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KONFERENZ/201: Bericht von der 62. Session der Commission on the Status of Women (Frauen*solidarität)


frauen*solidarität - Nr. 144, 2/18

Empowerment of rural women and girls
Bericht von der 62. Session der Commission on the Status of Women

von Julia Rainer, Tania Napravnik, Aleksandra Kolodziejczyk


Die jährlich stattfindende Commission on the Status of Women (CSW) soll zur Gender Equality und zum Empowerment von Frauen beitragen, wobei das technische Ziel der Konferenz die Agreed Conclusions darstellen. Das heißt, dass die Regierungsvertreter*innen der UN-Mitgliedstaaten ein gemeinsames Konferenzabschlussdokument verabschieden.


Die 62. Tagung der Commission on the Status of Women (CSW), die von 12. bis 23. März 2018 in New York abgehalten wurde, hatte das Schwerpunktthema Empowerment of rural women and girls, begleitet vom Review Theme der 47. CSW-Tagung Women and Media. Das Schwerpunktthema wurde in den sogenannten offiziellen Meetings der CSW der 45 UN-Mitgliedstaaten ausverhandelt, das Review Theme fand zusätzlich dazu Einzug in die 280 UN-Side Events und 440 NGO-Parallel Events. Das Besondere an der CSW ist, dass NGO-Vertreter*innen als zentrale Akteur*innen der Konferenz anerkannt sind. Zudem ist sie das einzige zwischenstaatliche Organ der UNO, das sich Frauen*rechten widmet. Insgesamt setzten sich heuer 80 Minister*innen und 4.300 NGO-Vertreter*innen mit den Rechten von Frauen* und Mädchen* im ländlichen Raum auseinander.


Frauenrechtsverteidiger*innen schützen

Die steigende Gewalt gegen Frauenrechtsverteidiger*innen war ein breit diskutiertes Thema bei den NGO-Veranstaltungen während der CSW. "Besonders jene, die sich in den Bereichen Bergbau, Agrarindustrie und erneuerbare Energie für Menschenrechte einsetzen, sind am häufigsten von Gewalt bedroht", so Felogene Anumo vom feministischen Netzwerk AWID(1). 2017 haben die Attacken gegen Menschenrechtsaktivist*innen im Vergleich zum Vorjahr weltweit um 34% zugenommen(2).

Wenn es um die Verteidigung der natürlichen Ressourcen geht, sind es häufig Frauen, die an vorderster Front stehen. Sie sind es auch, die am meisten von der Umweltzerstörung betroffen sind. Neben bindenden Verträgen, um Konzerne für ihre Menschenrechtsverletzungen verantwortlich machen zu können, wurden auf der CSW auch Stimmen für mehr Steuergerechtigkeit erhoben.

"Afrika verliert 50 Mrd. Dollar durch Finanzflüsse", so Crystal Simeoni von FEMNET(3) Davon sind 5% der Korruption, 30% kriminellen Aktivitäten wie Geldwäsche und 65% kommerziellen Aktivitäten zuzurechnen." Würden nur fünf der 50 Mrd. Dollar in Frauen und Mädchen investiert, könnte viel bewegt werden. So könnte der Zugang zu Verhütungsmitteln erweitert und Rechtssysteme gestärkt werden, überlegte Crystal Simeoni. Es sei entscheidend, eine kritische feministische Bewegung aufzubauen, die sich in die Wirtschaft einmischt und in Entscheidungsgremien sitzt.

Zudem wurde auf der CSW über "closing spaces" von Frauenrechtsverteidiger*innen und ihre Handlungsmöglichkeiten diskutiert: Kapazitäten aufbauen, soziale Medien nutzen, wo traditionelle Medien nicht berichten (können), Petitionen starten und Räume wie die CSW zum Austausch nutzen, das waren vorgestellte Strategien, mit denen Aktivist*innen ihren Aktionsradius vergrößern.


Journalist*innen in Konfliktgebieten

Das Review Theme der Konferenz beschäftigte sich mit Frauen* und Medien, ihren Partizipationsmöglichkeiten sowie mit den Herausforderungen, denen sie begegnen. Vor allem die Gefahr, der viele Journalist*innen weltweit bei ihrer Arbeit ausgesetzt sind, war ein viel diskutiertes Thema.

Rula Asad vom Syrian Female Journalist Network berichtete von der Situation in ihrem Heimatland: "Aktivist*innen und Journalist*innen innerhalb Syriens haben sehr eingeschränkten Zugang zu Elektrizität und Internet, besonders in den umkämpften Gebieten. In den zwei Stunden Feuerpause pro Tag müssen manchmal Journalist*innen ihre Kinder in den Unterschlüpfen zurücklassen, um sicherzustellen, dass ihre Berichte über die sozialen Medien an die Außenwelt gelangen können. Sie gehen auch hohe Risiken ein, indem sie ihre Identität öffentlich machen, wenn sie die laufenden Menschenrechtsverletzungen dokumentieren."

Weltweit werden Journalist*innen für ihre Berichte vielfach bedroht, attackiert und ermordet. Frauen* sind jedoch generell bei ihrer Arbeit verstärkt Diskriminierungen und Anfeindungen ausgesetzt. So berichtete Jenni Monet, eine der wenigen US-amerikanischen indigenen Journalist*innen, die über die polizeilichen Ausschreitungen gegen die Dakota Pipeline im Standing Rock Sioux Reservat in North Dakota recherchierte, von persönlichen Attacken gegen ihre Person: "Am ersten Februar wurde ich während meiner Reportage verhaftet, obwohl ich meinen Pressepass vorzeigte, und insgesamt 30 Stunden festgehalten. Fünf davon verbrachte ich in einem Hundezwinger ähnlichen Gebilde in eisiger Kälte. Selbst mein Recht als Gefangene auf einen Telefonanruf wurde mir vom Polizeichef vorerst wiederholt verweigert."


Agreed Conclusions

Insgesamt fand ein reger Austausch der heterogenen Konferenzteilnehmer*innen über die unterschiedlichsten Themenbereiche auf der CSW statt. Die Reibungspunkte hatten weniger mit dem Schwerpunktthema an sich zu tun als eher mit den jährlich wiederkehrenden Themen, wie beispielsweise sexuelle Rechte und Gesundheit, (familiäre) Diversität oder häusliche Gewalt. Die ungelöste Frage, die nach zähen zweiwöchigen Verhandlungen über die letztendlich verabschiedeten Agreed Conclusions dennoch blieb, lautet: Welche Akteur_innen werden die Agreed Conclusions im Anschluss an die Konferenz auf nationaler Ebene implementieren? Anzumerken bleibt, dass wenig progressive Sprache im Zuge der Verhandlungen entwickelt, sondern das bereits zuvor verhandelte Wording verteidigt wurde. Zudem gab es heuer an die 100 Visaablehnungen von eingeladenen Personen aus Ländern des globalen Südens, die bisher höchste registrierte Zahl von Einreiseverweigerungen bei einer CSW. Wichtig war dennoch, dass die Agreed Conclusions heuer verabschiedet werden konnten - insbesondere angesichts der gescheiterten Verhandlungen im Jahr 2012, die ebenfalls ihren Schwerpunkt auf Frauen* im ländlichen Raum gelegt hatten. Zudem konnten einige Punkte, die den Frauen*rechten förderlich sind und mit denen NGOs Druck gegenüber ihren Regierungen aufbauen können, verabschiedet werden, wie z. B. Geburtenregistrierung, Landtitel für Frauen* unabhängig von ihrem Personenstand, Hervorhebung der Notwendigkeit, dass Unternehmen für ihre Menschenrechtsverletzungen Verantwortung übernehmen.


Alle drei Autorinnen waren Teil der staatlichen Delegation Österreichs auf der 62. CSW und haben von der Konferenz berichtet:
www.csw2018blog.wordpress.com


ANMERKUNGEN:

(1) AWID (Association for Women's Rights in Development) ist eine internationale, feministische Organisation mit rund 5.000 Mitgliedern, die sich für Geschlechtergleichheit, nachhaltige Entwicklung und Frauenrechte einsetzt, www.awid.org

(2) www.business-humanrights.org

(3) FEMNET ist ein panafrikanisches feministisches Netzwerk mit 700 Mitgliedern in 46 afrikanischen Staaten, www.femnet.org.

WEBTIPP:
Website zur 62. Session der CSW und den Agreed Conclusions:
www.unwomen.org/en/csw/csw62-2018

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Quelle:
Frauen*solidarität Nr. 144, 2/2018, S. 30-31
Text: © 2018 by Frauensolidarität / Julia Rainer, Tania Napravnik, Aleksandra Kolodziejczyk
Medieninhaberin und Herausgeberin:
Frauensolidarität im C3 - feministisch-entwicklungspolitische Informations- und Bildungsarbeit
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Telefon: 0043-(0)1/317 40 20-0
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http://www.frauensolidaritaet.org
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Oktober 2018

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