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FRAUEN/405: Nepal - Prostitution programmiert, keine Hilfe für Frauen der Badi-Kaste (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. Mai 2012

Nepal: Prostitution programmiert - Keine Hilfe für Frauen der Badi-Kaste

von Naresh Newar

Badi-Sexarbeiterinnen hoffen auf ihre Rehabilitierung - Bild: © Naresh Newar/IPS

Badi-Sexarbeiterinnen hoffen auf ihre Rehabilitierung
Bild: © Naresh Newar/IPS

Muda, Nepal, 23. Mai (IPS) - Um die gesellschaftliche Rehabilitierung von Prostituierten im ehemaligen Himalaja-Königreich Nepal zu unterstützen, fordern Sozialaktivisten eine Aufwertung der Badi-Kaste. Die Badi werden seit Jahrhunderten mit käuflicher Liebe in Verbindung gebracht.

Sabitri Nepali wurde in den traditionellen Beruf der Badi eingeführt, als sie noch nicht einmal 14 Jahre alt war. Inzwischen staunt sie über die Veränderungen, die in dem kleinen Land beim Übergang vom Feudalstaat zur Demokratie vor sich gehen.

"Meine Familie hat jahrhundertelang in diesem Gewerbe überlebt", sagt die 30-Jährige, die in einem entlegenen Dorf im Distrikt Kailali 700 Kilometer westlich der Hauptstadt Katmandu zu Hause ist. "Meine Mutter war Sexarbeiterin, und ich bin es auch. Das ist für uns normal."

Im Westen des südasiatischen Landes leben Schätzungen zufolge etwa 50.000 Angehörige der Badi. Arbeit finden sie aber zumeist nur in Katmandu und anderen nepalesischen Städten sowie in Mumbai und Neu-Delhi im Nachbarstaat Indien.

Vor vier Jahren verbot die Regierung den Badi, ihrer traditionellen Beschäftigung nachzugehen. Vorangegangen waren Proteste von Dorfgemeinschaften, die die Entstehung von Rotlichtbezirken befürchteten. Da die Behörden jedoch keine Anstalten machten, für eine Einhaltung des Verbots zu sorgen, bildeten die Bewohner der Gemeinden Bürgerwehren, die oft mit Gewalt gegen die Prostituierten vorgingen.

"Wir haben das Verbot ignoriert und unsere Arbeit fortgesetzt. Wie hätten wir sonst überleben können? Denkt auch an unsere Kinder!", sagt die 35-jährige Kalpana Badi, die wie viele andere einen Nachnamen angenommen hat, der deutlich auf ihre Kastenzugehörigkeit und ihren Beruf hinweist. 'Badi' lehnt an das Sanskrit-Wort 'vadyabadak' an und bezeichnet eine Person, die ein Musikinstrument spielt.


Sozialer Aufstieg verwehrt

Das südasiatische Kastensystem hat vor langer Zeit festgelegt, welche Tätigkeit die Menschen ausüben dürfen. Die Badi gehörten zu einer Gruppe, die den Aufstieg auf der sozialen Leiter nicht schafften. "Wir hätten die Prostitution gerne aufgegeben, doch die Regierung hat ihr Versprechen, uns dabei zu helfen, nicht eingehalten.", kritisiert Bishal Nepali, der mit einer Sexarbeiterin verheiratet ist.

Die Behörden hatten ein Hilfspaket für die Badi angekündigt, das die Bereitstellung von Wohnraum, Jobs und Schülerstipendien vorsah. Die Maßnahmen wurden aber nicht umgesetzt. "Das war sehr frustrierend", klagt die Aktivistin Uma Badi, die als eine der wenigen Vertreterinnen ihrer Kaste eine Universität besucht hat. "Wir wissen nicht, warum sich die Regierung so gleichgültig gezeigt hat. Die Badi sind in einer verzweifelten Lage."

Wie sie weiter berichtet, sind die meisten Badi ungebildet und besitzen weder Vieh noch Ackerland. Erst ein Urteil des Obersten Gerichts 2005 sprach den Angehörigen der Kaste ein Anrecht auf die ihnen bis dahin verwehrte nepalesische Staatsbürgerschaft zu. Die Richter verpflichteten die Behörden außerdem dazu, die finanziellen Unterstützungen auszuweiten.

Laut einer 1992 veröffentlichten Studie des Anthropologen Thomas Cox, der damals an der Tribhuvan-Universität in Katmandu tätig war, finden sich Badi-Mädchen seit frühester Kindheit damit ab, dass sie später Prostituierte werden. Sie heiraten nicht und bringen Kinder von ihren Kunden zur Welt.

Wie Cox hervorhob, sind die oberen Kasten in Nepal keine Hilfe, wenn es darum geht, die Situation der Badi zu verbessern. Badi-Kinder, die höhere Schulen besuchten, würden häufig von sozial besser gestellten Mitschülern schikaniert.


Von Bürgerwehr bedroht

Zwei Jahrzehnte nach Veröffentlichung der Studie dürfen Badi und Mitglieder der Kaste der 'Unberührbaren' (Dalit) noch immer kein Wasser aus Dorfbrunnen pumpen. In mancher Hinsicht hat sich ihre Lage sogar noch verschlechtert. Im Dorf Muda sind viele junge Badi-Frauen aus Angst vor Übergriffen der Bürgerwehr 'Muda Anugaman Toli Samiti' geflohen.

Alternative Einkommensmöglichkeiten sind rar. Dinesh Nepali versucht sich verzweifelt mit dem Verkauf von Zigaretten, Gemüse und Erfrischungsgetränken über Wasser zu halten. "Die Leute kaufen nicht bei mir, weil sie Angst vor den anderen Dorfbewohnern haben", sagt der Händler. "Wie können wir so überleben?"

Die Badi-Aktivisten sind sich darüber im Klaren, dass sie zu den Zielgruppen der UN-Millenniumsentwicklungsziele zur Armutsbekämpfung gehören, die unter anderem die Stärkung der Frauenrechte und Bildung für alle vorsehen. Um diese Ziele zu erreichen, sind allerdings besondere Anstrengungen notwendig.

"Einige Nichtregierungsorganisationen und Geber haben die Aufwertung der Rechte von Badi-Frauen unterstützt. Das allein schafft aber noch keine Nachhaltigkeit", sagt Uma. "Nur die Unterstützung durch die Regierung kann nachhaltige Verbesserungen bringen."

Manche hatten gehofft, dass der Übergang von der Monarchie zur Republik nach dem Ende des Bürgerkriegs (1996-2006) die Lebensbedingungen der Badi verbessern könnte. Doch das Land ist nach wie vor politisch instabil.

Uma hat in den letzten Jahren mit drei verschiedenen Ministern gesprochen. "Sie sagen uns immer ihre Unterstützung zu, vergessen ihre Versprechen jedoch, sobald wir uns wieder auf den Heimweg in unsere Dörfer machen."

2007 hatten Badi-Aktivisten damit gedroht, nackt durch Katmandu zu marschieren, um die Regierung dazu zu zwingen, die gerichtlich angeordnete gesellschaftliche Rehabilitierung in die Wege zu leiten. Doch auch in diesem Fall wurden sie hingehalten. (Ende/IPS/ck/2012)


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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Mai 2012