Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → SOZIALES

FRAUEN/468: Kommentar von José Graziano da Silva zum Weltfrauentag (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. März 2013

Frauen: Die Hüterinnen des Lebens und der Erde

ein Kommentar von José Graziano da Silva zum Weltfrauentag


Bild: © Mit freundlicher Genehmigung der FAO

José Graziano da Silva
Bild: © Mit freundlicher Genehmigung der FAO

Frauen stellen in den Entwicklungsländern 43 Prozent der landwirtschaftlichen Arbeitskraft und kämpfen jeden Tag gegen den Hunger an. Sie in ihren Rechten und Möglichkeiten zu stärken, sollte nach Ansicht des Generaldirektors der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO, José Graziano da Silva, von den Regierungen und Gebern als eine der wichtigsten Strategien anerkannt und umgesetzt werden. Hier der Kommentar des FAO-Chefs zum Anlass des Weltfrauentags.

Rom, 8. März (IPS) - Weltweit und besonders in den ärmsten Teilen der Erde sind Frauen eine lebendige Kraft, die sich jeden Tag selbst regeneriert - trotz der größten Widrigkeiten.

Bäuerinnen beispielsweise stellen 43 Prozent der ländlichen Arbeitskraft in Entwicklungsländern. Der Kampf gegen den Hunger ist Teil ihres Alltags. Sie sind die Unsichtbaren im schlimmsten Krieg unserer Zeit, der paradoxerweise am leichtesten zu gewinnen wäre: der Krieg gegen den Hunger. Er trifft jeden achten Erdenbewohner beziehungsweise 870 Millionen Menschen.

In Millionen Haushalten weltweit sind es oftmals die Frauen, die die täglichen Entscheidungen treffen, damit Nahrungsmittel auf den ansonsten leeren Tisch kommen. Es liegt in der Verantwortung der Regierungen und internationalen Partneragenturen, Frauen zu befähigen, ihrer führenden Rolle in diesem Bereich gerecht werden zu können. Das bedeutet, dass Frauen mit den Rechten, Möglichkeiten, Mitteln und Ressourcen ausgestattet werden müssen, die sie benötigen, um ihrer Rolle nachkommen zu können.


Weichenstellerinnen

Frauen spielen bereits in den ersten 1.000 Tagen - vom Beginn der Schwangerschaft bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres eines Kindes - eine zentrale Rolle, was die Gewährleistung einer gesunden Ernährung betrifft, die für die Entwicklung eines jeden Menschen entscheidend ist.

Frauen können einen Wandel sowohl zum Guten als zum Schlechten herbeiführen. Jedes Jahr sterben bis zu 2,5 Millionen Kinder. Um ihre Familien satt zu bekommen, brauchen Frauen mehr als ihre mütterlichen Instinkte. Sie müssen darin unterstützt werden, ihre Energie und Lebenserfahrung gewinnbringend für Anbau und Ernte von Nahrungsmitteln einbringen zu können.

Das gilt in besonderem Maße für Afrika, wo die Entscheidungsschlachten des 21. Jahrhunderts gegen den Hunger ausgefochten werden. Etwa 239 Millionen Menschen dort hungern, das entspricht 23 Prozent der Bevölkerung des Kontinents.

In den ländlichen Regionen, in denen 60 Prozent aller Afrikaner leben, lassen sich Merkmale des Anti-Hunger-Kampfes und der Bedeutung von Frauen besonders deutlich erkennen. Jede vierte Frau, die im ländlichen Afrika lebt, versorgt die Familie. Im Südlichen Afrika liegt der Anteil sogar bei 45 Prozent.

Kriege und ethnische Konflikte, Migration und Umweltprobleme haben dazu geführt, dass Frauen in den letzten Jahren auf dem ländlichen Arbeitsmarkt in absoluter und relativer Hinsicht an Bedeutung gewinnen. Ihre Teilnahme an den Agrarmärkten Nordafrikas ist seit 1980 von 30 auf 43 Prozent gestiegen. In Ländern wie Lesotho sind sie in der Mehrheit. Dort sind mehr als 65 Prozent aller ländlichen Arbeitskräfte weiblich.


Mehrfachbelastung durch neue Rollen

Doch die Frauen sehen sich dadurch mit einem Mehr von Aufgaben konfrontiert. Die Zweifach- und manchmal Dreifachbelastung von Feld-, Haus- und Gemeindearbeit wird nicht immer anerkannt oder gar von den Männern mitgetragen. Dadurch wird die Stärkung der Rechte und Rolle von Frauen oftmals erschwert.

Paradoxerweise sind es überall auf der Welt die Frauen, die am meisten unter Restriktionen beim Zugang zu Land oder Landtiteln zu leiden haben. Dadurch wiederum wird ihr Zugang zu Land und landwirtschaftlichen Inputs erschwert, die sie aber brauchen, damit ihre unermüdlichen Anstrengungen zum Wohl ihrer Gemeinschaften beitragen.

Frauen in ihren Rechten und Möglichkeiten zu stärken, um die Kluft zwischen den Geschlechtern in den besonders fragilen Agrarsystemen der Welt zu schließen, ist eine der wohl wichtigsten Strategien, die Regierungen und Gebern überhaupt zur Verfügung stehen.

Die Staaten auf die Schlüsselrolle aufmerksam zu machen, die Frauen für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung ihrer Länder spielen können, und einen politischen Konsens zu erreichen, durch den sie die Instrumente und Rechte erlangen, die sie brauchen, um ihre Rolle der Ernährerinnen ausfüllen zu können, sind entscheidende Maßnahmen zur Bekämpfung des Hungers.

Als Mütter, Schwestern, Töchter, Ehefrauen und oftmals alleinige Haushaltsvorstände kämpfen Frauen vielfach an vorderster Front für soziale Gerechtigkeit. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.fao.org/index_en.htm
http://www.ipsnews.net/2013/03/guardians-of-life-and-of-the-earth/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 8. März 2013
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. März 2013