Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → SOZIALES

FRAUEN/484: Kuba - Aktiv altern, Seniorinnen wollen inklusiven Lebensabend (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. April 2013

Kuba: Aktiv altern - Seniorinnen wollen inklusiven Lebensabend

von Ivet González


Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Fast 18 Prozent aller Kubaner sind über 60 und mehrheitlich Frauen
Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Havanna, 29. April (IPS) - Die kubanische Kinderärztin Grisel Navarro hat das Rentenalter seit zwei Jahren überschritten. Doch mit dem Arbeiten aufhören will sie nicht. "Ich möchte raus und nicht für die Familie ständig verfügbar sein", meint die 62-Jährige, die vor fünf Monaten einen Zeitvertrag mit dem Ángel-Arturo-Aballí-Krankenhaus in Havanna unterschrieben hat. "Ich werde tun, was mir Freude macht", sagt sie.

Das Rentenalter für Frauen in dem karibischen Inselstaat wurde 2008 von 55 auf 60 Jahre hoch gesetzt, das für Männer von 60 auf 65.

Kubanische Frauen, die heute ins Rentenalter kommen, hatten von Kindesbeinen an Zugang zu Bildung und Arbeit. Sie profitierten von der 'Revolution in der Revolution' von 1959, wie die Emanzipation der Frau auf Kuba bezeichnet wird, die unter anderem zu einer größeren Partizipation der Frau am gesellschaftlich-politischen Leben und zu einer Angleichung der Gehälter von Mann und Frau geführt hatte.

Dennoch wollen Kubas Frauenrechtlerinnen noch mehr erreichen. Sie kämpfen nach eigenen Angaben dafür, dass die besonderen Bedürfnisse von Frauen und Mädchen im machistisch geprägten 11,2 Millionen Einwohner zählenden Land stärker berücksichtigt werden.

Seniorinnen wie Navarro wollen das Beste aus ihrem Lebensabend machen. Doch die Realität könnte die Umsetzung ihres Traums gefährden. Denn die Mittel, die ihnen zur Verfügung stehen, sind nicht gerade üppig. Kubanische Frauen, die nie außerhalb ihres Haushalts gearbeitet haben, sind finanziell nicht abgesichert. Und Geringverdienerinnen erhalten eine Mindestrente.


Altern mit Hindernissen

Dass Frauen häufig länger leben als Männer, bedeutet nicht automatisch, dass sie ihren Lebensabend gesund zubringen. Einer Untersuchung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 2010 in 31 lateinamerikanischen und karibischen Ländern fand heraus, dass Frauen im Laufe ihres Lebens durchschnittlich zehn Jahre lang und Männer acht Jahr lang in keiner guten gesundheitlichen Verfassung sind. Diese Problematik wird sich in nächster Zeit verschärfen, was wiederum die Familien, Versorgungs-, Sozial- und Gesundheitssysteme empfindlich unter Druck setzen wird.

Die Lebenserwartung der Kubanerinnen liegt bei durchschnittlich 80,7 Jahren. Die Männer auf der Karibikinsel werden im Durchschnitt 76,6 Jahre alt. Dass der Zeitraum zwischen Verrentung und Tod immer größer wird, ist die Folge der sozialen und gesundheitlichen Fortschritte im Lande. Doch stellt die Entwicklung gerade die Volkswirtschaften armer Länder wie Kuba auf eine harte Probe.

Die Feminisierung des Alters, die auf der ganzen Welt zu beobachten ist, macht nach Ansicht der Demografin Sonia Catasus besondere staatliche Vorkehrungen erforderlich. Einer Untersuchung der UN- Wirtschaftskommission für Lateinamerika und der Karibik zufolge, die auf Zahlen von 2010 basiert, stellen über 60-jährige Frauen bereits 10,7 Prozent der weiblichen Bevölkerung in der Region. Bei den Männern liegt der Anteil bei neun Prozent.


Land mit einem der höchsten Anteile älterer Menschen

Aus dem Bericht 'Altern im 21. Jahrhundert: Erfolg und Herausforderung', den der UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA) 2012 veröffentlicht hat, geht hervor, dass bis 2050 ein Viertel aller Lateinamerikaner über 60 Jahre alt sein dürften. Dann wird Kuba zu den elf Ländern mit dem höchsten Prozentsatz an alten Menschen aufgeschossen sein: 38 Prozent der Kubaner wären dann älter als 60 Jahre.

Obwohl die wirtschaftliche Versorgung und die Gesundheitsleistungen entscheidend sind für gute Lebensbedingungen, sind Senioren wie die 67- jährige Caridad überzeugt, dass es am wichtigsten für die Betroffenen ist, rauszukommen und nicht nur daheim zu versauern. "Wenn wir das Haus verlassen, machen wir uns zurecht und sprechen mit anderen Menschen", so die ehemalige Lehrerin, die der Gruppe 'Tula' angehört, die sich aus passionierten Patchwork-Näherinnen zusammensetzt.

"Sozial aktiv zu sein und fit zu bleiben ist kein großes Kunststück", meint die Rentnerin, die Ende März am sogenannten Dritten Mediationstreffen teilgenommen hatte, einer Initiative in Havanna, die mehr als 1.000 Menschen und insbesondere Senioren zusammenbrachte.

Dieses Projekt ist eine von vielen zivilen und staatlichen Initiativen, die als Unterstützung der zunehmenden Zahl von älteren Bürgern gedacht sind. In Kuba gibt es mehr als 500 Unterrichtsräume für Senioren, die über wissenschaftliche Fortschritte informieren, und die sogenannten Großelternkreise, in denen sich ältere Menschen sportlich betätigen, um fit zu bleiben. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.unfpa.org/webdav/site/global/shared/documents/publications/2012/UNFPA-Exec-Summary_German-LOWRES.pdf
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102763

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 29. April 2013
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2013