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FRAUEN/310: Nepal - Vor der Verfassungskrise, Frauen kämpfen um ihre Rechte (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. Mai 2011

Nepal: Vor der Verfassungskrise - Frauen kämpfen um ihre Rechte

Von Sudeshna Sarkar

Nepalesinnen fordern frauenfreundliche Verfassung - Bild: © Sudeshna Sarkar/IPS

Nepalesinnen fordern frauenfreundliche Verfassung
Bild: © Sudeshna Sarkar/IPS

Kathmandu, 26. Mai (IPS) - Bis zum 28. Mai sollte die neue Verfassung stehen. Doch Nepals Koalitionsregierung wird die Frist nach eigenen Angaben schon wieder nicht einhalten können. Während dem Himalaja-Staat eine Verfassungskrise droht, demonstrieren Frauen aus allen Teilen des Landes in der Hauptstadt Kathmandu für die Aufnahme ihrer Rechte in die künftige Landesverfassung.

Da die Regierung jedoch Kundgebungen im Umkreis des Parlaments untersagt hat, müssen sie nun mit ihrer Verhaftung rechnen. Doch schon vor dem Demonstrationsverbot sind die Frauen aus fast 70 der 74 Bezirke ins Visier der Aufstandspolizei geraten.

Nach Angaben der Sicherheitskräfte wurden 32 Demonstrantinnen verhaftet, unter ihnen auch prominente Aktivistinnen wie Tulasalata Amatya, Vorsitzende von 'Shanti Malika', ein aus neun Organisationen bestehendes Frauennetzwerk. Rita Thapa, die Gründerin der Nichtregierungsorganisation 'Tewa' und Stella Tamang, Gründerin des 'Bikalpa Gyan Tatha Bikash Kendra Ashram', wurden ebenfalls abgeführt.

Tewa hilft Frauen dabei, sich wirtschaftlich unabhängig zu machen. Bikalpa Gyan Tatha Bikash Kendra Ashram ist eine Schule, die Kinder der ethnischen Tamang unterrichtet, die besonders häufig in die Fänge von Menschenhändlern geraten.

Präsenz zeigen

Ihren Anfang nahmen die Mahnwachen am 14. April, in Nepal der Beginn des neuen Jahres. Mehr als 40 Frauenorganisationen aus allen Teilen des Landes fanden sich gegenüber dem Parlaments in Kathmandu ein. Sie wollen mit ihrer Anwesenheit den fast 600 nepalesischen Abgeordneten zu verstehen geben, dass es in Nepal auch Frauen gibt und dass sie erwarten, dass ihre Rechte in der neuen Verfassung festgeschrieben werden.

"Die Verfassung von 1990 schreibt fest, dass fünf Prozent der Kandidaten, die von den Parteien ins Rennen geschickt werden, Frauen sein müssen", sagt Sharada Pokharel, eine ehemalige Abgeordnete und Vorsitzende der 'Women's Security Pressure Group'. "Da wir Frauen dem letzten Zensus von 2001 zufolge 51 Prozent der Bevölkerung stellen, wollen wir zu 50 Prozent in allen staatlichen Institutionen vertreten sein."

Ihre Forderung wird von den Parlamentariern aus allen politischen Lagern unterstützt. So auch von Jayapuri Gharti Magar von der Maoistenpartei, einer ehemaligen Guerillaorganisation, die zehn Jahre lang gegen die Regierung für die Abschaffung der nepalesischen Monarchie gekämpft hatte. Seit dem Friedensabkommen von 2006 und den Wahlen zwei Jahre später hat sich Maoistenpartei zu einer der beiden größten politischen Kräfte im Lande gewandelt.

Gharti Magar stammt aus dem westlichen Bezirk Rolpa, der Wiege der Maoisten-Rebellion. Viele ihrer Angehörige saßen während des Volksaufstandes im Gefängnis und ihr Mann Bibek KC wurde von Mitgliedern der Armee umgebracht.

In diesem Monat wurde sie von ihrer Partei für das Amt der Ministerin für Frauen, Kinder und soziale Wohlsfahrt vorgeschlagen. Doch die 40-Jährige weigerte sich den Amtseid zu leisten. "Wir leben in einer Männergesellschaft", sagt sie bitter. "Selbst auf die Kommunistische Partei, die sich zur Gleichbehandlung der Geschlechter verpflichtet hat, ist kein Verlass."

Gharti Magar zufolge hätten Frauen ohne die Teilnahme am Volksaufstand und an der Pro-Demokratie-Bewegung gegen die von König Gyanendra gegängelte und militärisch gestützte Regierung gar nichts erreicht.

"Als die Parteien 2007 die Interimsverfassung entwarfen, wurde uns Frauen eine 33-Prozent-Quote zugesagt. Doch auf die Umsetzung des Versprechens warten wir bis heute", sagt sie. Dass Frauen ein Drittel aller Parlamentssitze belegen, sei die Ausnahme der Regel. Nur vier der insgesamt 36 Minister seien weiblich.

Auch Parlamentarierinnen machen Druck

Gharti Magar zufolge haben Nepals 196 Parlamentarierinnen die Parteien, den Ministerpräsidenten Jhala Nath Khanal und den Parlamentspräsidenten Subash Nembang aufgefordert, in allen staatlichen Einrichtungen und dem Kabinett eine Frauenquote von 33 Prozent durchzusetzen. "Werden wir weiterhin ignoriert, legen wir Rechtsmittel ein", versichert sie.

Bimala Paswan verdient sich ihren Lebensunterhalt als Lohnarbeiterin. Trotz ihrer Armut ist sie aus der südnepalesischen Tiefebene in die Hauptstadt gekommen, um das Recht von Frauen auf Landbesitz einzufordern. "Wir wollen, dass es als Teil der versprochenen Landreform in die Verfassung aufgenommen wird - und zwar möglichst schnell", betont die 30-Jährige.

Sie und ihre Mitstreiterinnen wollen ebenfalls erreichen, dass Frauen ein Recht auf Wohnraum garantiert wird. Sie erinnern an das Schicksal vieler besitzloser Frauen, die Vergewaltigungen und Morden zum Opfer fallen oder von ihren oftmals polygamen Partnern aus dem gemeinsamen Haus vertrieben werden. Auch verlangen sie, dass häusliche Gewalt als Form der Folter anerkannt wird und der Staat die misshandelten Frauen entschädigt.

Trotz aller Rückschläge werden Nepals Frauen mit ihrer politischen Arbeit weitermachen. Sie sind daran gewöhnt, dass jedes noch so kleine Recht mit viel Mühen erkämpft werden muss. Das Demonstrationsverbot werde sie nicht schrecken, unterstreicht die 38-jährige Dilli Chaudhary, eine Angehörige indigener Tharu, die häufig in Leibeigenschaft gehalten werden.

Die Gesundheitsarbeiterin Chaudhary berät die Frauen in der Ortschaft Siraha. Sie ist eine Exotin in einem Dorf, in dem Mädchen im Alter von zwölf Jahren als unbezahlte Arbeitskräfte verkauft werden. "Es wird eine Zeit dauern, bis wir uns durchsetzen werden", gibt sie sich realistisch und richtet eine Warnung an die Parlamentarier auf der anderen Straßenseite.

"Irgendwann einmal", sagt sie, "werden die Abgeordneten, die uns belogen haben, in ihren Wahlkreis zurückkehren. Dann werden wir sie an einem Seil durch die Dörfer schleifen und ihnen eine Lektion erteilen, die sie so schnell nicht vergessen." (Ende/IPS/kb/2011)


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IPS-Tagesdienst vom 27. Mai 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Mai 2011