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FRAUEN/369: Argentinien - Frauenhändler vor Gericht, Aktivistin erhofft Auskünfte über entführte Tochter (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. Februar 2012

Argentinien: Frauenhändler vor Gericht - Prominente Aktivistin hofft auf Auskünfte über ihre entführte Tochter

von Marcela Valente

Susana Trimarco mit Poster ihrer verschwundenen Tochter Marita Verón - Bild: © Mit der freundlichen Genehmigung von 'Metrodelito'

Susana Trimarco mit Poster ihrer ver-
schwundenen Tochter Marita Verón
Bild: © Mit der freundlichen Genehmigung
von 'Metrodelito'
Buenos Aires, 17. Februar - In Argentinien ist die Justiz mit einem spektakulären Fall von Frauenhandel befasst. Klägerin ist Susana Trimarco, die seit zehn Jahren nach ihrer entführten Tochter sucht. Sie erhofft sich nun neue Informationen über den Verbleib von María de los Ángeles 'Marita' Verón, die vor zehn Jahren im Alter von 23 Jahren verschwand.

Auf der Anklagebank sitzen sieben Männer und sechs Frauen, die in Bordellen Kontakt zu der jungen Frau gehabt haben sollen. Sie müssen sich wegen Freiheitsentzug und Förderung der Prostitution verantworten. Belastet wurden sie von Zwangsprostituierten, die aus der Gefangenschaft befreit werden konnten.

"Ich wünsche mir nur, Marita zu finden. Denn mit ihrem Verschwinden begann mein Leid", berichtete sie am 15. Februar den Ermittlungsrichtern. Trimarco, die von ihrer 13-jährigen Enkelin begleitet wurde, konnte bisher in Erfahrung bringen, dass ihre Tochter an ein Bordell in der nordwestlichen Provinz La Rioja verkauft wurde, wo sie 2003 mit der Suche begann.

Trimarco gab sich in den darauf folgenden Jahren als Ex-Prostituierte aus, die für ein eigenes Etablissement junge Frauen suchte. Sie sprach in Bordellen in La Rioja und anderen Provinzen im Nordwesten vor, konnte ihre Tochter aber nirgendwo ausfindig machen. In Argentinien ist Prostitution legal, organisierte Prostitution - der Betrieb von Bordellen, Frauenhandel und Zuhälterei - hingegen verboten.

Mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann Daniel Verón trug Trimarco zur Befreiung von 129 Argentinierinnen und Ausländerinnen bei, die gegen ihren Willen, ohne Papiere und weit weg von ihren Familien in die Prostitution gezwungen wurden. Einige von ihnen wollen Marita Verón gesehen haben. Angeblich stand sie unter Drogen und soll ein Kind mit einem Zuhälter haben. Sie wollen später gehört haben, dass sie sich in Spanien aufhält.

Für ihr Engagement gegen den Frauenhandel wurde Trimarco 2007 mit dem Preis 'Frau mit Mut' des US-amerikanischen Außenministeriums ausgezeichnet. Kurz darauf gründete sie die María-de-los-Ángeles-Verón-Stiftung zur Bekämpfung des Menschenhandels. Die Organisation leistet Präventionsarbeit in Schulen und Gemeindezentren und Opferarbeit. Trimarco war zudem eine treibende Kraft hinter dem Gesetz von 2008 gegen den Menschenhandel und einem nationalen Programm zur Vorbeugung und Ausrottung des Menschenhandels.

Das Justizministerium hat ein Büro zur Befreiung und Betreuung von Opfern des Menschenhandels eingerichtet, das seit 2008 3.000 Betroffenen aus den Klauen der Menschenhändler befreien konnte.


Zwangsrekrutierung in armen Nordprovinzen

Auch die Staatsanwaltschaft schuf eine Sondereinheit. Diese fand heraus, dass die Menschenhändler ihre Opfer vor allem in den armen Provinzen im Norden rekrutieren. Aus einer von ihr erstellten Studie geht hervor, dass in 93 Rechtsfällen, die sich mit dem Menschenhandel in sechs Nordprovinzen befassten, Frauen zu 77 Prozent die Opfer waren. In 60 Fällen wurden die Betroffenen sexuell ausgebeutet, und 70 Prozent der Frauen waren mit der Aussicht auf einen Job in die Falle gelockt worden.

"Diese Zahlen verdeutlichen, dass für Frauen in den Nordregionen Gefahr besonders groß ist, dass sie in die Fänge von Menschenhändler geraten", heißt es in der Studie. Darüber hinaus bestätigte die Untersuchung den Vorwurf, dass in einigen Fällen Polizisten an dem Geschäft beteiligt waren.

Der Fall Verón zeigt auch, dass Opfer des Menschenhandels selbst zu Tätern werden können. So berichtete Daniela Milhein, eine der Angeklagten, dass sie seit dem 16. Lebensjahr zur Prostitution gezwungen worden sei. "Sechs Jahre musste ich für ihn arbeiten, ohne nur einen Cent zu verdienen. Er nahm sich alles", sagte sie über ihren Zuhälter Ruben Ale, mit dem sie eine Tochter hat. (Ende/IPS/kb/2012)


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http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=100162

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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Februar 2012