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FRAGEN/012: Betty Akullo aus Uganda - "Frauen saßen nicht am Tisch!" (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 131, 1/15

"Frauen saßen nicht am Tisch!"
Interview mit Betty Akullo aus Uganda

Von Katharina Katzer


Seit 2006 herrscht Frieden in Uganda, jedoch sind die Auswirkungen des Bürgerkriegs bis heute bemerkbar. Vor allem Frauen werden in den Gesellschaften der ehemaligen Kriegsregion benachteiligt und sind oftmals von extremer Armut und Gewalt betroffen. Betty Akullo ist Rechtsanwältin und Gründerin der Organisation Women and Rural Development Network (WORUDET) in Norduganda. In einem Interview mit Katharina Katzer (CARE-Österreich) berichtet sie über ihre Arbeit und die aktuelle Situation von Frauen in ihrer Heimat.


Katharina Katzer: Sie setzen sich für die Frauen in Ihrer Heimat Uganda ein. Wie kann man sich das konkret vorstellen?

Betty Akullo: Unsere Organisation macht sich gegen Gewalt gegen Frauen stark, da geht es um Aspekte von Ungleichheit, um Frauenrechte und Landrechte. Frauen waren vom langjährigen Bürgerkrieg in Uganda extrem betroffen - sie wurden zwangsverheiratet, verloren Kinder oder wurden Witwen. Als die Kampfhandlungen beendet waren - wir sprechen vom Jahr 2006 - und es darum ging, den Frieden auszuhandeln - wer saß da bei diesen Verhandlungen nicht mit am Tisch? Richtig: die Frauen. Auf starken Druck der Zivilgesellschaft hin wurden dann auch Frauen für die Verhandlungen zugelassen.

WORUDET arbeitet auf verschiedenen Ebenen. Zum einen unterstützen wir vom Krieg betroffene Frauen direkt, zum Beispiel durch rechtliche Beratung oder psychosoziale Betreuung. Auf nationaler Ebene sind wir mit anderen NGOs vernetzt und versuchen gemeinsam, auf die Anliegen von Frauen aufmerksam zu machen. Mit den regionalen und lokalen Verwaltungen teilen wir Erkenntnisse aus unserer Arbeit, zum Beispiel Daten, die wir erheben, um auf Missstände aufmerksam zu machen und Input für weitere Planungsprozesse zu geben.

Ein konkretes Beispiel: Auf den Polizeistationen liegen nicht ausreichende Formulare auf, mit denen Frauen einen körperlichen Angriff anzeigen müssen. Wir stellen den Polizeistationen daher genügend Kopien dieser Formulare zur Verfügung. Andernfalls müssten die Frauen sich selbst Kopien dieser Formulare besorgen, was in vielen Fällen stundenlange Fußmärsche in die nächste Stadt bedeuten würde.


Katharina Katzer: Wie schafft man es, dass die Frauen von ihren Erfahrungen erzählen? Viele dieser Themen sind ja tabu.

Betty Akullo: Eine Möglichkeit, die wir nutzen, ist, dass wir Frauengruppen bilden. In diesen Gruppen stärken und unterstützen sich die Frauen gegenseitig, auch psychologisch. Das kann etwa in Form von Spargruppen geschehen - dort eignen sich die Frauen unterschiedliche Kompetenzen an und sparen gemeinsam Geld, das sie dann gegenseitig verborgen, um einkommensschaffende Aktivitäten umzusetzen, wie beispielsweise ein kleines Geschäft zu eröffnen. Aus den gemeinsamen Ersparnissen wird auch ein Notfalls-Fond eingerichtet zur schnellen Unterstützung von Frauen in Krisensituationen.


Katharina Katzer: Werden die Männer ausgeschlossen?

Betty Akullo: Nein, sie sind auch eine Zielgruppe - auf Wunsch der Frauen, denn es müssen sich Männer und Frauen verändern, um Gleichberechtigung zu ermöglichen. Die Frauen suchen sogenannte "Role Model"-Männer aus. Das sind Männer, die bereit sind, sich mit dem Thema von Geschlechterstereotypen und deren Auswirkungen auseinanderzusetzen und sich Wissen anzueignen. Dieses Wissen geben sie dann an zehn weitere Haushalte in ihrer Nähe weiter. Diese Männer haben erkannt, dass die geschlechtsspezifische Aufgabenteilung viele Nachteile für Frauen und Männer bringt. In Uganda darf ein Mann eigentlich nicht kochen, das ist die Rolle der Frau. Im Rahmen unseres Projekts haben Männer angefangen zu kochen, auch wenn es dafür kein Geld gibt, gibt es doch die Freude der Familie. Was schaut dabei für die Männer heraus? Sie sehen die positiven Auswirkungen ihrer Veränderung. Sie sagen zum Beispiel, dass zu Hause mehr Frieden herrscht und ihre Kinder besser in der Schule mitkommen. Es soll eine Win-win-Situation für beide Geschlechter entstehen, sonst funktioniert es nicht. Das Ganze dauert natürlich, und die Veränderung passiert nicht von heute auf morgen. Dementsprechend fallen die Reaktionen der männlichen Umwelt ganz unterschiedlich aus. Manche lachen über die Role Models, manche bewundern sie.


Katharina Katzer: Was passiert auf nationaler Ebene?

Betty Akullo: Die Regierung bemüht sich, aber unserer Meinung nach geht es zu langsam voran: Nehmen wir zum Beispiel den Gesundheitsbereich, das ist eine der größten Herausforderungen angesichts dessen, wie viele Frauen etwa vergewaltigt wurden. Hier braucht es viel mehr Ausstattung und Personal - Frauen sterben oft in den Gesundheitszentren, weil es entweder die benötigten Medikamente nicht gibt oder das medizinische Personal ganz einfach nicht anwesend ist. Hier muss noch viel mehr passieren. Die UN-Resolution 1325 ist ein wichtiges Werkzeug für uns, um diese Themen auf nationaler Ebene voranzutreiben. Wir müssen ein Bewusstsein dafür schaffen, welche unterschiedlichen Nachwirkungen des Konflikts die Frauen hier bewältigen müssen.


Katharina Katzer: Vor welchen Herausforderungen stehen Frauen noch?

Betty Akullo: "Landgrabbing" ist ein wichtiges Thema. Als die Menschen während des Konflikts zur Sicherheit von der Regierung in die Flüchtlingslager übersiedelt wurden, ließen sie Haus und Hof zurück. Die Rückkehrer_innen kannten dann die Besitzgrenzen nicht mehr, da viele derjenigen, die sie kannten, verstorben waren. Alleinstehende Frauen und Witwen haben in unserem Clan-System wenig Chance auf Landbesitz. Einer der größten Erfolge der Arbeit von WORUDET ist die Erarbeitung eines Instruments zur Zusammenarbeit von einzelnen Frauen, Frauengruppen, Gemeinden und insbesondere lokalen und kulturellen Autoritäten in Bezug auf Landrechte für Frauen.

Ein weiteres Problem ist die Schulbildung: Zwar gehen mittlerweile auch schon sehr viele Mädchen zur Schule, sie kommen aber oft nicht über die ersten paar Jahre Grundschule hinaus. Manche Eltern ermutigen sie nicht, die Schule weiter zu besuchen. Frühe Heirat trägt auch ihren Teil dazu bei. Dann sind es immer auch die Mädchen, die kranke Familienmitglieder pflegen und deshalb von der Schule zuhause bleiben. Obwohl sexuelle Beziehungen unter 18 verboten sind, wird das nicht geahndet. Vergewaltigte Mädchen müssen heiraten. Familienplanung ist daher sehr, sehr wichtig: Bildung ist meiner Meinung nach ein Teil von Familienplanung, da sie vor frühen Schwangerschaften bewahrt.


Katharina Katzer: Was macht WORUDET, um die Situation von Frauen zu verbessern?

Betty Akullo: WORUDET bringt diese Themen strategisch in die Planungsprozesse der Regierung ein, gemeinsam mit anderen NGOs leisten wir damit einen Beitrag zur Veränderung des Bewusstseins von Verantwortungsträger_innen in der Region. Die Regierung wird dadurch gefordert, die Verpflichtungen der Peking Aktionsplattform ernst zu nehmen und umzusetzen.


Katharina Katzer: Vielen Dank für das Interview!


WEBTIPP:
http://www.landesa.org/wp-content/uploads/INTRO-landesa-toolkit-a-women-first-approach.pdf

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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 131, 1/2015, S. 26-27
Medieninhaberin und Herausgeberin:
Frauensolidarität im C3 - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juli 2015

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