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INTERNATIONAL/076: Honduras - Familien von Gefängnisbrandopfern sollen entschädigt werden (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. Februar 2012

Honduras: Familien von Gefängnisbrandopfern sollen entschädigt werden

von Thelma Mejía


Tegucigalpa, 23. Februar - Die honduranische Regierung will sich mit den Familien der Brandopfer der Haftanstalt von Comayagua auf Entschädigungszahlungen einigen, um internationalen Klagen vorzubeugen. Wie die Ministerin für Justiz und Menschenrechte, Ana Pineda, erklärte, erwarte man die Ankunft einer Mission der Interamerikanischen Menschenrechtskommission, um eine einvernehmliche und nationale Lösung zu diskutieren.

Dem Bericht US-amerikanischer Brandexperten zufolge ist das Feuer, das 360 der 852 Gefangenen das Leben kostete, zwar zufällig ausgebrochen, hätte aber nicht ein solch verheerendes Ausmaß annehmen müssen, wären elementare Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden.

Den Experten des US-Büros für Alkohol, Tabak, Feuerwaffen und Sprengsätze (ATF) zufolge verdankt Honduras seine bislang schlimmste Katastrophe im Strafvollzug der gravierenden Überbelegung, dem Mangel an Personal, der Präsenz leicht entflammbarer Stoffe und dem Fehlen eines Notfallplans zur Evakuierung der Gefangenen. Auslöser könnten ein Feuerzeug, ein Streichholz oder eine Zigarette gewesen sein.

In Honduras gibt es derzeit 24 Haftanstalten, die für 8.250 Häftlinge ausgelegt sind. Berichten des staatlichen Menschenrechtsbeauftragten zufolge sitzen dort jedoch insgesamt fast 13.000 Menschen ein. Laut Generalstaatswalt Luis Rubí zufolge wird derzeit geprüft, ob die Gefängnisleitung in Comayagua ihre Sorgfaltspflicht verletzt hat.


Opfer fordern umfangreiche Untersuchungen

Die Angehörigen der Brandopfer haben reserviert auf den ATF-Bericht reagiert. Sie beschwerten sich am 21. Februar über die Verzögerungen bei der Übergabe ihrer toten Angehörigen. Die Verspätung wurde von den Behörden mit der Schwierigkeit begründet, einige Leichen aufgrund ihres schlechten Zustands zu identifizieren. In Medienberichten hieß es hingegen, es sei geplant, die Leichen in einem Gemeinschaftsgrab zu beerdigen. Diese Information veranlasste die Familien der Opfer, sich gewaltsam Zutritt zur Leichenhalle der Hauptstadt Tegucigalpa zu verschaffen und die Leichensäcke zu öffnen. Die ausgestrahlten Trauerszenen sorgten landesweit für Bestürzung.

Der ATF-Bericht sei nur ein kleiner Fortschritt, meinte Gloria Redondo, die Witwe eines der Gefängnisopfer, die die Gründung einer Opferorganisation bekannt gab. "Wir wollen einen umfassenden Bericht, denn bei diesem Brand gingen nicht nur Kleidungsstücke und Schuhe in Flammen auf, sondern menschliche Wesen: unsere Männer, Brüder und Freunde."

Redondos Mann, Marcio Arturo Sánchez, hatte sich aufgrund eines Behördenfehlers im Unglücksgefängnis aufgehalten. Er hätte bereits im September 2011 entlassen werden müssen. Der 32-Jährige hatte hinter Gittern zahlreiche Essays über die Mitgliedschaft in kriminellen Banden geschrieben. Er selbst war der berüchtigten 'Mara Salvatrucha' im Alter von zehn Jahren beigetreten.

Präsident Porfirio Lobo besuchte am 21. Februar die Angehörigen der Opfer in ihrer provisorischen Unterkunft. Bei dieser Gelegenheit erklärte er, dass sich Honduras nicht vor der Verantwortung drücken werde, sondern ein Versöhnungsabkommen anstrebe. Durch eine solche Übereinkunft sollten internationale Klagen verhindert werden, die umständliche und lange Verfahren nach sich zögen.

Der Brand in Comayagua ist bereits die dritte Katastrophe im honduranischen Strafvollzug in neun Jahren. Im April 2003 starben bei einem Massaker in der nordhonduranischen Hafenstadt La Ceiba 69 Gefängnisinsassen, im Mai 2004 verbrannten 107 Gefangene in einer Anstalt in San Pedro Sula im Norden. Zu diesem letzten Fall findet in Kürze eine Anhörung vor dem Internationalen Menschenrechtsgericht in Costa Rica statt. (Ende/IPS/kb/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Februar 2012