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FRAUEN/600: Papua-Neuguinea - Witwen haben unsichere Zukunftsaussichten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. August 2015

Papua-Neuguinea: Witwen haben unsichere Zukunftsaussichten

von Catherine Wilson


Bild: © Catherine Wilson/IPS

Viele Frauen im Hochland von Papua-Neuguinea sind Witwen, weil ihre Ehemänner an HIV-Aids gestorben sind
Bild: © Catherine Wilson/IPS

Goroko, Papua-Neuguinea (IPS) - Vor gerade einmal sechs Monaten ist Ivetis Mann gestorben, doch schon jetzt kommt sie kaum noch finanziell über die Runden. Iveti war 19, als sie heiratete. 18 Jahre später ist sie mit ihren Kindern sowie der Mutter und der Schwester ihres verstorbenes Mannes auf sich selbst angewiesen, um die Familie durchzubringen.

Wie so viele andere Frauen in den ländlichen Bergregionen Papua-Neuguineas, einem pazifischen Inselstaat mit einer Bevölkerung von sieben Millionen Menschen, blieb sie zu Hause und passte auf ihre beiden Kinder auf, während ihr Mann das Familieneinkommen erwirtschaftete.

"Ich mache mir Sorgen, nicht genug Essen auf den Tisch bringen zu können, ich mache mir Sorgen über Rechnungen, die ich nicht bezahlen kann, und ich mache mir Sorgen um meine Kinder", erzählt Iveti. Sorgen bereiten ihr auch die Verwandten, die sie besuchen kommen, um mit ihr zu trauern. "Wir müssen ein Schwein töten, um ihnen etwas zu essen vorsetzen zu können. Aber woher soll ich das Geld dafür nehmen?"

Iveti sitzt in ihrem bescheidenen Heim am Rande der Kleinstadt Goroka in der Provinz Östliches Hochland. Um sie herum sitzen ihre Kinder, ihre Schwiegermutter und die Schwägerin.

"Immer war genug Essen zu Hause, um die Kinder durchzufüttern. Aber jetzt, wo mein Mann nicht mehr da ist, ist es schwierig geworden. An Tagen, an denen wir kein Essen haben, produziere ich Eisblöcke, die ich auf dem Markt verkaufe. Insgesamt bekomme ich dafür zwischen 20 und 30 Kina (sieben bis zehn US-Dollar). Jeden zweiten Tag müssen wir unseren Strom bezahlen, das kostet jedes Mal 20 Kina. Mit dem übrigen Geld kaufe ich Dosenfisch." Für das Schulessen ihrer Tochter muss Iveti außerdem regelmäßig 4 Kina bezahlen.

Frauen, die selbst zur Schule gegangen sind und die Sekundarstufe besucht haben, können nach dem Tod ihres Mannes in der Regel ganz gut für sich selbst sorgen. 80 Prozent der Bevölkerung des Inselstaates leben allerdings auf dem Land, wo die Frauen meist schlecht ausgebildet sind und keine Arbeit haben. Im Östlichen Hochland beispielsweise liegt die Analphabetenrate von Frauen bei 36,5 Prozent.


Häusliche Gewalt weit verbreitet

Die ungleichen Bedingungen zwischen den Geschlechtern werden durch die gesellschaftlichen Strukturen verschärft, die in Papua-Neuguinea an der Tagesordnung sind: Zwangsheirat schon in jungen Jahren, aber auch weit verbreitete häusliche und sexuelle Gewalt, wovon Schätzungen zufolge rund zwei Drittel der weiblichen Bevölkerung betroffen sind.

Genaue Zahlen, wie viele Witwen in Papua-Neuguinea leben, gibt es nicht. Die nationale Witwen-Vereinigung geht allerdings davon aus, dass die meisten Frauen, haben sie erst einmal ihren Mann verloren, zwischen fünf und 30 Jahren verwitwet bleiben, bis sie selbst sterben.

Im Hochland ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Mann stirbt, noch höher als im Rest des Landes. Hier kommt es immer wieder zu Kleinkriegen zwischen den Clans, beispielsweise wegen der Frage nach Landbesitz, wegen Streitigkeiten um den Besitz von Nutztieren wie Schweinen, oder aber durch Racheakte, wenn ein Clan sich von einem anderen übervorteilt sieht. Nicht selten kommt es dabei zum Tod der beteiligten Männer.


Hochland verzeichnet höchste Aids-Rate des Landes

Auch der verbreitete HIV-Aids-Virus ist eine häufige Todesursache. Im Jahr 2010 waren offiziellen Statistiken zufolge 31.609 Menschen mit dem Virus infiziert. Im Hochland lag die Rate an Aids-Infektionen anteilig an der Bevölkerung bei 0,91 Prozent. Der nationale Durchschnitt lag bei 0,8 Prozent. Schätzungen zufolge ist diese Zahl bis zum Jahr 2014 auf 0,7 Prozent gesunken.

In der Regel können Frau und Kinder eines Verstorbenen auf dessen Grundstück wohnen bleiben. Agatha Omanefa, Mitarbeiterin der Organisation 'Familienstimme Östliches Hochland', berichtet allerdings, dass die Tradition langsam aufgeweicht wird. Immer häufiger erlebt sie, dass die Brüder des Verstorbenen dessen Land für sich beanspruchen. "Wenn die Angehörigen des Verstorbenen Ansprüche an dessen Grundstück stellen, dann haben die Frauen und Kinder meist das Nachsehen. Die Brüder denken sich gerne irgendwelche Begründungen aus, beispielsweise, dass die Frau ursprünglich aus einer anderen Region komme und daher nicht hierher gehöre."

Traditionell sind Familien in Papua-Neuguinea sehr groß, Frauen bekommen meist acht bis zehn Kinder. Die müssen nicht nur alle ernährt werden, auch für ihre Schulbildung muss Geld da sein. Da sind von Frauen geführte Haushalte ohne Einkommen natürlich wesentlich stärker gefährdet, unter die Armutsgrenze zu rutschen.

Eine der größten Bedrohungen für das Wohlergehen von Frauen ist das Risiko, als Hexe verschrieen zu werden. Frauen, die der Hexerei verdächtigt werden, sind häufig Gewalt ausgesetzt oder werden sogar umgebracht. Die Verdächtigungen kommen nicht von ungefähr, berichtet die UN-Sonderberichterstatterin für Gewalt gegen Frauen, Rashida Manjoo, in einem Report aus dem Jahr 2013. "Wir befürchten, dass immer mehr Vorwürfe der Hexerei persönlich oder finanziell motiviert sind, um die Frauen von ihrem Land vertreiben zu können", heißt es darin.

Besser haben es Frauen, die mindestens einen Sohn haben. "In unserer Kultur, hier im Hochland, wird dich niemand von deinem Land verjagen, wenn du einen Sohn hast, weil seine bloße Existenz dir schon Schutz gewährt", erzählt Irish Kokara vom Rat der Frauen der Provinz Östliches Hochland. Ihrer Ansicht nach muss vor allem auf das Verhalten von jungen Männern Einfluss geübt werden, um die Gewalt gegen Frauen einzudämmen. "Es sind die jungen Männer, die Drogen wie Marihuana nehmen, die in Gangs Frauen verbrennen oder an Bäumen aufhängen. Erst wenn wir diese jungen Männer verändern, verändern wir auch die Gesellschaft." (Ende/IPS/jk/14.08.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/08/widowhood-in-papua-new-guinea-brings-an-uncertain-future/

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IPS-Tagesdienst vom 14. August 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. August 2015

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