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ORGANISATION/171: Schuldenreport 2009 - Hilfen für Banken, Verbraucher in Not (Caritas)


Caritas Pressemitteilung vom 12. Juni 2009

Hilfen für Banken, Verbraucher in Not

Schuldenreport 2009


Berlin, 12.06.2009 Die Kreditwirtschaft steht angesichts der Wirtschaftskrise in der Pflicht, ein Sofortprogramm für überschuldete Verbraucher aufzulegen. Das fordern Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Diakonie, Paritätischer Wohlfahrtsverband, Rotes Kreuz und Verbraucherzentrale Bundesverband, die heute in Berlin den Schuldenreport 2009 vorstellten. Diesem zufolge entfallen rund 60 Prozent der Schulden von Verbrauchern auf rückständige Kredite. Die sechs Herausgeber fordern außerdem eine verantwortliche Kreditvergabe und Anstrengungen, um die Finanzkompetenz von Verbrauchern zu verbessern.

Banken in finanziellen Schwierigkeiten bekommen derzeit milliardenschwere Unterstützung durch Steuergelder. Die Wirtschaftskrise trifft jedoch auch viele Verbraucher. Ihnen droht Arbeitslosigkeit, laut Schuldenreport der häufigste Auslöser für Überschuldung. Doch obwohl Banken staatliche Hilfen erhalten und günstig an Geld kommen, bitten sie Verbraucher in wirtschaftlicher Not ohne Rücksicht zur Kasse. Der Zeitschrift Finanztest zufolge geben viele Banken die Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank nicht an ihre Kunden weiter. Sie streichen so schätzungsweise 1,3 Milliarden Euro als Gewinn ein. Manche Geldhäuser haben sogar ihre Dispozinsen erhöht: So hob die Berliner Sparkasse den Zins von 13,5 auf 14,5 Prozent an.

Vor diesem Hintergrund fordern die sechs Herausgeber des Schuldenreports als Sofortprogramm von der Kreditwirtschaft:

die Senkungen der Leitzinsen an die Verbraucher weiterzugeben,
flexibel auf kurzfristige finanzielle Engpässe ihrer Kunden zu reagieren, zum Beispiel durch verlängerte Zahlungsaufschübe (Stundungen) und den Verzicht auf Verzugszinsen,
die Kreditraten im Falle längerer Einkommensausfälle an die veränderte wirtschaftliche Situation ihrer Kunden anzupassen, ohne sie durch erneute Bearbeitungskosten und den verpflichtenden Abschluss von weiteren Verträgen zusätzlich zu belasten.


Unverantwortliche Kreditvergabe sanktionieren

Unverantwortliche Kreditvergabe ist laut Schuldenreport ein weiterer Auslöser für Überschuldung von Privatpersonen. Banken ködern Verbraucher mit Kreditverträgen, die sie wirtschaftlich überfordern. Geraten die Kunden während der Vertragslaufzeit in Zahlungsschwierigkeiten, bieten die Geldhäuser ihnen oft überteuerte Umschuldungen an, die sie noch tiefer in das Schuldenkarussell treiben. Deshalb fordern die sechs Herausgeber des Schuldenreports, unverantwortliche Kreditvergabe zu sanktionieren. Wenn Verbraucher durch den Abschluss eines Kreditvertrages wirtschaftlich offensichtlich überfordert wurden, sollte der vertraglich vereinbarte Zinssatz auf den gesetzlichen Zinssatz herabgesetzt werden. Zudem ist in einem solchen Fall die monatliche Rückzahlungsvereinbarung an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Kreditnehmers anzupassen.


Kreditwirtschaft an Kosten für Schuldnerberatung beteiligen

Um Überschuldung zu verhindern, ist eine flächendeckende anbieter- und produktunabhängige Finanzberatung unerlässlich. Doch mit ihren Kapazitäten können etwa die Verbraucherzentralen derzeit lediglich 0,14 Prozent der Privathaushalte im Jahr beraten. Um hier Abhilfe zu schaffen, müssen Bund und Länder zusätzliche finanzielle Mittel bereitstellen. Auch ist ein zeitnaher Zugang zu kostenloser Schuldnerberatung sicherzustellen. Etwa die Hälfte der Beratungsstellen verfügt über nur eine Beratungskraft, weitere zehn Prozent über lediglich eine Teilzeitkraft. Nur rund 15 Prozent der verschuldeten Menschen ist es möglich, kostenlos Hilfe zu erhalten. Viele müssen auf einen Beratungstermin Monate warten, teilweise bis zu einem Jahr. Der Ausbau der Schuldnerberatung ist daher dringend erforderlich. An der Finanzierung sollte sich nach Auffassung der Herausgeber des Schuldenreports auch die Kreditwirtschaft beteiligen, da sie von der Arbeit der Schuldnerberatung profitiert.

Der Schuldenreport weist außerdem darauf hin, dass es um die Finanzkompetenz der Bevölkerung schlecht bestellt ist. Viele Verbraucher sind gar nicht in der Lage, den für sie passenden Kredit auszuwählen und abzuschließen. Die Herausgeber des Schuldenreports fordern Bund und Länder auf, eine nationale Strategie zur Verbesserung der finanziellen Bildung auf den Weg zu bringen.


ZITATE:

Gerd Billen, Vorstand Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv)
"Banken in finanzieller Not erhalten milliardenschwere Unterstützung durch Steuergelder, die Kunden stehen dagegen im Regen. Die Kreditwirtschaft ist daher in der Pflicht, überschuldeten Verbrauchern mit Sofortmaßnahmen entgegenzukommen."

Rainer Brückers, Bundesvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt (AWO)
"Der Götzendienst, Kredit auf Kredit zu stapeln, muss aufhören - in der Politik wie in der Wirtschaft und bei der Verführung der Konsumenten. Die Politik hat es in der Hand: Die AWO schlägt vor, auf jeden Konsumentenkredit eine Abgabe zur Finanzierung der chronisch überlasteten Schuldnerberatungsstellen einzuführen."

Svenja Koch, Pressesprecherin des Deutschen Roten Kreuzes
"Viele Familien sind überfordert und können mit ihrem Geld nicht umgehen, weil sie die Erfüllung von Konsumwünschen in den Vordergrund stellen. Da bleiben dann Grundbedürfnisse wie gesunde Ernährung oder warme Winterschuhe für die Kinder manchmal auf der Strecke. Wir müssen die Finanzkompetenz in den Familien dringend stärken."

Heidi Merk, Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes
"Ein Girokonto ist kein schnöder Luxus, sondern heutzutage zwingende Voraussetzung für die alltägliche Lebensführung und die gesellschaftliche Teilhabe. Die Kreditwirtschaft hat 14 Jahre lang bewiesen, dass sie nicht in der Lage ist, ihre Selbstverpflichtung zur Umsetzung des Girokontos für jedermann mit Leben zu füllen. Jetzt ist die Politik gefordert, die Banken in die Pflicht zu nehmen und endlich eine verbindliche gesetzliche Regelung zu schaffen."

Uwe Schwarzer, Leiter der Abteilung strategisches Management in der Hauptgeschäftsstelle des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland
"Unverschuldeter Verlust des Arbeitsplatzes, Unfall oder Tod des Hauptverdienenden, gescheiterte Ehe; viele Brüche in der Lebensbiographie von Menschen sind schon schlimm genug, doch sie führen zusätzlich noch häufig in eine Überschuldung. Schuldnerberatung als Hilfe zur Selbsthilfe muss zeitnah, qualifiziert und kostenlos zur Verfügung stehen. Mittel des Bundes und der Länder reichen bei Weitem nicht aus. Die Kreditwirtschaft steht in der Pflicht sich zu beteiligen."

Carlo Wahrmann, Caritas Schuldner- und Insolvenzberatung Berlin-Mitte
"Schuldnerberatung stabilisiert die überschuldeten Menschen nicht nur wirtschaftlich, sondern auch psychisch und sozial und eröffnet ihnen neue Lebensperspektiven."


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Quelle:
Pressemitteilung vom 12. Juni 2009
Deutscher Caritasverband e.V.
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Redaktion:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juni 2009