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AGRAR/1837: Ackerland - Deutsche Gelder global am Werk (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 420 - April 2018
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Deutsche Gelder global am Werk
Komplexe Finanzverschachtelungen sind wichtige Grundlage der weltweiten Jagd nach Ackerland

von Roman Herre, Agrarreferent von FIAN


Weltweit haben sich in den letzten Jahren Agrarkonzerne und Finanzinvestoren riesige Agrarflächen gesichert. Dies geschieht auch in Deutschland, wie die Unabhängige Bauernstimme mehrfach berichtete - viel umfangreicher noch im Globalen Süden. So bezieht zum Beispiel Olam International, laut eigenen Angaben der drittgrößte Agrarkonzern der Welt, seine Agrarprodukte von 9,7 Millionen Hektar Land weltweit - davon unglaubliche 3,3 Millionen Hektar unter eigener Kontrolle. Mit solchen Entwicklungen steigt Landkonzentration in den Händen weniger Akteure zum globalen Phänomen auf. Der Staat Singapur hält über einen Investmentfonds die Mehrheit an Olam. Aber auch nicht genannte private Investoren aus den USA und Europa halten Anteile. Dies deutet exemplarisch auf die komplexen Finanzverschachtelungen hin, die der globalen Jagd nach Ackerland zugrunde liegen. Zwei Fälle, zu denen die Menschenrechtsorganisation FIAN arbeitet, veranschaulichen typische Finanzierungsmechanismen im Bereich Entwicklungsfinanzierung und Pensionsfonds.

Rendite für Entwicklungshilfe

Investmentfonds sind in der Entwicklungspolitik angekommen. Die deutsche Entwicklungsbank KfW erklärt, dass sie Beteiligungen an 39 Investmentfonds mit einem Wert von 1,3 Milliarden Euro hält. Der Agrar-Investmentfonds AATIF (Africa Agriculture and Trade Investment Fund) ist einer davon. Er wurde 2011 vom Entwicklungsministerium BMZ zusammen mit der KfW Entwicklungsbank und der Deutschen Bank in Luxemburg aufgelegt. Durch den dortigen Sitz konnte neben steuerlichen Vorteilen auch eine spezielle Risikostreuung eingebaut werden, die in Deutschland nicht so einfach umsetzbar war. Das so genannte Wasserfallprinzip verlagert finanzielle Risiken auf die öffentlichen Gelder. Private Geldgeber wie die Deutsche Bank können so ruhig schlafen.

Der Fonds, ausgestattet mit 180 Millionen US-Dollar und dem Mandat der Armutsbekämpfung, hat 2011 seinen ersten Kredit über zehn Millionen US-Dollar an den Agrarinvestor Agrivision Africa (damals Chayton Atlas Investments) auf Mauritius vergeben, der wiederum mehrheitlich dem eine Milliarde Euro schweren Agrarinvestor Zeder gehört. Agrivision hat bis heute knapp 20.000 Hektar Land in Sambia aufgekauft, um Getreide und insbesondere Soja anzubauen. Weiterhin profitiert der Investor von seinem Investitionsschutz und -fördervertrag, welcher Exportrechte von bis zu 80 Prozent der Produktion sichert. 2015 verbuchte er einen Gewinn von 1,9 Millionen US-Dollar, also Geld, welches aus Sambia nach Mauritius geflossen ist.

Seit etwa zwei Jahren schwelt bei einer der Farmen ein handfester Landkonflikt um die kleine Ackerfläche rund um das Dorf Ngambwa. Eine Dorfbewohnerin erklärt: "Das Ackerland wurde uns weggenommen. Wir bewirtschaften nichts mehr. Nun ist es schwierig, an Essen zu kommen. Wir wollen das Land bewirtschaften, damit unsere Kinder nicht stehlen gehen." Laut Bezirksvorsteher drängt Agrivision darauf, dass die Gemeinde Ngambwa zwangsumgesiedelt wird, obwohl selbst die UN-Sonderberichterstatterin zum Recht auf Nahrung, Frau Hilal Elver, die Gemeinde besuchte und große Bedenken bezüglich der Einhaltung der Menschenrechte äußerte.

Pensionsgelder auf Shoppingtour

Weltweit wurde die Axt an umlageorganisierte Rentensysteme gelegt. So hat sich ein gewaltiger Finanzmarkt zur Anlage von Pensionsgeldern aufgebaut. Wenigstens 41 Billionen US-Dollar Pensionsgelder sind heute weltweit angelegt. Und auch hier ist Ackerland als Investitionsobjekt in den Blick gerückt. Der US-Investor TIAA hat zwei globale Landfonds ins Leben gerufen und dafür fünf Milliarden US-Dollar von Pensionskassen eingesammelt. Mit 100 Millionen US-Dollar ist die deutsche Ärzteversorgung Westfalen-Lippe dabei. Die Fonds haben mittlerweile Ackerland in den USA, Polen, Australien und mit knapp 300.000 Hektar am meisten in Brasilien aufgekauft. Die dortige Menschenrechtslage ist erschütternd. Allein im Jahr 2017 wurden über 60 BauernsprecherInnen und LandrechtsaktivistInnen ermordet. Die Fonds investiert dort fast ausschließlich in gewaltige Soja- und Zuckerrohrfarmen. Eine internationale Recherchereise führte im Herbst 2017 in eine Gegend, in der der Fonds aktiv ist, die MATOPIBA genannte Region im Nordosten Brasiliens. Dort wurden umfangreiche Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen durch die rasante Expansion des Agribusiness dokumentiert. Gemeindemitglieder im Bezirk Santa Filomena berichten, dass ihnen Land durch mehrere Großfarmen, darunter eine Farm des Investmentfonds, genommen wurde, sie kontinuierlich bedroht werden und durch massive Abholzung und Bewässerung der neuen Megafarmen der Wasserspiegel rapide gesunken ist und die Flüsse immer weniger Wasser führen. Sie berichten: "Seit fünf Jahren sinkt das Grundwasser und die Flüsse trocknen aus." Die Fonds kaufen Land über Mittelsmänner, von denen einer nachweislich in systematische illegale Landtransfers verwickelt ist. Ein Gericht hatte 2016 über 124.000 Hektar illegalen Landbesitzes von Herrn De Carli annulliert. Ein umfangreicher Bericht der FIAN-Recherchereise wird im April veröffentlicht.

Viel zu tun hier in Deutschland

In den letzten drei Jahren hat der oben beschriebene AATIF-Fonds etwa 23 Millionen US-Dollar an Zinsen aus Afrika in Luxemburg eingestrichen. Die Deutsche Bank hat in diesem Zeitraum 5,4 Millionen US-Dollar für das Management des Fonds erhalten - Gewinne durch ihre Anteile am Fonds sind darin noch nicht enthalten. Zahlen für die Pensionsfonds sind nicht erhältlich. Letztendlich werfen die Beispiele ein Schlaglicht auf zwei Tatsachen. Erstens kommt der Finanzwelt und ihren globalen Knotenpunkten (hier Luxemburg, USA, Mauritius und Singapur) eine schnell wachsende und kaum zu überschätzende Rolle bei der globalen Jagd nach Ackerland zu. Zweitens sind bei genauer Betrachtung dabei immer wieder deutsche Gelder beteiligt. Da diese in der zweiten und dritten Reihe von Finanzierungskaskaden stehen, werden sie aber kaum wahrgenommen. Und so finanzieren wir aus Deutschland ein industrielles Agrarmodell, welches bei uns gesellschaftlich kaum noch akzeptiert ist. Das zeigt sich beispielsweise an der seit acht Jahren gut besuchten "Wir haben es satt!" Demonstration in Berlin gegen die Einflüsse der Agrarindustrie.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 420 - April 2018, S. 16
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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(verbilligt auf Antrag 32,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2018

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