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FINANZEN/059: Gesetzentwurf zur Stärkung des Anlegerschutzes (BMF)


Bundesministerium der Finanzen (BMF) - Pressemitteilung Nr. 8 vom 3. März 2010

Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, plant Gesetzentwurf zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes


Die Finanzkrise hat gezeigt, dass dem Vertrauen in die Integrität und Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte große Bedeutung zukommt. Eine unzureichende Beaufsichtigung und Regulierung auf den Finanzmärkten und mangelnde Transparenz untergraben das für die Leistungsfähigkeit von Finanzmärkten erforderliche Vertrauen.

Vor diesem Hintergrund wird das Bundesministerium der Finanzen (BMF) einen Gesetzentwurf zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes erstellen. Ziel ist es, die bestehenden Vorschriften zu ergänzen, um den Privatanlegern bessere Informationen zu ermöglichen und Aufsicht, Unternehmen und professionellen Marktteilnehmern ein zutreffendes Bild über das Marktgeschehen zu vermitteln. Weiterhin sollen Risiken aus spekulativen Geschäften verringert werden.

Für den Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, ist das geplante Gesetzesvorhaben "eine wichtige und notwendige Ergänzung der internationalen Bemühungen für eine umfassende Regulierung der Finanzmärkte. Die Bundesregierung nutzt jede Möglichkeit, auch mit nationale Maßnahmen mehr Transparenz und einen besseren Schutz der Anleger zu erreichen."

Das BMF wird noch im April einen Diskussionsentwurf des geplanten Gesetzes vorstellen. Der Regierungsentwurf soll im Sommer 2010 vom Kabinett verabschiedet werden.

Der Entwurf wird folgende Eckpunkte umfassen:

- Strengere Anlegerschutzbestimmungen im Grauen Kapitalmarkt sowie zusätzliche Anforderungen an und Sanktionen gegen Finanzdienstleistungsinstitute zur Vermeidung von Falschberatung,
- Verbot ungedeckter Leerverkäufe und Einführung von Transparenzvorschriften für gedeckte Leerverkaufspositionen,
- zusätzliche Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten für Finanzinstrumente, die lediglich einen Zahlungsausgleich vorsehen, um das unbemerkte "Anschleichen" an Unternehmen zu verhindern und
- Einführung einer Mindesthaltefrist für offene Immobilienfonds sowie Liquiditätsanforderungen, die sich an der Dauer der Kündigungsfrist orientieren; zusätzlich Einführung eines geordneten Abwicklungsverfahrens für längerfristig ausgesetzte Immobilienfonds.

IM EINZELNEN

I. Anlegerschutz

Anknüpfend an den Koalitionsvertrag, der einen besseren Schutz der Verbraucher vor vermeidbaren Verlusten und falscher Finanzberatung vorsieht, plant das Bundesministerium der Finanzen folgende Regelungen im Bereich Anlegerschutz:

1. Verschärfung der Anforderungen an die Beratung und Vermittlung beim Vertrieb von Produkten des Grauen Kapitalmarktes

Institute sollen künftig auch bei der Beratung und Vermittlung von Produkten des Grauen Kapitalmarktes die Anforderungen des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) einhalten (u.a. anlegergerechte Beratung, Führen eines Beratungsprotokolls, Offenlegung von Provisionen). Hierzu wird der Anwendungsbereich des WpHG auf den Vertrieb von Produkten des Grauen Kapitalmarktes ausgedehnt. Insbesondere werden Anteile an geschlossenen Fonds künftig als Finanzinstrumente im Sinne des WpHG eingeordnet. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass Anteile an geschlossenen Fonds komplexe Produkte mit einer in der Regel langen Laufzeit und nur begrenzter Fungibilität sind. Daher sollen die Schutzvorschriften des WpHG bei einer Anlageentscheidung für Anteile an geschlossenen Fonds greifen.

2. Erhöhung der Anforderungen an Prospekte für Produkte des Grauen Kapitalmarktes

Prospekte von Graumarktanlagen sollen in Zukunft detailliertere Informationen enthalten. Vorgesehen sind hier Angaben (etwa Insolvenzen), die eine bessere Beurteilung der Seriosität der Initiatoren ermöglichen sollen. Zudem sollen die Prospekte von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) intensiver (d.h. auch auf Kohärenz) geprüft werden können. Bislang erfolgt nur eine Prüfung auf Vollständigkeit.

3. Schaffung neuer Ordnungswidrigkeitentatbestände im WpHG

Die BaFin soll in Zukunft auch bei Falschberatung oder der fehlenden Offenlegung von Provisionen durch die Institute Bußgelder verhängen können. Entsprechende Normen sollen in den Bußgeldkatalog des WpHG eingefügt werden. Dies soll einen Beitrag zu einer Disziplinierung der Institute und damit zu einer Vermeidung von Falschberatung leisten.

4. Einführung eines Registrierungs- und Sanktionsregimes im Bereich der Anlageberatung

Anlageberater und Personen, die in den Instituten Einfluss auf Vertriebsvorgaben nehmen, sollen künftig durch die Institute bei der BaFin registriert werden. Treten im Rahmen der Auf­sichtstätigkeit der BaFin Defizite hinsichtlich der Einhaltung der Vorgaben des WpHG bei diesen Personen auf, so soll die BaFin künftig in der Lage sein, Sanktionen auszusprechen. Bei wiederholten und nachhaltigen Verstößen soll die BaFin dem Institut aufgeben können, die Personen für einen begrenzten Zeitraum nicht mehr im Zusammenhang mit der Anlageberatung einsetzen zu dürfen.

Im Übrigen sollen im Rahmen der Registrierung im Einklang mit den Vorgaben des Koalitionsvertrages auch Angaben zur Qualifikation und Weiterbildung der Berater eingereicht werden. Hiermit soll darauf hingewirkt werden, dass die für die Altersvorsorge und Kapitalbildung breiter Bevölkerungskreise bedeutende Anlageberatung nur durch angemessen qualifizierte Berater vorgenommen wird.

II. Leerverkäufe

Um den mit Leerverkäufen verbundenen Risiken für die Stabilität und Integrität des Finanzmarktes effektiver entgegen zu wirken, werden ungedeckte Leerkäufe künftig gesetzlich untersagt.

Zudem werden gesetzliche Transparenzvorschriften geschaffen, die sich auf alle an einem regulierten Markt gehandelten Aktien erstrecken und ein elektronisches Mitteilungs- und Veröffentlichungssystem einschließlich der sicheren Identifikation des Meldepflichtigen vorsehen. Die Durchsetzung der Meldepflichten soll durch effektive Sanktionsmechanismen sichergestellt werden.

III. "Anschleichen" an Unternehmen

Die Nutzung nicht meldepflichtiger Finanzinstrumente ermöglichte in der Vergangenheit in konkreten Fällen bislang ein "Anschleichen" an Unternehmen, bspw. bei Übernahmetransaktionen. Durch Nutzung dieser Instrumente konnte es zudem zu einer Verringerung der Liquidität an den Börsen und dadurch zu erheblichen Marktverwerfungen kommen.

Um zu vermeiden, dass weiterhin in intransparenter Weise große Stimmrechtspositionen aufgebaut werden können, ohne dass die BaFin noch der Markt oder Emittenten darüber frühzeitig in Kenntnis gesetzt werden, sollen die wertpapierhandelsrechtlichen Meldepflichten erweitert werden.

Zur Verbesserung der Kapitalmarkttransparenz sollen in das WpHG neue Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten für auf Zahlungsausgleich gerichtete Finanzinstrumente sowie Geschäfte mit ähnlicher Wirkung (z.B. Wertpapierleihgeschäfte) eingefügt werden.

IV. Offene Immobilien-Sondervermögen

Offene Immobilien-Sondervermögen investieren in langfristig orientierte Immobilienanlagen. Nach der aktuellen Ausgestaltung der Vertragsbedingungen haben sich die Fonds gegenüber dem Anleger verpflichtet, sehr kurzfristig, nämlich börsentäglich, Rücknahmeverlangen zu bedienen. Die bei der letzten Novelle eingeführte Möglichkeit, davon abzuweichen, ist von der Branche in der Praxis leider nicht genutzt worden. Bedingt durch diese Fristeninkongruenz konnten viele Fonds in der Vergangenheit zum wiederholten Mal die gegenüber dem Anleger eingegangenen Rückgabeverpflichtungen nicht erfüllen.


Künftig soll für alle Anleger eine zweijährige Mindesthaltefrist gelten, ergänzt durch Kündigungsfristen, die nach Wahl der Kapitalanlagegesellschaft zwischen sechs und 24 Monaten angesetzt werden können. Je kürzer die Kündigungsfristen sind, desto mehr Liquidität ist demnächst vorzuhalten. Dies dient dem Schutz gerade der Privatanleger, denen schon beim Erwerb einer solchen Beteiligung bewusst wird, dass eine Investition in Immobilien langfristig angelegt sein muss, damit sich die Kosten des Immobilienerwerbs und die Fondskosten durch eine positive Wertentwicklung des Fonds amortisieren können.

Fonds mit längeren Kündigungsfristen können durch weniger Liquidität mehr Rendite durch Immobilieninvestitionen erzielen.

Durch diese Maßnahmen soll im Interesse der Anleger und der Integrität der Immobilienmärkte ein nachhaltiges Offenhalten der Fonds sichergestellt werden. Wenn jedoch Fonds wegen ihres Immobilienbestandes und Vertriebsnetzes keine Aussicht auf eine nachhaltige Wiedereröffnung haben, bedarf es einer Verbesserung des Verfahrens zur geordneten Abwicklung solcher Fonds.


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Quelle:
BMF-Pressemitteilung Nr. 8 vom 03.03.2010
Herausgegeben vom Referat K (Kommunikation) des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. März 2010