwicklung fördern", so Schneider. "Die bisherigen Teilhabeleistungen sind davon abhängig, dass es vor Ort überhaupt passende Angebote gibt", stellte er klar. Nur ein Rechtsanspruch sorge jedoch dafür, dass auch wirklich entsprechende Angebote vorgehalten würden und jedes Kind, unabhängig von seinem Wohnort, bestmöglich in seiner Entwicklung gefördert werde, so Schneider weiter. Die komplette Expertise des Verbandes steht auf dessen Internetseite neben einer Reihe an anderen sozialpolitischen Stellungnahmen, Broschüren und Gutachten zum kostenlosen Download bereit.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 51. Jahrgang,
Nr. 42 vom 18. Oktober 2019, Seite 2
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Oktober 2019

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