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FRAUEN/561: Können fair gehandelte Körbe das Leben der Turkanafrauen verbessern? (Frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 127, 1/14

Können fair gehandelte Körbe, das Leben der Turkanafrauen verbessern?
Ein Lokalaugenschein aus dem Nordwesten Kenias

Von Anita Leutgeb



Im Jahr 2013 besuchte die Autorin die Turkanaregion. Im Vergleich der Lebens- und Arbeitssituation von Frauen der Turkana Women Handicraft und des Ewala Women Project beschreibt sie die Auswirkungen von Fair Trade für die Korbflechterinnen.

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Turkana ist heiß. Sehr heiß. Täglich Temperaturen zwischen 35 und 40 Grad und nachts nicht viel weniger. Da gedeiht nicht viel. Dementsprechend trostlos sind auch die sonst von Afrika bekannten bunten Märkte der Distrikthauptstadt Lodwar. Die wenigen Zwiebel, Krautköpfe und Bananen sind alles andere als frisch und laden nicht gerade zum Kauf ein. Die Hitze und der lange Transportweg haben die Qualität der Waren sehr beeinträchtigt.

Der Wohlstand der Turkana basiert auf dem Besitz von Tieren, nicht auf dem Handel. Der Großteil der Turkana sind Nomaden, mit ihren Herden immer auf der Suche nach Futter für ihre Tiere. Keine einfache Angelegenheit, denn in manchen Jahren bleibt der an sich schon spärliche Regen sogar ganz aus. Dann verenden viele Tiere und damit der Wohlstand und die Hauptnahrungsmittelquelle der Nomaden, die sich hauptsächlich von Fleisch, Milch und Blut ernähren.

Während die Männer auf der Suche nach Weideplätzen sind, bleiben die Frauen mit den Kindern in der Stadt oder in größeren Siedlungen. Die Männer sehen sie selten. Die Turkanafrauen müssen also selbst für den Unterhalt ihrer Familien sorgen. Die Frauen benötigen Geld, um Lebensmittel (v.a. Mais und Bohnen), Kleidung, Haushaltsgeräte, Feuerholz etc. kaufen und ihre Kinder in die Schule schicken zu können.

Fair Trade vs. unfair Trade

Ich habe mich in den hintersten Winkel von Kenia aufgemacht, um Korbflechterinnen zu treffen. Ich wollte herausfinden, ob sich Unterschiede in den Lebensbedingungen von Frauen, die für den fairen Handel Korbwaren produzieren und denen, die dies nicht tun, feststellen lassen. Außerdem ob es den einen besser als den anderen geht, ob sie mehr verdienen, mehr oder bessere Arbeitsbedingungen oder Zugang zu günstigen Krediten haben. Ich wollte im Distrikt Turkana, der einkommensmäßig ärmsten Region Kenias, von den Frauen erfahren, wie ihr Leben aussieht und welchen Beitrag die Korbflechterei leistet.

Körbe für die ganze Welt

Das Flechten von Körben zur Aufbewahrung aller möglichen Gegenstände ist in der Region weit verbreitet, vor allem dort. Die Frauen hacken mit der Machete Blätter von der Doumpalme ab, legen sie auf dem Sand zum Trocknen auf und transportierten sie schließlich in Bündeln auf dem Kopf nach Hause. Für den traditionellen Turkanakorb verwenden die Frauen die Farben braun, gelb und schwarz, die sie aus der Natur gewinnen. Ich besuche zwei Frauengruppen, die Körbe und andere Korbwaren produzieren: die Turkana Women Handicraft in Lodwar und das Ewala Women Project in Kalokol am Turkanasee. Letztere verkaufen ihre Waren hauptsächlich an eine Fair Trade Organisation in Nairobi, die von dort aus die Körbe in die ganze Welt exportiert.

Mit dem Begriff "Fair Trade" können die Frauen in Kalokol nicht viel anfangen. Sie empfinden es als unfair, dass sie manchmal erst nach sechs Monaten für ihre Körbe bezahlt werden. Wie sollen sie denn in der Zwischenzeit ihre Familie durchbringen? Wie für Essen, Kleidung, Schule und Gesundheit bezahlen? Es bleibe ihnen keine andere Möglichkeit als Geld auszuleihen bzw. ihren Einkauf anschreiben zu lassen. Bekommen sie dann ihr Geld, heißt es zuerst Schulden begleichen und wieder ohne Geld dazustehen.

Zu wenige Aufträge für eine nachhaltige Lebensverbesserung

Fair Trade bezahle gut, umgerechnet zwischen drei und sieben Euro pro Korb. Das ist zum Teil das Dreifache des lokal erhältlichen Preises. Doch die Aufträge seien rar, viel zu rar, um ihr Leben wirklich nachhaltig zu verändern, sagen die Frauen. Ihr Wunsch: Regelmäßige Aufträge und eine Bezahlung bar auf die Hand gleich nach Fertigstellung der Waren. Dann bräuchten sie nicht länger Schulden zu machen, sondern könnten sogar etwas Geld für Notfälle (ein dringend notwendiger Krankenhausbesuch, ein Begräbnis eines Verwandten oder das Schulgeld für die höhere Schule) auf die Seite legen. Wenn die Fair Trade Organisation in Nairobi ihnen wirklich helfen wolle, sagten die Frauen, dann sollte sie ihnen auch günstige Kredite verschaffen, die sie in kleinen Raten zurückzahlen würden. Dann würde sich ihr Leben verändern und verbessern lassen, sind die Frauen überzeugt.

Fair Trade in Nairobi macht die Konkurrenz von billigen Körben aus Asien für den Rückgang der Aufträge aus den westlichen Ländern verantwortlich: Die größte Herausforderung für uns ist der Preis, der die Turkanakörbe im Vergleich zu ähnlichen Körben aus Asien nicht konkurrenzfähig macht. Außerdem ist die fehlende Transportinfrastruktur ein großes Handelshemmnis.

Frauen der Vergleichsgruppe

Wie geht es im Vergleich dazu den Flechterinnen der Turkana Women Handicraft, die nicht an Fair Trade verkaufen? Sieht ihr Leben so anders aus als das der Frauen des Ewala Women Project? An materiellen Dingen besitzen sie offensichtlich auch nicht mehr als die Flechterinnen in Kalokol. Sie wohnen in denselben manyattas (das sind Hütten aus Weidenblättern, Stroh und Lehm), müssen ihr Wasser vom oft mehrere Kilometer entfernten Fluss holen, essen nur einmal am Tag ein Gericht aus Maisbrei und Bohnen oder Spinat und tragen zerschlissene Kleidung. Der große Unterschied zwischen den beiden Frauengruppen ist die Bezahlung der Flechterinnen. Die Frauen der Turkana Women Handicraft Gruppe bekommen sofort nach Ablieferung eines fertigen Korbes das Geld dafür bar auf die Hand. Die Aufträge sind regelmäßig und relativ stabil. Die Preise seien viel besser als auf dem lokalen Markt, sagen die Frauen, aber nur, wenn sie wirklich gute Qualität abliefern. Denn auf Qualität werde großer Wert gelegt. Und darauf sind die Frauen auch stolz. Sie hätten viel dazu gelernt, seit sie in der Gruppe arbeiteten, flechten neue Designs und verwenden mehrere Farben.

Bis 2007 belieferte Turkana Women Handicraft ebenfalls Fair Trade in Nairobi. 2008 wurden entscheidende Schritte gesetzt, Geschäfte in Nairobi und in Lodwar zu eröffnet. Man wollte die Frauen nicht länger auf die Bezahlung ihrer Körbe warten lassen, da bekannt war, wie schwierig der tägliche Überlebenskampf für die Frauen war. "Die Frauen müssen das Geld direkt auf die Hand bekommen. Sie sind es ja, die die Körbe herstellen. Wegen der steigenden Nachfrage konnten wir auch die Preise erhöhen", sagt Josephine Lobur, die Gruppenmanagerin. Die Frauen freuen sich, dass sie raschere und bessere Entlohnung. Je nach Fingerfertigkeit benötigen sie zwei bis drei Wochen für einen großen Korb mit ca. 40 bis 50 cm Durchmesser. Für kleinere Körbe brauchen die Frauen einen bis mehrere Tage.

Rahmenbedingungen für den fairen Handel

Trotz der in der Fallstudie nicht festgestellten Verbesserungen, wäre es sicher der falsche Schluss, den fairen Handel insgesamt als wirkungslos zu bezeichnen. Mein Beispiel betrifft nur ein Produkt. Korbwaren und Handwerksprodukte im Allgemeinen sind viel schwieriger abzusetzen als Kaffee oder Bananen. Wie oft wenn überhaupt kaufen wir einen neuen Weidenkorb? Der faire Handel ist natürlich von den Kund_innen abhängig. Das Produkt kann noch so gut sein: wenn die Käufer_innen fehlen, bleibt man darauf sitzen. Und so geht es auch den Frauen, die im Nordwesten Kenias Körbe für den Export produzieren. Die Abgeschiedenheit der Turkanaregion tut ihr übriges, um den Handel zu erschweren. Es braucht Straßen, Telekommunikation und kontinuierliche Abnehmer_innen, damit die Frauen am Turkanasee vom Fairen Handel nachhaltig profitieren können.



Turkana
Fläche: 68.680 km²
Bevölkerungsdichte: 6,9 E/km²
Geteerte Straßen: 319 km
Armut: 95% unter nationaler Armutsgrenze
Gesundheit: 1 Arzt pro 52.434 Einwohner
Kindersterblichkeit: 60/1000


Zur Autorin: Anita Leutgeb reiste im Zuge ihrer Masterarbeit an der Universität London von April bis Mai 2013 in die Turkanaregion in Kenia und erhob mit Hilfe diverser sozialwissenschaftlicher Methoden Daten zur Lebenssituation der Korbflechter_innen. Die gesamte Studie (auf Englisch) kann unter leutani@gmail.com angefordert werden.

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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 127, 1/2014, S. 36-37
Medieninhaberin und Herausgeberin:
Frauensolidarität im C3 - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen
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Telefon: 0043-(0)1/317 40 20-0, Telefax: 0043-(0)1/317 40 20-406
E-Mail: redaktion@frauensolidaritaet.org
Internet: http://www.frauensolidaritaet.org
 
Die Frauensolidarität erscheint viermal im Jahr.
Einzelpreis: 6,- Euro plus Porto
Jahresabo: Österreich 20,- Euro;
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Dezember 2014