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INTERNATIONAL/189: Drogenkrieg wirkungslos und armenfeindlich - Hilfsorganisation fordert Reformen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. Februar 2015

Entwicklung: Drogenkrieg wirkungslos und armenfeindlich - Hilfsorganisation fordert Reformen

von Thalif Deen


Bild: © Fahim Siddiqi/IPS

Noch nicht einmal acht Prozent der Drogenkonsumenten haben Zugang zu einem Programm, das ihnen sauberes Spritzbesteck zur Verfügung stellt
Bild: © Fahim Siddiqi/IPS

New York, 27. Februar (IPS) - Obwohl die Vereinten Nationen dem internationalen Drogenhandel bereits mit etlichen Konventionen zu Leibe gerückt sind, hat sich die internationale Drogenbekämpfung als weitgehend wirkungslos herausgestellt. Zu diesem Ergebnis kommt ein neuer Bericht der britischen Hilfsorganisation 'Health Poverty Action', der insbesondere die Folgen repressiver Maßnahmen für die Ärmsten der Armen beleuchtet.

Trotz aller Bemühungen, der Rauschgiftmafia das Handwerk zu legen, sind die illegalen Substanzen preiswerter und reiner und werden zudem stärker nachgefragt als früher, heißt es in dem am 26. Februar in London veröffentlichten Report 'Casualties of War: How the War on Drugs is Harming the World's Poorest'.

Die Studie beruft sich zudem auf eine in Großbritannien durchgeführte Umfrage, in der acht von zehn Briten der Ansicht sind, dass der Drogenkrieg nicht zu gewinnen sei. Mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmer war zudem dafür, wenigstens einige Drogen zu legalisieren.

Zu den UN-Verträgen gegen den Drogenhandel zählen das Einheitsabkommen über Suchtstoffe von 1961, das Übereinkommen über psychotrope Substanzen von 1971 und die Konvention gegen den illegalen Handel mit Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen von 1988.

In den letzten Jahren hat sich die Staatengemeinschaft im Kampf gegen den Drogenhandel in das Lager der Hardliner und das der Liberalen geteilt. Zu den Ländern, die eine teilweise oder völlige Entkriminalisierung von Drogen eingeführt haben oder befürworten, gehören die Niederlande, Portugal, die Tschechische Republik und etliche südamerikanische Staaten, die etwa den Einsatz von Marihuana für medizinische Zwecke genehmigen.

Dem Bericht zufolge machen sich Mexiko, Kolumbien und Guatemala derzeit dafür stark, dass die Staaten offen über eine Reform der bisherigen UN-Drogenpolitik diskutieren. Nicht nur, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und UNAIDS den Vorschlag unterstützen. Sie befürworten eine Entkriminalisierung des Rauschgiftkonsums.

Nach Ansicht von Catherine Martin, Strategieberaterin von Health Poverty Action, "tun die UN zu oft das Falsche und zu selten das Richtige". Wie sie berichtet, werden auf Basis der UN-Konventionen zur Drogenkontrolle weltweit jedes Jahr 100 Milliarden Dollar in die Polizeiarbeit zur Durchsetzung von Drogengesetzen gesteckt. Dieser Ansatz hat jedoch weder den Drogenkonsum gesenkt, noch ist es gelungen, den illegalen Handel einzudämmen. Er hat zur Folge, dass der Drogenhandel lukrativ und die Kartelle mächtig bleiben (Förderung der Korruption). Auch befeuert er gewaltsame Konflikte und Menschenrechtsverletzungen und sorgt für eine unverhältnismäßige Bestrafung der kleinen Produzenten und Drogenkonsumenten.

Wie aus dem neuen Bericht hervorgeht, haben sich die britischen Entwicklungsorganisationen in der Frage der Drogenpolitik bisher weitgehend bedeckt gehalten. Die Rufe nach einer Reform der bisherigen Drogenpolitik kämen vor allem aus den Entwicklungsländern und von aktuellen und ehemaligen Staatspräsidenten und Friedensnobelpreisträgern sowie dem früheren UN-Generalsekretär Kofi Annan und dem britischen Tycoon Sir Richard Branson.

Health Poverty Action appelliert an die anderen britischen Hilfsorganisationen, die Zeit bis zur Sondersitzung der UN-Vollversammlung zu Drogen im nächsten Jahr zu nutzen, damit künftige Strategien die Armen nicht länger benachteiligen. Dem Bericht zufolge lassen es die meisten Nichtregierungsorganisationen (NGOs) an Ansprechpartnern missen, die sich um eine Teilnahme an der Sondersitzung bemühten.

Wie in anderen Berichten wird auch in der Studie der britischen NGO darauf hingewiesen, dass für viele Kleinbauern in Entwicklungsländern der Anbau und der Handel mit Drogen die einzige Einnahmequelle darstellen. Darüber hinaus würden Bauern ohne Zugang zu Land, ohne ausreichende finanzielle Mittel und Infrastrukturen, die sie befähigen, vom Anbau alternativer Kulturpflanzen zu leben, durch die geltenden Drogengesetze abgestraft.

Dass viele Programme, die den Bauern den Umstieg auf alternative Agrarprodukte ermöglichen sollten, gescheitert sind, führt Health Poverty Action darauf zurück, dass diese von Sicherheitsinteressen geleitet seien und die Bedürfnisse armer Gemeinschaften nicht berücksichtigten. Die Kriminalisierung von Drogen begünstige zudem die Ausbreitung von Krankheiten, weil sie Menschen davon abhalte, sich medizinisch behandeln zu lassen. Millionen Menschen sei zudem der Zugang zu schmerzlindernden Substanzen versperrt.

Nur acht Prozent aller Menschen, die sich Drogen injizieren, profitieren von Programmen, die jedem Abhängigen sauberes Spritzbesteck zur Verfügung stellen oder Drogenersatztherapien ermöglichen. Keine vier Prozent der HIV-Infizierten werden einer medizinischen Behandlung unterzogen.

In Westafrika hätten Krebs- und Aidspatienten große Schwierigkeiten, sich Schmerzmittel zu beschaffen, so die Untersuchung. 90 Prozent aller Aids-Infizierten und die Hälfte der Krebspatienten seien in den Ländern niedriger und mittlerer Einkommen anzutreffen. Doch nur sechs Prozent von ihnen würden mit Morphium oder anderen schmerzstillenden Medikamenten versorgt.

Health Poverty Action zufolge kriminalisiert der Drogenkrieg die Armen und insbesondere die Frauen. Sie laufen überproportional Gefahr, ins Gefängnis zu kommen und ihren Lebensunterhalt zu verlieren. Die Zerstörung von Koka- und Schlafmohnfeldern belastet zudem die Umwelt und zwingt die Produzenten in den Untergrund - oftmals in ökologisch fragile Gebiete.

Martin zufolge sollten die Vereinten Nationen eine wissenschaftlich fundierte Drogenpolitik unterstützen, die den Armen helfe und den Drogenkonsum als Gesundheitsproblem betrachte. Solche Strategien müssten zudem mit den Menschenrechten vereinbar seien anstatt Morde, Massenverhaftungen und systematische Menschenrechtsverletzungen als Kollateralschäden zu rechtfertigen.

"Eine Reform der Drogenpolitik sollte Schadensbegrenzungsmaßnahmen fördern und finanzieren sowie sicherstellen, dass die fünf Milliarden Menschen, die in Ländern mit strikten Drogengesetzen leben, Zugang zu Schmerzmitteln erhalten", so Martin.

Dem Bericht zufolge berührt die Drogenpolitik, ähnlich wie die Klima- und die Frauenpolitik, eine Reihe von Aspekten der Entwicklungsarbeit wie Armut, Menschenrechte, Demokratie und Umwelt. Die derzeitigen Drogenstrategien, so Health Poverty Action, bremsen wirtschaftliches Wachstum aus und beeinträchtigen die Wirksamkeit der Entwicklungsarbeit. (Ende/IPS/kb/2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/02/despite-u-n-treaties-war-against-drugs-a-losing-battle/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2015

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