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AGRAR/1385: Zahlungsempfänger im Internet (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 324 - Juli/August 2009,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Zahlungsempfänger im Internet
Agrarsubventionen gibt's für alles Mögliche: Von Landwirtschaft bis Kreuzfahrt

Von Martin Hofstetter, Landwirtschaftsexperte Greenpeace


Am 16. Juni wurde auch in Deutschland mit sechswöchiger Verspätung die Internetseite freigeschaltet, auf der die Empfänger von Agrardirektbeihilfen und Exportsubventionen nachzulesen sind. (www.agrar-fischerei-zahlungen.de). Bereits seit Ende 2008 waren dort die Empfänger der sogenannten ELER-Zahlungen, also von Öko- und Extensivierungsbeihilfen, Bergbauernprogramm, Waldwegebau, Dorferneuerung, Erzeugergemeinschaften oder Investitionsbeihilfen veröffentlicht.


Anwenderunfreundliche Internetseite

Die Suchmaske der Internetseite des Landwirtschaftsministeriums ist nicht ganz einfach zu finden, die Suche selber gewöhnungsbedürftig. Doch mit einiger Übung lassen sich interessante Daten über die größten Empfänger von Exportsubventionen oder die Höhe der Direktbeihilfen des Nachbarbauern entlocken. Bezogen auf die Landwirtschaft ergibt sich dabei wenig Überraschendes. Wer viel Fläche bewirtschaftet bekommt auch viel Geld. Und wer in der Vergangenheit in der Kälber- oder Bullenmast im großen Stil aktiv war bekommt zusätzlich erhebliche Top-Ups. Bestes Beispiel: das Gut Klein Wanzleben in Sachsen-Anhalt bewirtschaftet etwas über 2000 Hektar, erhält aber laut Liste 2,6 Mio. Euro. Davon sind rund 1,5 Mio. für die ehemalige Bullenmast. Die Ställe für mehrere tausend Bullen stehen schon lange leer, stattdessen werden dort Schweine gemästet. In NRW erhalten daher die auf Kälbermast und Schlachtung spezialisierten Betriebe von Naturalys (Schils/van Drie) und Brüninghoff mit 1,2 Mio. Euro bzw. 0,9 Mio. Euro die höchsten Direktzahlungen.


Spitzenempfänger

Spitzenempfänger in Deutschland ist die Südzucker mit 2,6 Mio. Euro Direktbeihilfen und 31,7 Mio. Euro Exportsubventionen. Erster Gedanke: Davon könnte so manche Bauernfamilie einen schönen Urlaub machen. Angesichts der Höhe der Flächenprämien an den Südzuckerkonzern fällt es denn auch schwer, das derzeitige EU-Agrarbeihilfensystem Nichtlandwirten verständlich zu machen. Auch die hohen Direktzahlungen an branchenfremde Unternehmen und Agrarkonzerne stoßen leicht auf:

Der Energiekonzern RWE Power AG in Erftstadt erhielt 589.933 Euro an Flächenprämien dafür, dass Ackerflächen, die für den Braunkohletagebau benötigt werden, aufgekauft und von dem Energiekonzern bewirtschaftet werden. Nach Beendigung der Braunkohleförderung werden die Flächen rekultiviert und wieder verkauft.

Auch die Agrarunternehmen KWS in Einbeck (748.013 Euro), BASF (160.037 Euro) und Bayer Industries (130.538 Euro) erhalten ein Vielfaches von dem, was eine normale Bauernfamilie in Deutschland an Unterstützung erhält.


Überraschung bei Exportsubventionen

Spannend auch die Liste der Exportsubventionsempfänger: ganz vorne: Zuckerkonzerne, Molkereien und Fleischhandel, aber auch Süßwarenindustrie (Haribo, Storck, Bahlsen). Besondere skurril: Sowohl Flugzeuge als auch Schiffe, die europäische Binnengewässer verlassen, können nach EU-Recht für Lebensmittel wie Kaffeesahne, Zucker, Eier und Fleisch Subventionen beziehen. So erhält die HMS (Hanseatic Marine Services) aus Hamburg, die unter anderem Kreuzfahrtschiffe mit Lebensmitteln versorgt, 54.086 Euro, die LSG Zollzweckgemeinschaft, ein Tochterunternehmen der Lufthansa, bekam sogar 106.276 Euro für das Catering der Passagiere der Lufthansaflotte.

Das Bekanntwerden solcher Beispiel zeigt nun auch Nichtlandwirten, dass Reformbedarf in der europäischen Agrarpolitik besteht.


Immer noch fehlen Daten

Hinsichtlich der Veröffentlichung gibt es noch einige Wermutstropfen:

1) Die Art der Veröffentlichung liefert kaum Informationen, für welche Maßnahmen im Einzelnen Gelder gezahlt wurden. Die österreichische oder niederländische Internetseite zeigt, wie man es besser machen kann. Durch die undifferenzierte Art der Veröffentlichung in Deutschland ist eine öffentliche Diskussion darüber, ob eine Zahlung sinnvoll ist oder nicht, deutlich erschwert.

2) Das bayerische Landwirtschaftsministerium weigert sich weiterhin, die Empfänger offenzulegen. Dabei sind inzwischen fast alle höheren Verwaltungsgerichte (4 OVGs und das BVG) in Eilverfahren zu dem Schluss gekommen, dass die Veröffentlichung der Empfänger rechtens ist. Der Bundesgerichtshof hat die vom Bauernverband organisierten Klagen nicht mal angenommen und direkt zurückgewiesen. Die EU wird nun ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Bayern eröffnen. Agrarministerin Aigner zeigt inzwischen kaum noch Verständnis für die Haltung Bayerns und droht, sich die Strafgelder aus Bayern zurückzuholen.

3) Noch sind diejenigen Daten nicht veröffentlicht, die von klagenden Betrieben stammen. Daher fehlen auch die Datensätze zahlreicher prominenter DBV-Funktionäre in der Internet-Liste. Laut Recherchen unabhängiger Journalisten stößt man auf der Internetseite auf 21 Empfänger, zu denen keine Informationen, keine Namen, keine Postleitzahlen und keine Orte gegeben werden. Die Zuwendungen an diese Personen oder Firmen würden sich insgesamt auf 16,8 Millionen Euro belaufen.

Das muss man dem Präsidenten der DLG, Carl-Albrecht Bartmer, lassen. Seine Direktzahlung über 366.000 Euro für den Betrieb in Löbnitz kann seit Mitte Juni jeder nachlesen. Dass die Beihilfen für bäuerliche Familienbetriebe aber nur einen Bruchteil davon betragen, sollte Anlass für tiefergehende Diskussionen auch in der Öffentlichkeit sein. Die Datenlage beweist es eindrücklich: Bei der anstehenden Agrarreform, die in dem kommenden Monaten vorbereitet wird, muss der bisherige Verteilungsschlüssel gründlich überarbeitet werden. Die Offenlegung der Zahlungen wird helfen, diese Diskussion in der Öffentlichkeit zu führen.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 324 - Juli/August 2009, S. 3
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. September 2009