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FRAGEN/009: "Wasser verbindet" - Interview mit UNESCO-Generaldirektorin Irina Bokova (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. März 2013

Entwicklung: 'Wasser verbindet' - Interview mit UNESCO-Generaldirektorin Irina Bokova

von Thalif Deen


Bild: © UN/Mark Garten

Irina Bokova, Generaldirektorin der UNESCO
Bild: © UN/Mark Garten

New York, 19. März (IPS) - Was haben Bildung, Wissenschaft und Kultur mit Wasser zu tun, der endlichen und immer knapper werdenden Ressource? Viel, meinen die Vereinten Nationen. Aus diesem Grund haben sie der Weltkulturorganisation UNESCO die Federführung über die Planung und Organisation der Aktivitäten im Internationalen Jahr der Zusammenarbeit im Wasserbereich 2013 übertragen.

"Wasserkrisen müssen nicht in Wasserkriege münden", meint die UNESCO-Generaldirektorin Irina Bokova im IPS-Gespräch. "Etliche verfeindete Staaten haben Wasserabkommen geschlossen oder sind im Begriff, dies zu tun. Wasser verbindet." Nach Ansicht von Bokova, einer ehemaligen bulgarischen Außenministerin, bietet die Ressource Wasser viele Möglichkeiten der Zusammenarbeit.

Im Internationalen Jahr der Zusammenarbeit im Wasserbereich wollen die Vereinten Nationen ein Schlaglicht auf erfolgreiche Initiativen der Wasserzusammenarbeit werfen und drängenden Fragen im Zusammenhang mit Wasserbildung, Wasserdiplomatie, finanzieller Zusammenarbeit, (inter-)nationalen Verträgen und den Millenniumsentwicklungszielen zur Armutsbekämpfung auf den Grund gehen.

"Wir brauchen eine neue Vision, die soziale Gleichheit, Umweltschutz und eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung als Teil einer Agenda für eine nachhaltigere Welt miteinander in Einklang bringt", sagt Bokova, die erste Frau an der Spitze der UNESCO, die aller Voraussicht nach im Oktober ihre zweite vierjährige Amtszeit antreten wird. "Und Wasser muss Mittelpunkt dieser Vision sein. Wasserdiplomatie ist ein entscheidendes Instrument für eine friedlichere Welt." Es folgen Auszüge aus dem Interview.

IPS: In welchen Bereichen zeigt sich die Zusammenarbeit zwischen und unter den Staaten?

Irina Bokova: Das Mekong-Komitee funktioniert seit 1957. Der Datenaustausch konnte sogar während des Vietnamkriegs aufrecht erhalten werden. Geheime 'Picknick'-Verhandlungen zwischen Israel und Jordanien sind auch nach dem Scheiterns der Johnston-Verhandlungen von 1953 bis 1955 fortgesetzt worden, obwohl die Anrainer des Jordan-Flusses noch bis vor kurzem in Rechtstreitigkeiten verwickelt waren.

Die Indus-Fluss-Kommission hat zwei Kriege zwischen Indien und Pakistan überlebt. Und alle zehn Anrainerstaaten des Nils führen derzeit Gespräche über die Zusammenarbeit bei der Nutzung des Nilwassers.

Es gibt zahlreiche Beispiele, die unter Beweis stellen, dass Grenzgewässer eher eine Quelle der Zusammenarbeit als des Konflikts sind. Zwischen 1820 und 2007 wurden fast 450 Abkommen über internationale Flussgebiete geschlossen. Und in Afrika wurden mehr als 90 internationale Wasserabkommen, die den Umgang mit den gemeinsamen Gewässern regeln sollten, aufgesetzt.

IPS: Haben die UN-Bemühungen um eine Wasserzusammenarbeit eine reelle Zukunft angesichts der Rückschläge, die sich in den Wassernutzungskonflikten zwischen Indien und Pakistan, Israel und Jordanien sowie Palästina und Israel zeigen?

Bokova: Die Vereinten Nationen bieten eine Plattform des Dialogs und der Kommunikation. Sie verfügen über bestimmte Instrumentarien, mit denen jede UN-Organisation auf ihre Weise zu einer Zusammenarbeit beitragen kann.

Die UNESCO nutzt Bildung und Wissenschaft als Werkzeuge, um in Situationen zu intervenieren, in denen eine Zusammenarbeit erforderlich ist. Zwei einzigartige Programme statten die UNESCO-Mitgliedstaaten mit den wissenschaftlichen Grundlagen aus, die für Wassermanagementfragen auf der lokalen, nationalen, regionalen und internationalen Ebene wichtig sind.

Zum ersten haben wir das Internationale Hydrologische Programm (IHP) als das einzige zwischenstaatliche Programm der wissenschaftlichen Zusammenarbeit, das den Mitgliedsländern bei der Verwaltung ihrer Wasserressourcen behilflich ist und das mit Hilfe von Wissenschaft und Bildung auf die Bedürfnisse der jeweiligen Bevölkerung eingeht.

Zum zweiten gibt es das Weltweite Programm zur Abschätzung der Wasservorkommen (WWAP), das wertvolle Daten bereitstellt und die Wasserressourcen des Planten in regelmäßigen Abständen abschätzt. Ohne ein solches WWAP ist es für die jeweiligen Entscheidungsträger schwierig, mit ihren Entscheidungsfindungsprozessen voranzukommen.

IPS: Könnten Sie konkrete Beispiele nennen?

Bokova: Beispiel eins: Das UNESCO-Programm 'Von möglichen Konflikten zum Kooperationspotenzial' (PCCP) ist dem IHP und dem WWAP gleichermaßen angeschlossen. Es fördert den mehrstufigen und interdisziplinären Dialog zur Förderung von Frieden, Zusammenarbeit und Entwicklung durch den Aufbau von Kapazitäten, die notwendig sind, um grenzenübergreifende Wasserressourcen zu bewältigen.

So wurden vor den Hintergrund des bolivianisch-peruanischen Konflikts Vertreter beider Seiten an den wissenschaftlichen Untersuchungen beteiligt. Vorbereitet wurde ein gemeinsames Papier zum Stand des Konflikts und der Zusammenarbeit.

1992 gründeten Bolivien und Peru die Binationale Autonome Titicaca-See-Behörde, die die Bedeutung einer gemeinsamen Verwaltung des Gewässers betont. Das PCCP baut auf dem Wunsch beider Länder nach Zusammenarbeit auf und arbeitet an einer gemeinsamen Vision. Durch eine gemeinschaftliche Fallstudie wird ein Forum für gemeinsames Handeln und eine gemeinsame Managementstrategie geschaffen und gleichzeitig das Wissen über den Titicaca-See vergrößert.

Beispiel zwei: Arabische Länder arbeiten auf der Grundlage verschiedener zwischenstaatlicher Foren beim Management gemeinsamer Wasserressourcen zusammen. Zu diesen Foren gehören der Arabische Rat der Wasserminister, der die Arabische Strategie für Wassersicherheit in der arabischen Region angenommen hat, um die Herausforderungen und künftigen Erfordernisse einer nachhaltigen Entwicklung zu schultern (2010-2030).

Die Strategie verdeutlicht die Bedeutung der regionalen Zusammenarbeit unter den arabischen Staaten, die gemeinsamen Wasserressourcen zu verwalten, die arabischen Wasserrechte zu schützen und den Zugang zu Wasserversorgungs- und Sanitärdiensten zu verbessern.

Auch eine regionale Zusammenarbeit wird angestrebt, um die Verwaltung der Oberflächen- und Grundwasserressourcen in Westasien auf der Grundlage einer gemeinsamen Vision zu verbessern. Die UN-Wirtschafts- und Sozialkommission für Westasien (UNESCWA) ist derzeit mit der Erstellung einer Inventarliste der Oberflächen- und Grundwasserressourcen befasst. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.unesco.org/new/en/natural-sciences/environment/water/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2013