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FRAUEN/522: UN - Geschlechtergerechtigkeit vorleben, nicht nur predigen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. November 2013

UN: Geschlechtergerechtigkeit vorleben, nicht nur predigen

von Thalif Deen


Bild: © UN/Pasqual Gorriz

Malaysische Friedenssoldatinnen der UN-Interimskräfte im Libanon bei einer Auszeichnung in südlibanesischen Kawkaba im Januar 2012
Bild: © UN/Pasqual Gorriz

New York, 7. November (IPS) - Auf die ausufernde sexuelle Gewalt in den weltweiten Konfliktregionen haben die Vereinten Nationen mit der Berufung von Frauen in hohe Friedens- und Sicherheitspositionen und der Einsetzung von Frauenschutzberatern in Krisengebieten reagiert. So werden inzwischen die UN-Friedensmissionen in Liberia, dem Südsudan, in Zypern, Côte d'Ivoire und auf Haiti von Frauen geführt. Doch Aktivistinnen und Nichtregierungsorganisationen gehen die Maßnahmen nicht weit genug.

Nach Ansicht von Mavic Cabrera-Balleza, der internationalen Koordinatorin des 'Global Network of Women Peacebuilders' (GNWP) in New York, müssen Frauen in der gesamten UN-Sicherheitsarchitektur vertreten sein. Wichtig sei ihre Präsenz gerade in der mittleren UN-Ebene, die in Kontakt mit der Lokalbevölkerung und den eigentlichen Leidtragenden von Kriegen trete. Was die Frauenschutzberater angehe, sei es wichtig zu wissen, an welcher Stelle sie in der Rangordnung der Friedensmissionen stünden. "Schließlich sind sie es, die sicherstellen sollen, dass die Frauenperspektive in die Friedensmissionen integriert wird."

Häufig rangierten die Frauenschutzberater innerhalb der Friedensmissionen an unterer Stelle, kritisierte Cabrera-Balleza vom GNWP, in dem sich Frauen- und zivilgesellschaftliche Organisationen Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und Europas zusammengeschlossen haben.

Im vergangenen Monat hatte UN-Chef Ban erklärt, dass der Anteil von Frauen in hochrangigen UN-Stellen nie höher gewesen sei. Und zum ersten Mal werde ein Drittel der UN-Friedensmissionen - fünf von 15 - von Frauen geführt: von Hilde Johnson im Südsduan, Karin Landgren in Liberia, Lisa Buttenheim auf Zypern, Aïchatou Mindaoudou in Côte d'Ivoire und Sandra Honoré auf Haiti. Ban hat ferner die ehemalige irische Staatspräsidentin Mary Robinson zur Sondergesandten für die Region der Großen Seen in Afrika und damit zum ersten weiblichen Chefvermittler ernannt.

Dazu meinte Cora Weiss vom Internationalen Friedensbüro, dass die Worte des UN-Chefs zwar nett und willkommen seien, "wir uns aber wüschen würden, dass sie aus dem Herzen kämen". Als sich die zivilgesellschaftlich aktiven Frauen an den Entwurf der bahnbrechenden Resolution 1325 über Frieden und Sicherheit des UN-Sicherheitsrats gemacht hätten, "hatten wir uns eine Welt ohne Kriege erhofft", sagte sie.


Eine Frau als Friedensvermittler

"Obwohl die Weltbevölkerung mindestens zur Hälfte aus Frauen besteht, ist Mary Robinson die einzige Frau, die in einem Friedensprozess als Vermittlerin auftritt", sagte Weiss. "Und wir schreiben das Jahr 2013. Wir brauchen mehr Frauen in Entscheidungs- und Friedenfindungspositionen, die fried- und gerechtigkeitsliebend sein müssen. Die Tage, Gewalt zu einer Option zu machen, müssen endlich vorüber gehen", so die Frauenaktivistin.

Zainab Hawa Banguda, Sondervertreterin des Generalsekretärs über sexuelle Gewalt in bewaffneten Konflikten, hatte im Juni vor dem UN-Sicherheitsrat erklärt, dass sie bei ihrem Bosnienbesuch Anfang des Jahres feststellen musste, dass nur wenige Verfahren zur Ahndung der 50.000 Vergewaltigungen, die im bosnischen Bürgerkrieg begangen worden waren, strafrechtlich verfolgt worden seien. Die Opfer dieser Verbrechen lebten ein Leben in Schatten und Scham, ohne mit der Vergangenheit abschließen zu können.

Nach einem Besuch des Kriegsgebiets in der Demokratischen Republik Kongo (DRC) Anfang des Jahres war Ban mit Frauen und Mädchen zusammengekommen, die von Vertretern aller Konfliktparteien vergewaltigt worden waren. Viele leiden unter traumatischen Fisteln, wie Ban berichtete. Dies bedeutet, dass ihr Vaginalgewebe überdehnt wurde oder gerissen ist, was zu Inkontinenz und sozialer Ächtung führt.

Die internationale Gemeinschaft hat mit den UN-Sicherheitsratsresolutionen 1820 (2008), 1888 (2009) und 1960 (2010) solide Rahmenbedingungen geschaffen, um auf sexuelle Gewalt in Konflikten zu reagieren. Sie ermöglichen ein globales Handeln über die UN-Sondervertreter in Zusammenarbeit mit einem UN-Aktionsnetzwerk gegen sexuelle Gewalt, das aus 13 UN-Organisationen besteht.

Im Oktober verabschiedete der UN-Generalsekretär die Resolution 2122, die ebenfalls die Teilnahme von Frauen in allen Konfliktpräventionsbereichen stärken soll. "Dennoch halten wir als Vertreterinnen der Zivilgesellschaft an unserem Aufruf gegenüber den Vereinten Nationen fest: Praktiziere selbst, was du predigst. Geh als gutes Beispiel voran", betonte Cabrera-Balleza gegenüber IPS.


Erfahrene Expertinnen gefragt

"Auch fordern wir, dass mehr Frauen mit einem zivilgesellschaftlichen Hintergrund, die Jahrzehnte lange Erfahrungen in der Friedens- und Sicherheitspolitik vorweisen können, Schlüsselpositionen in den Friedensoperationen erhalten", fügte die PNGW-Koordinatorin hinzu. "Die Vergangenheit hat uns gelehrt, dass bürokratisches Wissen nicht unbedingt zu einer Verbesserung der Friedensmissionen beiträgt."

Wie sie ferner betonte, zeige die Durchsicht der Liste mit den an Friedensmissionen beteiligten Personen, dass es nur drei weibliche Vizesonderbeauftragte des UN-Generalsekretärs gebe: für das UN-Büro in Burundi (BNUB), das Integrierte Friedensbüro in der Zentralafrikanischen Republik (BINUCA) und für die UN-Mission im Irak (UNAMI).

"Werden diese drei Frauen jemals Friedensoperationen leiten?", fragte Cabrera-Balleza. "Uns fehlt es nicht an qualifizierten Frauen, uns fehlt es an dem politischen Willen, Frauen in Schlüsselpositionen zu bringen." (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.gnwp.org/
www.ipb.org
http://www.ipsnews.net/2013/11/u-n-urged-to-practice-what-it-preaches-on-gender/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 7. November 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. November 2013