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AL-ARAKIB/002: Jüdische Gruppen verurteilen Zerstörung des Beduinendorfes im Negev (bedouinjewishjustice)


Koalition israelischer und amerikanischer jüdischer Organisationen - Pressemitteilung vom 25. November 2010

• Israelische und amerikanische jüdische Gruppen verurteilen israelische Regierung und den Jüdischen Nationalfonds wegen der 7. Zerstörung des Beduinendorfes Al-Arakib im Negev

• Der Jüdische Nationalfonds (JNF-Israel) richtet bei Al-Arakib ein großes Bulldozer-Lager für den riesigen "God-TV Wald" ein, finanziert durch JNF-Spendengelder eines evangelikalen Fernsehsenders

• Wir rufen alle Menschen auf, denen Israel am Herzen liegt, sich zu den 10.000 zu gesellen, die bereits Protestpetitionen an die Leitung des JNF und an Ministerpräsident Netanyahu sowie die israelische Regierung unterschrieben haben.


23. November 2010 - Umfangreiche Polizeikräfte in Begleitung von Bulldozern der 'Israel Land Administration' zerstörten gestern das Beduinendorf Al-Arakib und rissen die provisorischen Wohnstätten ab, die Dorfbewohner nach der letzten Zerstörung errichtet hatten. Die Dorfbewohner haben bereits angefangen, das Dorf mit Hilfe von Freiwilligen wieder aufzubauen, und haben geschworen, es wieder und wieder aufzubauen, bis ihnen die israelische Regierung das Recht auf ihr eigenes Land zuerkennt.

Wir, eine Koalition israelischer und amerikanischer jüdischer Organisationen, verurteilen die anhaltende Zerstörung von Beduinendörfern durch die israelische Regierung in der Negev und die Vertreibung ihrer Bewohner. Wir verurteilen den Jüdischen Nationalfonds (JNF) aufgrund seiner Mittäterschaft bei der Verdrängung beduinischer Bürger Israels aus ihrem Heim und von ihrem Land, um Platz für Wälder zu schaffen und neue, exklusiv jüdische Gemeinden an ihrer Stelle zu errichten. Die Beduinen haben keine vergleichbaren Möglichkeiten, neue landwirtschaftliche Gemeinschaften zu gründen. Sie werden gezwungen, ihre Häuser, ihr Land, ihre Lebensweise aufzugeben und in überfüllte urbane Zentren zu ziehen, die von Kriminalität, Arbeitslosigkeit und Aussichtslosigkeit gezeichnet sind.

Wir fordern die israelische Regierung auf, mit Unterstützung des JNF-Israel und des JNF-USA über eine gerechte und für beide Seiten annehmbare Lösung für die Notlage der 190.000 Beduinen in der Negev, der ärmsten und am meisten benachteiligten Minderheit in Israel, zu verhandeln. Die Hälfte von ihnen lebt in "nicht anerkannten" Dörfern ohne Elektrizität, fließendes Wasser, Abwasserentsorgung, Schulen oder Krankenhäuser und unter fortwährender Angst vor Demolierung und Vertreibung.


Ein neues Bulldozer-Lager des JNF bei Al-Arakib für die Anpflanzung des "God-TV Waldes" aus Spendengeldern evangelikaler Christen

In der vergangenen Woche hat der JNF (Israel) nur einen Kilometer vom Dorf Al-Arakib entfernt ein neues Bulldozer-Lager eingerichtet und ist dabei, in Israel eine Million Bäume als Teil eines "God-TV Waldes" zu pflanzen - viele davon in der Nähe des Dorfes Al-Arakib. Der JNF hat umfangreiche Spenden von einer evangelikalen christlichen Organisation mit Namen God-TV angenommen, die behauptet, "Instruktionen von God" erhalten zu haben, "eine Million Bäume zu pflanzen...das Land auf die Rückkehr meines Sohnes" vorzubereiten. (ihr Video ist unter http://www.god.tv/excavation zu finden, siehe Minute 21:00).

Statt sich für die gleichen Bürgerrechte für alle Israelis einzusetzen - die Grundlage für Vertrauen und für ein friedliches Zusammenleben -, unterstützt der JNF nun eine (und wird unterstützt von einer) evangelikale Organisation, die Israel und das Anpflanzen von Bäumen benutzen will, um die "Wiederkunft Christi" herbeizuführen.

Wir glauben an ein Israel, in dem Juden mit ihren beduinischen und anderen arabischen und palästinensischen Nachbarn partnerschaftlich und gleichberechtigt zusammenleben. Das Israel des JNF, der israelischen Landverwaltungsbehörde und der israelischen Regierung ist ein Israel, in dem beduinische Araber vertrieben und diskriminiert werden, damit von Juden und evangelikalen Christen finanzierte Wälder entstehen und ausschließlich-jüdische Gemeinden gebaut werden können, die es beduinischen Israelis verwehren, je wieder auf ihr Land zurückzukehren, und sie zu einem Leben in Armut und Vernachlässigung zwingen.


Gleichberechtigung statt Enteignung und Zerstorgung

Der JNF ist zum wiederholten Male den von uns geäußerten Bedenken ausgewichen und hat lediglich mit Irreführung und Falschinformationen reagiert. Wir wenden uns noch einmal mit der Aufforderung zu einer offenen und ehrlichen öffentlichen Debatte über diese Fragen an den JNF.

Wir fordern den Jüdischen Nationalfonds auf, sich wieder den in der Unabhängigkeitserklärung Israels niedergelegten Idealen zuzuwenden, die für alle Bürger Israels gleichberechtigte Entfaltungsmöglichkeiten unabhängig von Religion, Nationalität oder Geschlecht fordern, indem er:

1) der israelischen Regierung gegenüber öffentlich erklärt, daß er die Finanzierung oder Teilnahme an der Aufforstung oder Entwicklung jedes Gebietes einstellt, die am Ort eines bestehenden oder zerstörten beduinischen Dorfes stattfindet.

2) alle Aktivitäten auf Landbesitz einstellt, auf den Beduinen einen rechtlichen Anspruch erheben, bis vor israelischen Gerichten über ihren jeweiligen Fall endgültig entschieden ist oder eine beiderseitig akzeptable, gerechte Lösung erreicht wurde.

3) die Entwicklungspläne des JNF für den Negev einer unabhängigen Prüfung durch Organisationen für Umwelt, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit unterziehen läßt, um eine wirklich nachhaltige Entwicklung der Negev für ALLE ihre Bewohner - Juden und Araber gleichermaßen - zu erarbeiten.

4) Projekte für die beduinischen Bürger und Gemeinschaften Israels in einer Höhe finanziert, die im Verhältnis zur Größe dieser Bevölkerungsgruppe in der Negev - fast 30% - stehen und den Beitrag der Beduinen zum Wohlstand in der Negev anerkennen.

5) sich Menschenrechtsorganisationen in Israel anschließt, die sich dafür einsetzen, den Beduinen zu gestatten auf ihrem angestammten Land zu leben, wie sie es seit vielen Generationen tun.


Hintergrundinformationen

Unter anderen erweisen folgende Tatsachen die Mittäterschaft des JNF:

A. JNF-Israel (bekannt als JNF-KKL), spielt als das einzige, auf dem gesamten israelischen Territorium mit der Aufforstung betraute Organ eine wichtige Rolle bei der Entscheidung, wo Wälder gepflanzt werden sollen.

B. JNF-Israel setzt nach wie vor einen massiven Aufforstungsplan durch, der zum Ziel hat, das Gebiet des Forstprojektes auf dem "Schicksalsberg" von 14.000 auf 28.000 Dunam [1] zu vergrößern. Mehrere beduinische Gemeinden in diesem Gebiet sollen den Plänen zufolge, zusammen mit 11.000 Dunam an landwirtschaftlicher Fläche, verschwinden.

C. Gemeinsam mit JNF-Israel, dem 'Or Movement', Ayalim [2] und der israelischen Regierung finanziert und betreibt JNF-USA einen Entwicklungsplan für den Negev, der die Ansiedlung von 250.000 Juden dort, die Errichtung ausschließlich-jüdischer Gemeinden und den Aufbau von Wäldern anstelle der beduinischen Dörfer vorsieht.

D. 2009 war die Siedlerbewegung Or der Empfänger der drittgrößten finanziellen Zuwendung von JNF-US.

Solange der JNF nicht Position gegen die Zerstörungen und die Vertreibung beduinischer Bürger bezieht und seine Aufforstungs- und Entwicklungstätigkeiten mit den Menschenrechten und den in Israels Unabhängigkeitserklärung niedergelegten universellen Werten in Einklang bringt, wird er den Makel der Mittäterschaft bei solchen Aktionen nicht los.


Unterstützt von:

aus Israel
• Al-Arakib Dorf Komitee
• Negev Coexistence Forum for Civil Equality
• Rabbis for Human Rights
• Shatil - Leading Social Change, An Initiative of the New Israel Fund
• Physicians for Human Rights - Israel
• Hit'habrut-Tarabut - Arabisch-Jüdische Bewegung für sozialen und politischen Wandel
• Al-Arakib People's Committee
• Sikkuy - The Association for the Advancement of Civic Equality in Israel
• Association for Civil Rights in Israel
• Recognition Forum

aus den USA
• Jewish Alliance for Change
• Rabbis for Human Rights-North America
• Meretz USA
• Jewish Voice for Peace
• The Workmen's Circle/Arbeiter Ring
• Tikkun Community
• Network of Spiritual Progressives

Unter http://bedouinjewishjustice.blogspot.com/ ist die jeweils aktualisierte Liste der Organisationen zu finden, die diese Erklärung unterstützen.

Fotos von der God-TV-Wald-Beschilderung und des neuen Bulldozer-Lagers unter:
http://bit.ly/9CL8b6


Anmerkungen der Redaktion Schattenblick:
[1] 1 Dunam = 1000 m²
[2] gegründet von ehemaligen Soldaten zur Unterstützung der Siedlerbewegungen

Raute

HINTERGRUND

Negev Coexistence Forum for Civil Equality
Tarabut - Hit'habrut - Arab-Jewish Movement for Social & Political Change

Ein Beduinendorf im Süden Israels 5 Mal zerstört

Menschenrechtsorganisationen und soziale Aktivisten protestieren:

Stoppt die JNF Kampagne im Negev!


Bis 1948 gab es kaum jüdische Siedlungen im Negev, der Wüstenregion im Süden Israels; Schätzungen über die beduinische Bevölkerung vor der Staatsgründung sprechen von 65.000 bis 110.000 Menschen. Nach dem Krieg waren nur noch wenige innerhalb der neuen Staatsgrenzen geblieben; zu Beginn der sechziger Jahre ist die Rede von 11.000.

Einige wenige jüdische Siedlungen wurden auf Land gegründet, das der Jüdische Nationalfonds (JNF/KKL) von Beduinen abgekauft hatte. Sowohl die ottomanische wie die britische Regierung, als auch die Landexperten vom JNF, erkannten das beduinische Landrecht an, obschon allen klar war, daß die amtliche Registrierung nur wenige Landstücke umfaßte.

Durch verschiedene Gesetze in den ersten Jahren nach Staatsgründung verloren die Beduinen fast gänzlich ihr Land. Seit Beginn der 70er Jahre begannen beduinische Bürger, ihr Land zurückzufordern, aber in den allermeisten Fällen wurde nichts erreicht. Es ist wichtig festzuhalten, daß es in all diesen Kämpfen und Auseinandersetzungen, die zu großer Pein führten und ein bitteres Gefühl der Diskriminierung erweckten, um nicht mehr als 6% oder 7% des Landes im Negev geht - der kleine Rest, den die Beduinen immer noch reklamieren.

Das beduinische Dorf Al-Arakib, wenige Kilometer nördlich von Be'er Sheva, war die Siedlungsregion von vielen Beduinen vor der israelischen Staatsgründung. Seine Wurzeln befinden sich im Friedhof in der Nähe; der beduinische Grundbesitz ist durch Gerichtsverhandlungen, Gerichtsakten, Kaufbriefe, Steuerzahlungen und die lokale Tradition bezeugt. Anfang der 50 Jahre, kurz nach Gründung des Staates wurden die Beduinen aufgefordert, die Region zu verlassen - mit dem Versprechen, daß sie nach kurzer Zeit wieder zurückkommen könnten. Immer wieder wurde das jedoch auf die lange Bank geschoben.

Die Beduinen von Al-Arakib haben förmlich ihr Land zurückgefordert; das Land ist unbesiedelt - keine jüdische Siedlung wurde darauf errichtet. Vor etwa zehn Jahren, nachdem sie 50 Jahre lang abgewartet hatten, kehrten sie zu ihrem Dorf zurück, denn sie fürchten, daß wenn sie ihr Land nicht selbst bebauten, es für immer verloren und unwiderruflich enteignet sein würde. Heute hat das Dorf ungefähr 300 Bewohner, ohne Wasserleitung, ohne Stromanschluß oder sonstige Infrastruktur - als ein unter der 45 "nichtanerkannten" Dörfer im Negev.

Obschon vor Gericht die Besitzverhältnisse noch nicht entschieden sind, übertrug die staatliche Behörde das Land dem Jüdischen Nationalfonds (JNF) zum Aufforsten. Ein einseitiges Aufforsten schafft Fakten. Hinter dem schönen Slogan, "Die Wüste zum Erblühen bringen", versteckt sich die Absicht, den ursprünglichen Einwohnern des Negevs ihr Land wegzunehmen und die Region, die von den Beduinen schon landwirtschaftlich bearbeitet wurde, unfruchtbar zu machen. Die beduinische Landwirtschaft in Al-Arakib ist den lokalen Verhältnissen angemessen, wogegen zum Fall der JNF-Wälder der israelische Landwirtschaftsminister im Parlament öffentlich zugab (am 3.3.2010), daß die Aufforstung zum Ziel hat, das Land zu beherrschen und daß die Bäume später vielleicht wieder ausgerissen würden. Genauso geschah es in nächster Nähe, um die Erweiterung der neugegründeten jüdischen Mittelstandssiedlung Giv'ot Bar zu ermöglichen.

Im Versuch, die Beduinen zu entmutigen, bespritzte der Staat die Felder aus Flugzeugen mit Chemikalien, und dazu auch noch das Dorf selber. Die giftigen Pestizide haben ökologischen und gesundheitlichen Schaden angerichtet, bis der Oberste Gerichtshof diese Praxis im Jahre 2003 untersagte. Seither versucht der Staat durch Pflügen und Aufforstung die Beduinen daran zu hindern, ihr Land zu kultivieren.

Dieser Konflikt erreichte nun seinen Höhepunkt mit der wiederholten kompletten Zerstörung des Dorfes Al-Arakib seit dem 27. Juli. Bis heute, dem 15.9.2010, wurde das Dorf fünfmal dem Erdboden gleichgemacht. Hunderte von Kindern, Frauen und Männern blieben ohne Obdach in der brennenden Sonne des Negevs in der heißesten Zeit des israelischen Sommers. Menschenrechtsorganisationen und Presse sowie auch verschiedene israelische Intellektuelle haben protestiert, darunter berühmte Schriftsteller (Petition in Haaretz, 13.9.2010). Inzwischen wird berichtet, daß die US-Branche der JNF Gelder in die Gründung neuer jüdischer Siedlungen investiert - viele davon, wie Giv'ot Bar, auf Ländern, die Beduinen beanspruchen. Bäume sind ein mächtiges Symbol, sowohl für Araber wie für Juden; sie sind Symbol für Leben und Fruchtbarkeit. Der Negev soll erblühen - aber im Interesse aller seiner Einwohner, ohne Diskriminierung und ohne Enteignung. Es ist kaum unvorstellbar, daß JNF-Spender wissen, daß die Bäume, die in ihrem Namen gepflanzt werden, dazu benutzt werden, um die ursprünglichen BewohnerInnen des Negevs, die Beduinen, zu enteignen.

Wir bitten Sie, gegen die Aufforstungsbestrebungen in Al-Arakib zu protestieren und vom JNF zu verlangen, sein Engagement in der Kampagne gegen die Beduinen zu stoppen, eine Kampagne, die die Beziehungen zwischen Arabern und Juden im Negev zum Eskalieren bringen wird.


Was können Sie tun?

• Schicken Sie Protestbriefe an die KKL in ihrem Land:
(Liste: http://www.kkl.org.il/kkl/english/top_toolbar/kkl_offices/office_addresses/officesaddresses.x) und an die israelische Botschaft.


• Unterschreiben Sie die Petitionen: Amnesty International hat eine Petition lanciert, die sich an die israelische Staatliche Landverwaltung richtet (http://www.amnesty.org/en/appeals-for-action/end-demolition-bedouin- homes-southern-israel); die Jewish Alliance for Change hat eine andere Petition initiiert, die sich an den israelischen Premierminister richtet (http://humanrights.change.org/petitions/view/end_the_destruction_of_bedouin_villages_in_israel)

• Schicken Sie diesen Brief weiter!


Negev Coexistence Forum for Civil Equality
info@dukium.org

Tarabut - Hit'habrut - Arab-Jewish Movement for Social & Political Change
tarabut@gmail.com


*


Quelle:
Pressemitteilung vom 25. November 2010
Koalition israelischer und amerikanischer jüdischer Organisationen
Internet: http://bedouinjewishjustice.blogspot.com/
in einer vom Herausgeber redigierten Übersetzung des Schattenblick aus dem Englischen
inklusive Aktionsbrief vom 15.09.2010
Negev Coexistence Forum for Civil Equality
Tarabut - Hit'habrut - Arab-Jewish Movement for Social & Political Change


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. November 2010