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FRAUEN/406: China - Bescheidener Wohlstand, "UN Women" unterstützt Landfrauen mit Mikrokrediten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. Juni 2012

China: Bescheidener Wohlstand - "UN Women" unterstützt Landfrauen mit Mikrokrediten

von Clarissa Sebag-Montefiore



Peking, 4. Juni (IPS) - Gou Suqin aus dem zentralchinesischen Verwaltungsbezirk Fengxian ist stolz auf ihre kleine Landwirtschaft, die sie sich mit einem Mikrokredit von umgerechnet 1.500 US-Dollar von 'UN Women' aufgebaut hat. Früher bestand das Familieneinkommen aus dem geringen Lohn, den ihr Mann als Wanderarbeiter aus der Stadt nach Hause brachte. Heute verdient die 50-Jährige mit der erfolgreichen Zucht von Moschushirschen 60.000 RMB (9.000 US-Dollar) sechs Mal mehr.

Wie Gou Suqin haben sich viele Landfrauen in der Provinz Shaanxi mit Hilfe der für Gendergleichheit und Stärkung der Frauenrolle zuständigen UN-Organisation in den vergangenen Jahren aus der finanziellen Abhängigkeit männlicher Familienmitglieder lösen und ihren Status verbessern können. In Chinas entlegenen ländlichen Regionen, in denen Männer immer noch weithin das Sagen haben, ist die Diskriminierung von Frauen an der Tagesordnung.

In Zusammenarbeit mit dem Frauenverband von Shaanxi und der 'All-China Women's Federation' (ACWF) startete UN Women das 150.000 Dollar umfassende Mikrokreditprojekt für Landfrauen, das im September ausläuft. Hintergrund waren die verheerenden Folgen des Erdbebens in Sichuan im Südosten Chinas von 2008. Die Katastrophe hatte etwa 68.000 Menschen das Leben gekostet und die wirtschaftliche Existenz von Millionen Menschen vernichtet.

Im Bezirk Fengxian haben 51 Frauen die finanzielle Starthilfe von 5.000 bis 10.000 RMB erfolgreich genutzt. Bislang haben alle den Kredit fristgerecht nach einem halben Jahr zurückgezahlt. Sie bauten kleine Garküchen und Schweinezuchten auf und kultivieren im eigenen Garten Heilpflanzen.

Ergänzt wurde das Projekt durch 53 Kurse über die Anwendung ökologischer und effizienter Anbaumethoden, an denen mehr als 2.000 Frauen teilnahmen. In China sind 60 bis 70 Prozent der in der Landwirtschaft Beschäftigen Frauen, Tendenz steigend, da immer mehr Männer als Wanderarbeiter in den Städten nach Jobs suchen. Dennoch müssen sich die Landfrauen mit einem zweitrangigen gesellschaftlichen Status begnügen. Nach Angaben des dritten Berichts, den die ACWF veröffentlicht hat, wird nur 20 Prozent von ihnen die Rolle des Familienoberhauptes zugestanden.

Anders im Bezirk Fengxian. Dort machen Frauen wie Guo Suqin ihr eigenes Ding. Die Chinesin begann 2004 mit der Zucht von Moschushirschen und kaufte vier Rehkitze. Als die Tiere trächtig wurden, fehlte ihr jedoch das Geld für weitere Unterstände. Dank des Mikrokredits konnte die 50-jährige Landfrau ihre Zuchtfarm auf 14 Moschusrinder und 20 Gehege erweitern.

"Als wir noch mit den 10.000 RMB auskommen mussten, die mein Mann jährlich verdiente, war die Familie finanziell belastet, denn ich war nur Hausfrau", berichtete sie IPS. "Jetzt betreibe ich die Farm von zuhause aus, verdiene gutes Geld und mein Mann respektiert mich."


Finanzielle Unabgängigkeit verbessert den sozialen Status der Landfrauen

Nach Ansicht von Xue Jinting, Präsidentin des in Baoji im Distrikt Fengxian ansässigen Frauenverbands der Provinz Shaanxi, hat das Mikrokredit-Projekt das Ansehen der daran beteiligten Frauen nicht nur in der eigenen Familie, sondern in der gesamten Gemeinde verbessert.

"Als der Lohn der Wanderarbeiter noch das einzige Familieneinkommen war, mussten davon alle Ausgaben bestritten werden, Agrarpflanzen, Lebenshaltungskosten und das Schulgeld für die Kinder", betonte sie. "Inzwischen können Landfrauen ein eigenes Geschäft aufbauen und selbst Einkommen erwerben, ohne ihre häuslichen Pflichten zu vernachlässigen. Die Aufzucht von Tieren und Pflanzen lässt sich gut mit Hausarbeit vereinbaren."

Auch Julie Broussard, Programmmanagerin des China-Büros von UN Women, ist überzeugt: "Wenn Männer sehen, dass Geld ins Haus kommt, sind sie eher bereit, den Frauen mehr Rechte in der Familie einzuräumen. Auch in der Gemeinde erhalten diese Frauen ein Mitspracherecht, denn ihre wirtschaftliche Unabhabhängigkeit verhilft ihnen zu höherem Ansehen. Alle haben etwas davon, die Familie, die Gemeinde und die Frauen."

Diese Erfahrung machte auch die 32-jährige Tang Yigui. Ihr erster Versuch, mit geliehenem Geld eine Schweinefarm aufzubauen, brachte sie wegen der hohen Zinsen nicht weit. Inzwischen hat sie mit Hilfe eines Mikrokredits einen 100 Meter langen Schweinepferch gebaut und züchtet Zuchtsauen.

"Bislang scheinen diese Projekte keine Nachteile zu bringen", sagte sie IPS. "Hoffentlich gibt es für uns in Zukunft noch mehr davon, denn die Mikrokredite verhelfen uns Landfrauen, unsere soziale Stellung zu verbessern." (Ende/IPS/mp/2012)


Links:
http://www.unwomen.org/
www.women.org.cn/english/index.htm
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107958

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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2012