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INTERNATIONAL/079: D. R. Kongo - Kleinbauern befürchten Verlust ihrer Felder, Kritik am neuen Agrargesetz (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. März 2012

D. R. Kongo: Kleinbauern befürchten Verlust ihrer Felder - Kritik am neuen Agrargesetz

von Emmanuel Chaco


Kinshasa, 2. März (IPS) - Das neue Agrargesetz ihrer Regierung stößt bei den organisierten Kleinbauern der Demokratischen Republik Kongo (DRC) auf heftige Kritik. Ihre Vertreter befürchten, dass die Subsistenzbauern, von denen viele seit Generationen ein Stück staatseigenes Land bestellen, ihre Felder und damit die Existenzgrundlage für sich und ihre Familien verlieren, wenn sich finanzstarke Investoren für das Land interessieren.

"Wir haben die Regierung bereits aufgefordert, das Gesetz zu modifizieren", sagte Paluku Mivimba, Präsident des Verbands kongolesischer Kleinbauern (FOPAC) IPS. "Etliche Paragraphen des neuen Gesetzes verunsichern die Kleinbauern, weil sie verhindern, dass sie Besitzer des Ackerlands werden, das sie seit Generationen bestellen", erklärte er.

Die Anwältin Mamie Makuze, der auf dem Batéké-Plateau in der Nähe der Hauptstadt Kinshasa fünf Hektar Land gehören, berichtete IPS: "Paragraph 35 des Agrargesetzes benachteiligt mittellose Bauern. Er gibt der Regierung das Recht, bei der Vergabe von landwirtschaftlichen Konzessionen Bewerber mit den größeren finanziellen Kapazitäten zu bevorzugen. Diese müssen zudem in der Lage sein, die Kosten für die Entwicklung ihres Landes aufzubringen."

"Auch Paragraph 41 gefährdet die Existenz von Kleinbauern", fügte die juristisch versierte Landbesitzerin hinzu. "Er schreibt vor, dass die Antragsteller schon 18 Monate nach der Unterzeichnung eines provisorischen Pachtvertrags dieses Land bewirtschaften müssen. Andernfalls kann es die Regierung einem anderen Pächter überlassen", erläuterte Makuze. "Dabei geht es oft um Land, das die Bauern ohne amtliche Dokumente innerhalb ihrer Familien von Generation zu Generation weitergegeben haben."

Auch die Gärtnerin Jeanne Botuli aus dem Dorf Kisantu in der Westprovinz Bas-Kongo bangt um ihren Broterwerb. "Seit zehn Jahren pflanzen wir Frauen auf unseren nur wenige Quadratmeter großen Parzellen Möhren, Zwiebeln und anderes Gemüse an. Die Provinzbehörden akzeptieren das, auch wenn wir keine formellen Landtitel besitzen. Sie haben doch kein Recht, uns jetzt unsere Felder wegzunehmen."

Nach Angaben von Jean-Baptiste Lubamba vom zivilen 'Entwicklungszentrum für die Teilhabe des Volkes' in Kinshasa leben rund 80 Prozent der Kongolesen von der Landwirtschaft.

"Die meisten von ihnen sind nie zur Schule gegangen und wissen kaum etwas über den Inhalt des neuen Agrargesetzes", betonte Roger Polo, der Sprecher des Kleinbauernverbandes. "Dieses Gesetz bietet ihnen keine Sicherheit und schützt sie nicht davor, ihr Land zu verlieren, wenn sich wohlhabende Bauern oder kapitalkräftige Unternehmen des Agrobusiness dafür interessieren", kritisierte er.


Furcht vor einer neuen 'Zairisierung'

"Das Gesetz erlaubt es dem Staat, armen Bauern ihr Land wegzunehmen", erklärte Alphonse Nkuli, Mitglied des kongolesischen Wirtschaftsverbandes. "Das ist eine neue Form von 'Zairisierung', die wir schon einmal erlebt haben." Im ehemaligen Zaire seien Landbesitzer der ehemaligen Kolonialmächte enteignet und das Land an Kongolesen einschließlich Gefolgsleuten der damaligen Regierung von Diktator Mobutu Sese Seko übergeben worden, denen jede Erfahrung in Sachen Landwirtschaft gefehlt habe. Diese hätten ihren Landbesitz bald verkauft.

Landwirtschaftsminister Norbert Basengezi Kantintima betonte, er kenne die weit verbreitete Besorgnis, wies sie aber als unbegründet zurück. "Das Gesetz schützt die Kleinbauern, weil die bereits eingerichteten Agrarbeiräte, in denen auch sie vertreten sind, in jeder Provinz die landwirtschaftliche Entwicklung kontrollieren", stellte er fest. "In diesen Räten sind Erzeuger sowie deren Organisationen und Bauernverbände auf allen Ebenen vertreten. Sie sorgen dafür, dass die Regierung nichts unternimmt, was ihnen schadet."

Nach Ansicht des Kleinbauernvertreters Mivimba können diese Räte nicht wirklich funktionieren. "Sie sind von der Regierung abhängig, die es versäumt hat, sie ausreichend zu finanzieren", kritisierte er. "Was wir wirklich benötigen sind Komitees, die für das Bodenmanagement zuständig sind. Das ist vor allem auf dem Land wichtig, wo die meisten Bauern ungebildet sind und ihre Rechte nicht kennen. Für sie sollten sich die Komitees einsetzen." Mivimba kündigte an, seine Organisation werde sich über das im Februar neu gewählte Parlament für eine Abänderung des Agrargesetzes einsetzen. (Ende/IPS/mp/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2012