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AGRAR/1739: Mehr Land für Biohöfe (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 390 - Juli/August 2015
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Mehr Land für Biohöfe
Alternative Bodenfonds steigen in die Landwirtschaft ein

Von Marcus Nürnberger


Die Nachfrage nach Bioprodukten wächst. Schon heute ist die heimische Produktion nicht in der Lage, die Nachfrage zu decken. Dies liegt auch daran, dass die Zahl der ökologisch wirtschaftenden Betriebe bzw. die ökologisch bewirtschafteten Flächen nur sehr langsam zunimmt.

Dabei gibt es motivierte, gut ausgebildete Menschen, die gerne in der ökologischen Landwirtschaft arbeiten, einen Betrieb übernehmen oder leiten würden. Wenn kein eigener Betrieb von den Eltern übernommen und weitergeführt werden kann, haben Neueinsteiger aufgrund der hohen Anfangsinvestitionen für Betriebsgebäude, Flächen, Maschinen und Tiere nicht selten eine unüberwindbare erste Hürde zu nehmen. Der Einstieg in die aktive selbstständige Landwirtschaft dürfte vielen Interessierten damit unmöglich erscheinen. Nur wer die Anfangsinvestition über eigene Mittel, z. B. in Form eines Erbes, aufbringen kann, bewahrt sich eine Unabhängigkeit, die allerdings durch den Kauf und über Jahrzehnte laufende Bankdarlehen zumindest in Frage gestellt wird.

Gerade in den vergangenen Jahren ist das gesellschaftliche Bewusstsein für eine nachhaltige Landwirtschaft enorm gestiegen. In vielen Regionen Deutschlands gibt es Initiativen und Kooperationen zwischen Bäuerinnen und Bauern auf der einen sowie Bürgerinnen und Bürgern auf der anderen Seite. Eine besonders intensive Form des Zusammenschlusses stellt hierbei sicherlich die Solidarische Landwirtschaft dar.

Eine weitere Form, gesellschaftliches Engagement auf die Höfe bzw. in die Landwirtschaft zu bringen, ist die finanzielle Unterstützung durch den Kauf einzelner Flächen oder ganzer Betriebe. Die BioBoden-Genossenschaft im Dunstkreis der GLS-Bank und die Kulturland-Genossenschaft sind hier zwei Modelle, mit denen versucht wird, das finanzielle Engagement engagierter Bürger zum Erwerb von ökologisch zu bewirtschaftenden Flächen oder Betrieben zu nutzen.

BioBoden-Genossenschaft

Die GLS-Bank ist schon seit vielen Jahren im Bereich der Finanzierung ökologischer Betriebe, auch im nachgelagerten Bereich, aktiv. Mit den Vorläufern, dem Bio-Bodenfonds und der BioBodenGesellschaft, ist die GLS-Bank schon seit längerem im Bereich Boden engagiert. Im Hintergrund stand nach eigener Darstellung immer der Wille, Boden dem Spekulationskreislauf zu entziehen. Während der Bio-Bodenfonds den Einlegern eine Rendite von ein bis zwei Prozent in Aussicht stellte, die über den Pachtzins finanziert wurde, hat die BioBoden-Genossenschaft vorerst als einziges Ziel, kostendeckend zu arbeiten. Wie mit einem in der Zukunft eventuell anfallenden Gewinnen verfahren werden soll, wird dann von den Mitgliedern entschieden. Die Genossenschaft selbst firmiert als landwirtschaftlicher Betrieb. Das ist unter anderem für das Auftreten am Bodenmarkt von Vorteil, weil sie damit gleichberechtigt mit anderen Landwirten Land kaufen darf. Die finanziellen Mittel sollen von Bürgerinnen und Bürgern eingeworben werden, die sich auf diese Weise engagieren wollen. Die Mindestbeteiligung liegt bei 1.000 Euro und ist nach oben offen. Der Wert für den Anleger ist eine sozial-ökologische Rendite, also die Überzeugung, etwas Gutes getan zu haben.

Neben einzelnen Flächen möchte die Genossenschaft auch ganze Höfe bzw. Betriebe kaufen und mit Angestellten bewirtschaften. "Viele junge Landwirte wollen nach ökologischen Kriterien arbeiten", stellt BioBoden-Vorstand Uwe Greff fest, "doch leider fehlt ihnen oft das Geld, einen Hof zu pachten, geschweige denn zu kaufen und dann zu betreiben. Das wollen wir ändern. Gemeinsam mit vielen Menschen und unseren Partnern aus der Naturkostbranche verbinden wir beiden Seiten und sichern so Flächen für die Öko-Landwirtschaft, beziehungsweise bauen sie aus."

Die von der Genossenschaft erworbenen Flächen oder Betriebe sollen Bio-Bauern langfristig zur Verfügung gestellt werden, mit der grundsätzlichen Auflage, sie nach den Grundsätzen eines Öko-Anbauverbandes zu bewirtschaften. Greff hat auf vielen Vorträgen die Erfahrung gemacht, dass viele junge Menschen das Risiko und die lange Bindung scheuen, die ein Kauf bzw. eine Pacht für sie bedeuten. Eine andere Gruppe von Interessierten kommt von Großbetrieben und möchte einen ebensolchen führen, nicht aber kaufen. Für beide Gruppen, so Greff, ist das Angestelltenmodell der BioBoden-Genossenschaft von Vorteil. Wenig konkret werden die Aussagen zur konkreten Umsetzung bzw. zur Entwicklung der Ziele eines neuen Betriebs. Wer bestimmt die Ausrichtung, die Fruchtfolge, den Tierbestand, die Wirtschaftsintensität? Welche Rolle spielen hierbei die angestellten Landwirte? Ist der größte Gewinn gleich der beste Weg? Ökologische Landwirtschaft war in der Vergangenheit immer angetrieben durch die Innovationen von Einzelnen. Bleibt hierfür im Angestelltenverhältnis Platz?

Freier Bauer

Jan Sommer, selbst Landwirt auf einem wieder eingerichteten Hof mit ca. 30 ha östlich von Berlin, sieht dies kritisch. Er beobachtet viele der umliegenden konventionellen und ökologischen Betriebe und stellt fest, dass die Fluktuation der Angestellten bis hin zum Betriebsleiter erheblich ist. Eigenverantwortlich geführte Betriebe schaffen Vielfalt. Nicht nur auf dem Hof selbst, sondern auch im sozialen Umfeld. "Die Verantwortung fühlt sich an manchen Tagen sehr gut an", berichtet Sommer von seinen Erfahrungen, "an anderen drückt sie und ist belastend." Genau dieses Spannungsfeld aber macht für ihn das Leben als Bauer aus. Die Verantwortung an den Geschäftsführer einer Genossenschaft abzugeben, kann er sich nicht vorstellen. Auch spiegelt sich die Eigenverantwortung im sozialen Engagement in den Orten. Den Arbeitsplatz auch als langfristigen Lebensraum zu begreifen, an dem es sich rentiert bzw. man die Notwendigkeit sieht sich einzubringen. "Ein Erntedankfest im Dorf fühlt sich als freier Bauer anders an als als Angestellter", ist sich Sommer sicher.

Nicht selbst bewirtschaften, aber dennoch Flächen sichern, das will auch die Kulturland-Genossenschaft. Vorstand Dr. Titus Bahner erwartet, dass in den kommenden Jahrzehnten viele Äcker verkauft werden, weil diese inzwischen von den Eltern, die sie selbst noch bewirtschafteten, an die Kinder übergegangen sind, die Landwirtschaft zumindest noch aus ihrer Kindheit kennen. Spätestens die nächste Generation jedoch habe die Bindung an die Flächen verloren und sei einem Verkauf gegenüber nicht abgeneigt.

Betroffen sind auch Flächen von Biohöfen, die oftmals finanziell nicht in der Lage seien, die Flächen selbst zu erwerben, aber dennoch auf diese angewiesen sind, so Bahner. Hier sieht Kulturland seine Aufgabe. Ähnlich wie bei der BioBoden-Genossenschaft sollen Bürgerinnen und Bürger Mitglieder werden, mit dem Zweck, Flächen für Biobetriebe zu sichern und diesen langfristig zu verpachten. Angestrebt wird, einen regionalen Bezug zwischen Mitgliedern und den unterstützten Betrieben herzustellen, um auf diese Weise eine über die finanzielle Beteiligung hinausgehende Bindung und damit eine kulturelle Identität zu stiften.

Die Diskussion um die Zukunft der Landwirtschaft und der Wunsch der Verbraucher, bei den Produktionsmethoden mitzureden, spiegeln sich auch in der Frage, wem das Land gehört, auf dem die Lebensmittel angebaut werden. Von Landwirten über Kapitalgesellschaften bis hin zu gesellschaftlich getragenen Genossenschaften gibt es verschiedenste Konstrukte. Es scheint dringend geboten, sich mit der Frage nach dem Zugang zu Boden als Grundlage der Ernährung auseinander zu setzen.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 390 - Juli/August 2015, S. 17
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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(verbilligt auf Antrag 28,40 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. September 2015

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