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FRAUEN/774: Costa Rica - Ende des Mythos Óscar Arias (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Costa Rica

Óscar Arias: Ende des Mythos


(Mexiko-Stadt, 14. Februar 2019, La Jornada) - In weniger als einer Woche brachen neun Frauen das Schweigen über die sexuellen Übergriffe, die der Friedensnobelpreisträger und ehemalige Präsident Costa Ricas (1986-1990 und 2006-2010), Óscar Arias, begangen haben soll. Die erste, die ihn anklagte, war die Friedensaktivistin Alexandra Arce von Herold. Sie beschuldigte Arias vor Gericht, sie im Dezember 2014 vergewaltigt zu haben. Ähnliche Vorwürfe kamen unter anderem von drei Journalistinnen, einer Herausgeberin und einer früheren Schönheitskönigin. Sie alle beschuldigten Arias verschiedener Formen des sexuellen Missbrauchs. Yazmín Morales, Miss Costa Rica 1994, brachte ihren Fall ebenfalls vor Gericht. Erst im August 2018 wurde Arias wegen Amtsmissbrauch während seiner zweiten Amtszeit als Präsident angeklagt. Die derzeitige Klagewelle scheint den Niedergang einer der emblematischsten Figuren der lateinamerikanischen Politik der vergangenen Jahrzehnte einzuläuten.


Im Dienste Washingtons

Der Aufstieg von Arias begann, als er sich im letzten Akt des Kalten Krieges vollständig in den Dienst Washingtons stellte. Er setzte den Neoliberalismus in Costa Rica um und behinderte die Anstrengungen Mexikos, eine politische Lösung für den Bürgerkrieg in El Salvador zu finden sowie die Bemühungen, den US-Interventionismus gegen das sandinistische Regime in Nicaragua auszubremsen. Seine antikommunistische Haltung und seine Unterwürfigkeit gegenüber der Supermacht ermöglichten, dass das Weiße Haus unter Ronald Reagan die Verleihung des Friedensnobelpreises 1987 an Arias in die Wege leitete.

In seiner zweiten Amtszeit stellte er sein Land erneut in den Dienst der USA. Er bot sich als Vermittler nach dem Staatsstreich gegen den honduranischen Präsidenten Manuel Zelaya an. Bei diesem Prozess arbeitete Arias mit daran, dem de facto-Regime Zeit zu verschaffen und die gesellschaftliche Mobilisierung für die Wiedereinsetzung des verfassungsmäßigen Staatschefs zu zerschlagen. In der aktuellen Konjunktur gehört er zur Gruppe von rechten ehemaligen iberoamerikanischen Präsidenten, wie dem Spanier José María Aznar und dem Mexikaner Felipe Calderón, die sich beeilten, das Putschabenteuer des venezolanischen Abgeordneten Juan Guaidó zu unterstützen.


Männer-Netzwerke, die sich gegenseitig schützen

Die gegen Arias vorgebrachten Anklagen legen die Bereitschaft der USA und der lateinamerikanischen Eliten offen, einer kleinen Figur - der es völlig an diplomatischen Fähigkeiten und den ihr zugeschriebenen demokratischen Überzeugungen fehlt - als Gegenleistung für ihre Dienste, sie mit einem Helden- und Heiligenschein zu versehen und in den Himmel zu loben. Sie entblößen die Naturalisierung sexueller Gewalt durch mächtige Männer und das noch bis vor kurzem unüberwindliche Netzwerk aus Komplizenschaften, das es diesen Männern ermöglicht hat, völlig straffrei zu handeln. Arce von Herold argumentierte, nicht früher Klage eingereicht zu haben, weil erst jetzt ein "internationaler Kontext der Unterstützung" bestehe. Morales enthüllte, dass bei ihren Klageversuchen ihr drei Anwälte die Hilfe verweigerten. Sie rieten ihr, von der Klage Abstand zu nehmen, da sie den Politiker kennen würden.

Trotz der schmerzhaften Vorgeschichte kann nur begrüßt werden, dass endlich die vielfachen Zwänge aus dem Weg geräumt werden, die das Bekanntwerden sexueller Übergriffe durch mächtige Männer bisher verhindert haben. Nach allen vorliegenden Beweismitteln ist bisher jedoch nur die Spitze des Eisbergs von diesem Übel sichtbar geworden.

Proteste in Costa Rica, Telesur:
https://youtu.be/OeQA_vwf3_E


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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. März 2019

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