UNICEF - Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen - Köln, 21.06.2016
Aktueller UNICEF-Lagebericht zur Situation der Flüchtlingskinder in Deutschland
Geflüchtete Kinder und Jugendliche in Deutschland leben über immer längere Zeiträume in einem nicht kindgerechten Umfeld. Ihre Rechte auf Schutz, Teilhabe, gesundheitliche Versorgung und Bildung werden oft monatelang nur eingeschränkt oder gar nicht gewahrt. Gleichzeitig wächst auch innerhalb der Gruppe der Flüchtlingskinder die Ungleichbehandlung - je nach Herkunftsland und angenommener Bleibeperspektive. Das stellt UNICEF Deutschland in einem heute (21.6.) veröffentlichten "Lagebericht zur Situation der Flüchtlingskinder in Deutschland" fest. UNICEF fordert, das Wohl der Kinder zum Maßstab aller sie betreffenden Entscheidungen zu machen.
"Alle Kinder haben die gleichen Rechte - ganz egal woher sie kommen, welcher Gemeinschaft sie angehören und welchen Aufenthaltsstatus sie haben. Flüchtlingskinder haben oft Angst und brutale Gewalt erfahren. Sie brauchen besonderen Schutz und besondere Fürsorge", sagt Christian Schneider, Geschäftsführer von UNICEF Deutschland.
Schon 2014 hatte UNICEF die starke Benachteiligung von Flüchtlingskindern und Defizite bei der Umsetzung ihrer Rechte in Deutschland festgestellt. Diese Defizite haben sich mit der so genannten "Flüchtlingskrise" nochmals verschärft. Die großen Anstrengungen von Bund, Ländern und Gemeinden und der enorme Einsatz der Zivilgesellschaft sorgen zwar dafür, dass eine Notversorgung sichergestellt ist. Auch ist die Situation je nach Bundesland, Kommune oder Einrichtung verschieden. Trotzdem geben viele Entwicklungen der vergangenen Monate aus Sicht von UNICEF Anlass zur Sorge.
Unterbringung:
Die Zeitspanne, die Kinder und Jugendliche mit ihren Familien in
Not- und Erstaufnahmeeinrichtungen verbringen müssen, hat sich
deutlich verlängert: von ursprünglich maximal drei auf sechs Monate
oder mehr. Dort sind die sanitären Bedingungen und die gesundheitliche
Versorgung einschließlich psychosozialer Hilfe oftmals unzureichend.
Privatsphäre und Rückzugsräume gibt es kaum. Es fehlen vielerorts
Schutzkonzepte und Maßnahmen zur Vorbeugung von Gewalt gegen Frauen
und Kinder, ebenso wie strukturierte Spiel- und Lernangebote.
Integration und Bildung:
Mit der langen Verweildauer in Not- und Erstaufnahmeeinrichtungen
verzögert sich meist auch die Integration der Kinder in Schulen und
Kindergärten. Besonderen Anlass zur Sorge mit Blick auf Kinder geben
die neu geschaffenen "Sondereinrichtungen" für Menschen mit
"schlechter Bleibeperspektive". Erste Erfahrungen mit den bisher in
Betrieb genommenen Einrichtungen zeigen, dass die Kinder weder zur
Schule gehen noch andere strukturierte Bildungsangebote erhalten -
trotz eines Aufenthalts von häufig sechs Monaten oder länger.
Feststellung der Schutzbedürftigkeit:
Besonders schutzbedürftige Personen wie Kinder und Jugendliche, ältere
Menschen, Menschen mit Behinderungen oder schwangere Frauen unter
Geflüchteten werden nicht systematisch identifiziert. Ob und in
welcher Form sie durch geeignete Maßnahmen geschützt und unterstützt
werden, hängt oft vom Engagement Einzelner ab und unterliegt somit dem
Zufall.
Kindeswohl im Asylverfahren:
Schon bisher wurde das Kindeswohl in Asylverfahren nicht ausreichend
berücksichtigt - so ist zum Beispiel die Anhörung von Minderjährigen
über ihre eigenen Fluchtgründe lediglich optional. Die Feststellung
von kinderspezifischen Gründen wie Flucht vor Zwangsrekrutierung,
Kinderarbeit und Frühehen wird hierdurch erschwert. Dieser Umstand
gilt umso mehr für die neu geschaffenen Asyl-Schnellverfahren. Dort
scheint eine gründliche Prüfung des Kindeswohls allein aus
Zeitgründen schwer möglich.
Um Frauen und Kinder in Flüchtlingsunterkünften besser zu schützen und zu unterstützen, haben UNICEF und das Bundesfamilienministerium eine gemeinsame Initiative ins Leben gerufen. Sie wird in enger Zusammenarbeit mit den Wohlfahrtsverbänden und weiteren Partnern umgesetzt. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig besucht heute (21.6.) eine vom DRK betriebene Flüchtlingsunterkunft in Berlin, die eine Piloteinrichtung der Initiative ist.
Der Lagebericht entstand unter Verwendung von Recherchen des Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge e.V.
Er steht zum Download auf www.unicef.de/presse.
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Quelle:
UNICEF - Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen
Pressemitteilung vom 21. Juni 2016
Herausgeber: Deutsches Komitee für UNICEF, Pressestelle
Höninger Weg 104, 50969 Köln
Telefon: 0221/936 50-0, Fax: 0221/93 65 02 79
E-Mail: mail@unicef.de
Internet: www.unicef.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juni 2016
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