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REFORM/024: Dauerthema UN-Sicherheitsratreform - Vollversammlung kommt keinen Schritt voran (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. Oktober 2010

UN: Dauerthema Sicherheitsratreform - Vollversammlung kommt keinen Schritt voran

Von Aprille Muscara


New York, 1. Oktober (IPS) - Seit über 15 Jahren steht die Reform des UN-Sicherheitsrates auf der Agenda der internationalen Gemeinschaft und beschäftigt die Vollversammlung der Weltorganisation. 2010 bildet da keine Ausnahme. In den ersten Tagen der Marathonsitzung brachte über die Hälfte aller Redner das Thema zur Sprache. Dass Reformbedarf besteht, ist kaum umstritten. Die große Frage ist, wie die Refom aussehen soll.

Bislang hat es nur eine einzige Veränderung des Sicherheitsrates gegeben. 1965 wurde die Zahl der Staaten mit einem der für zwei Jahre vergebenen nicht-ständigen Sitze von sechs auf zehn aufgestockt. Dieser Schritt trug der Tatsache Rechnung, dass sich die Zahl der UN-Mitglieder von anfangs 51 auf 117 erhöht hatte.

Heute haben die Vereinten Nationen 192 Mitglieder. Der Sicherheitsrat - das UN-Organ, das über militärische Aktionen, Sanktionen und Friedensoperationen entscheidet - aber umfasst noch immer nur 15 Mitglieder, zehn nicht-ständige und fünf ständige mit Vetoberechtigung, die sogenannten P5: China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA.

Immerhin liegt seit diesem Sommer ein Papier vor, das die unterschiedlichen Reformvorschläge zusammenfasst. "Nach Jahren der endlosen Debatten haben wir endlich eine Diskussionsgrundlage", sagte der afghanische Botschafter bei den UN, Zahir Tanin, im Juni. Er leitete die zwischenstaatliche Gruppe, die das Papier letztendlich zuwege brachte.


Stagnation statt Reform

"Über 15 Jahre der Verhandlungen haben in erster Linie eines gezeigt, dass die UN-Staaten im höchsten Maße zerstritten sind", kommentiert der italienische Außenminister Franco Frattini den Stand der Dinge in der Reformdebatte. Regionale Differenzen und historische Rivalitäten prägen den Frontverlauf.

Thomas Weiss, Leiter des 'Ralph Bunch Institute for International Studies' in New York, beschreibt in einem Gespräch mit IPS, was geschehen müsste, damit die Reform vorankommt: "China müsste sich mit Japan, Pakistan mit Indien und Argentinien mit Brasilien verständigen. Ägypten müsste sich als Teil Afrikas sehen, Nigeria stabil werden, und Frankreich und Großbritannien ihre Profilneurose aufgeben." Dann wäre "nur" noch die Zustimmung aller nationalen Parlamente vonnöten.


Alte und neue Konkurrenten

Zu den großen Lagern in der Reformdiskussion gehört die Gruppe der Vier oder G4. Ihr gehören Brasilien, Deutschland, Indien und Japan an, die für sich einen ständigen Sitz fordern. Diese Gruppe hat die Unterstützung von Frankreich und Großbritannien. Als Herausforderer der G4 tritt der sogenannte 'Coffee Club' auf. Wortführer hier sind Argentinien, Italien, Mexiko, Pakistan und Südkorea. Auch diese Gruppe hat eine ganze Reihe Unterstützer.

Weiter hat die Afrikanische Union Ansprüche angemeldet. Sie verlangt zwei ständige Sitze im Rat - mit Vetorecht - und fünf der nicht-ständigen Sitze. "Es ist inakzeptabel, dass der afrikanische Kontinent fast 30 Prozent aller UN-Mitglieder stellt und über 60 Prozent der Themen auf der Agenda des Sicherheitsrates bestimmt, zurzeit aber keinen ständigen Sitz für sich beanspruchen kann", fasst der mosambikanische Außenminister Oldemiro Marques Balói zusammen.

Zu den neueren Forderungen gehört die unlängst von Kuwait vorgebrachte nach einem ständigen Sitz für einen arabischen oder muslimischen Staat, die von Grenada nach einem Sitz für kleine Inselstaaten und die von Luxemburg nach einem Sitz für kleine Staaten.

"Nicht zu meinen Lebzeiten", sagt Weiss (64) auf die Frage, wann denn eine Reform des Sicherheitsrates Realität werden wird. (Ende/IPS/ hn/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Oktober 2010