Hans-Böckler-Stiftung - 29.04.2016
Einwanderer: Gute Arbeitsmarktintegration von Frauen wichtiger Faktor zur Armutsvermeidung
Aktuelle Auswertung
Erwerbsarbeit ist für Männer und Frauen, die zugewandert sind, eine
wichtige Voraussetzung für wirtschaftliche und soziale Integration. Das
zeigt der Vergleich der Armutsquoten unter Eingewanderten mit und ohne
Job.
Allerdings ist es bislang insbesondere Migrantenhaushalten aus Nordafrika
(Ägypten, Libyen, Tunesien, Algerien, Marokko) und dem Orient (Irak, Iran,
Syrien, Afghanistan, Pakistan) oft nicht gelungen, mit ihrer Erwerbsarbeit
ein Einkommen oberhalb der Armutsschwelle zu erzielen. Neben der Qualität
der Beschäftigung insgesamt ist die Arbeitsmarktintegration der Frauen ein
entscheidender Faktor, um die Situation zu verbessern. Zu diesem Ergebnis
kommt eine aktuelle Analyse des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen
Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.*
Nach den neuesten verfügbaren Zahlen aus dem Mikrozensus, die das WSI
ausgewertet hat, lebten 2014 von den Menschen, die aus den Ländern des
Orients eingewandert waren, 54,8 Prozent in Armut. Unter den
nordafrikanischen Einwanderern waren es 41,1 Prozent und damit ebenfalls
weitaus mehr als in anderen Einwanderergruppen und im Durchschnitt der
Gesamtbevölkerung (15,4 Prozent). Als arm gelten nach gängiger
wissenschaftlicher Definition Haushalte, deren Einkommen weniger als 60
Prozent des bedarfsgewichteten mittleren Einkommens beträgt. Bei einem
Alleinstehenden lag die so definierte Armutsgrenze im Jahre 2014 bei 917
Euro. "Ein Einkommen oberhalb der Armutsgrenze stellt eine wichtige
Voraussetzung für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben dar", sagt
WSI-Sozialexperte Dr. Eric Seils.
Ein Vergleich zwischen Personen mit und ohne Erwerbsarbeit zeigt, dass Erwerbstätigkeit das Armutsrisiko erheblich mindert. So sinkt die Armutsquote erwerbstätiger Einwanderer aus dem Orient und aus Nordafrika auf 32,8 bzw. 22,9 Prozent. Allerdings machen diese Zahlen nach Seils' Analyse auch deutlich, dass Erwerbstätigkeit bei einigen Einwanderergruppen bislang oftmals nicht ausreichte, um die Armut zu überwinden. Dabei gibt es erhebliche Unterschiede je nach Herkunftsregion. So sind von den erwerbstätigen Personen, die aus dem ehemaligen Jugoslawien einwanderten, 15,5 Prozent von Armut betroffen. Bei Zuwanderern aus Russland beträgt die Quote der "Working Poor" 12,3 Prozent. Die Armutsbelastung erwerbstätiger Rumänen liegt mit 10 Prozent relativ nahe am Durchschnitt der Gesamtbevölkerung (7,6 Prozent). "Es reicht also ganz offensichtlich nicht, irgendeinen Job zu finden, um aus der Armut herauszukommen", sagt Seils "Entscheidend", so der Forscher, sei neben dem "Umfang und der Qualität der Erwerbsarbeit" aber auch der "Anteil der Erwerbstätigen an den Haushaltsmitgliedern".
Generell gilt nach der WSI-Analyse: Je höher die Erwerbstätigenquote in einer Bevölkerungsgruppe ist, desto niedriger ist die Armutsquote. So standen im Jahre 2014 über 79 Prozent der Migrantinnen und Migranten aus Rumänien in Beschäftigung, während es bei den Zugewanderten aus Nordafrika nur 55,3 Prozent waren. Das Schlusslicht bildeten hier die Migrantinnen und Migranten aus den Ländern des Orients, von denen nur etwas weniger als die Hälfte (48,6 Prozent) einer Beschäftigung nachging. Als mögliche Gründe für die unterschiedlichen Quoten nennt der Forscher unterschiedliche qualifikatorische Voraussetzungen, aber auch unterschiedliche rechtliche Möglichkeiten von Migranten aus EU- und Nicht-EU-Staaten, Arbeit aufzunehmen. "Herkunftsregionen sind letztlich nur Namen, hinter denen sich rechtliche und individuelle Probleme wie Sprachschwierigkeiten verbergen", so Seils.
Eine differenziertere Analyse zeigt, dass die Unterschiede bei der Erwerbsbeteiligung vor allem auf die Frauen zurückzuführen sind. Während die Erwerbstätigenquote der eingewanderten Rumäninnen 73,6 Prozent erreicht, liegt der entsprechende Wert bei den Frauen aus dem Orient und Nordafrika bei 30,9 bzw. 34,4 Prozent. Unter den erwerbstätigen Frauen aus diesen Regionen sei zudem der Anteil der geringfügigen Beschäftigung weitaus höher als unter den weiblichen Erwerbstätigen insgesamt. Der Forscher hält es daher für absolut notwendig, bei Maßnahmen, die die Arbeitsmarktintegration von Zugewanderten fördern sollen, auch die Qualifizierung von Frauen im Fokus zu haben: "Es kommt darauf an, die Frauen in den Stand zu setzen, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen und damit substanziell zum Haushaltseinkommen beizutragen", sagt Seils. Andernfalls sei eine Fortschreibung der Muster bei Erwerbstätigkeit und Armut zu befürchten.
Weitere Informationen unter:
http://boeckler.de/wsi_64308.htm
- (*) Die Auswertung im WSI-Verteilungsmonitor
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution621
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Hans-Böckler-Stiftung, Rainer Jung, 29.04.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Mai 2016
Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang