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FRAUEN/346: Sri Lanka - Gnade für Rizana gefordert, Hausmädchen droht in Saudi-Arabien der Tod (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. November 2011

Sri Lanka: Gnade für Rizana gefordert - Hausmädchen droht in Saudi-Arabien der Tod

von Aditya Alles

Für ihre ältere Schwester Rifta ist Rizana eine Heldin - Bild: © Aditya Alles/IPS

Für ihre ältere Schwester Rifta ist Rizana eine Heldin
Bild: © Aditya Alles/IPS

Shafinagar, Sri Lanka, 16. November (IPS) - Wird Rizana Fathima Nafeek lebend in ihr Heimatdorf Shafinagar in einer armen Küstengegend von Sri Lanka zurückkehren? Ein Gericht in Saudi-Arabien hat die junge Frau vor vier Jahren für schuldig befunden, einen Säugling getötet zu haben. Ihr droht nun die Hinrichtung. Zuhause hingegen wird Nafeek als Heldin verehrt, weil sie ins Ausland ging, um ihre Familie und ihr Land finanziell zu unterstützen.

Nafeek ist eine von vielen Srilankerinnen, die Missbrauch und Misshandlungen riskieren, um im Mittleren Osten als Hausangestellte zu arbeiten. Mit dem Geld, das sie verdienen, leisten sie einen erheblichen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung ihres von einem langjährigen Bürgerkrieg gebeutelten Landes.

So ist Vizefinanzminister Sarath Amunugama fest davon überzeugt, dass sich die Armut in Sri Lanka rasch eindämmen ließe, würde sich die Zahl der im Ausland arbeitenden Landsleute auf etwa drei Millionen verdoppeln. "Einer der kürzesten Wege zum Wachstum und zur Überwindung der Armut besteht darin, die Menschen zur Migration zu ermutigen", sagte er Ende Oktober bei der Vorstellung des Jahresberichts des UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA).

Wirtschaftsexperten gehen davon aus, dass Hausangestellte mindestens 30 Prozent zu den rund vier Milliarden US-Dollar beitragen, die jährlich aus dem Ausland nach Sri Lanka überwiesen werden. Diese substanzielle Unterstützung für die lokale Wirtschaft hat allerdings auch ihren Preis. So werden viele Frauen, die im Ausland putzen, kochen und bügeln, von ihren Arbeitgebern gedemütigt, misshandelt und bisweilen getötet. Im vergangenen Jahr kehrten zwei Srilankerinnen heim, nachdem man ihnen Nägel in die Körper gebohrt hatte.

Nach offiziellen Angaben werden 75 Prozent der jährlich rund 12.000 gemeldeten Misshandlungen in Saudi-Arabien, Jordanien und Kuwait begangen. Die Hauptleidtragenden sind Frauen aus srilankischen Dörfern wie Shafinagar, das mehr als 300 Kilometer von der Hauptstadt Colombo entfernt ist.


Wegen Kindstötung zum Tode verurteilt

Bittere Armut zwang Mohamed Nafeek und seine Frau Ranzeena dazu, ihre Tochter Rizana Mitte 2005 nach Saudi-Arabien zu schicken. Damals war sie noch im Schulalter. Knapp zwei Wochen nach ihrer Ankunft in dem Königreich saß Rizana bereits im Gefängnis. Sie wurde wegen Kindstötung angeklagt und 2007 zum Tode verurteilt. Das Baby, das sie mit einer Flasche gefüttert hatte, war tragischerweise erstickt. Die junge Frau hatte bei Antritt ihrer Stelle in Dawadamissa rund 300 Kilometer von der Hauptstadt Riad entfernt keine Erfahrung mit der Betreuung kleiner Kinder gehabt.

Solidaritätskampagnen im In- und Ausland haben bislang verhindert, dass das Urteil vollstreckt wurde. Als die Einwohner von Shafinagar von dem Schicksal des Mädchens erfuhren, schickten sie eine Petition an die saudischen Behörden. Auch der srilankische Staatspräsident Mahinda Rajapaksa setzte sich für Rizana ein.

In ihrem Heimatort ist das Mädchen längst eine Heldin. "Sie ist eine wirklich mutige Frau. Wie sie ihr Schicksal wohl all die letzten Jahre tragen konnte?", fragt sich Mohammed Naqueeb, der Direktor der Schule, die Rizana einst besuchte. Sie habe nach dem Abschluss der neunten Klasse doch nur für ihre Schwester und andere Verwandten sorgen wollen.


Skrupellose Anwerbung

Damals war der Bürgerkrieg in Sri Lanka in vollem Gang. Für Rizanas Vater wurde es zu gefährlich, im Wald Feuerholz zu sammeln. Als ein Mittelsmann ihm dann sagte, dass die 17-jährige Tochter einen Job im Mittleren Osten finden könnte, zögerte er nicht lange.

Rizana wollte für ihre Familie einen Weg aus der Armut finden, erläutert Naqueeb. Die meisten Dorfbewohner seien sich der Gefahren, die im Ausland lauerten, gar nicht bewusst. So habe Rizanas Schicksal andere Frauen der Region nicht davon abgehalten, weiter nach Arbeit in arabischen Ländern zu suchen. Nach Ansicht von Juristen wurde Nafeek ein Opfer skrupelloser Rekrutierungsagenturen.

Allein in Saudi-Arabien sind mittlerweile um die 500.000 Srilanker beschäftigt. "Wir tun alles, was wir können, um den arbeitsuchenden Frauen eine ordentliche Vorbereitung und eine sichere Reise zu garantieren", sagte Kingsley Ranawaka, der Generaldirektor der Behörde für Beschäftigung im Ausland. Dennoch gebe es in dem Bereich noch viele schwarze Schafe.


Staatspräsident von Sri Lanka setzt sich für Begnadigung ein

Nachdem das Urteil gegen Rizana im vergangenen Monat erneut bestätigt wurde und ihre Hinrichtung somit jederzeit stattfinden kann, ist in Sri Lanka der Umgang mit einheimischen Arbeitskräften im Ausland erneut in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Präsident Rajapaksa wandte sich an den saudiarabischen König Abdul Aziz mit der Bitte, Rafeek zu begnadigen. Für dieses Ziel setzen sich auch internationale Menschenrechtsorganisation ein.

Nach Angaben der Asiatischen Menschenrechtskommission AHRC gehört Saudi-Arabien trotz rückläufiger Hinrichtungszahlen immer noch zu den Staaten, in denen die meisten Menschen hingerichtet werden. 2009 wurden in dem Land mindestens 67 Todesurteile vollstreckt. 2008 waren es 102 und im Jahr davor 158 gewesen. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.unfpa.org/public/
http://www.humanrights.asia/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105828

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 16. November 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. November 2011