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FINANZEN/092: Finanzmarktregulierung - Wie geht's voran? (BMF)


Bundesministerium der Finanzen (BMF) - Newsletter vom 29. Juli 2010

Finanzmarktregulierung: Wie geht's voran?
Überblick über die Maßnahmen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene


Die Finanzkrise hat tiefe Spuren im Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger hinterlassen. Für die Bundesregierung ist klar: Die Finanzmärkte brauchen wieder einen festen Rahmen. Die Krise war auch das Ergebnis eines weltweiten Wettbewerbs der Deregulierung der Finanzmärkte. Die Lehre aus dieser Krise ist, dass der Primat der Politik wieder Vorfahrt haben muss. Das erklärte Ziel der Regierungen insbesondere aus den Industrie- und Schwellenländern mit den größten Finanzplätzen ist, dass kein Akteur, kein Produkt und kein Markt künftig ohne Regulierung sein darf. Das Leitbild dieser Bundesregierung ist die Soziale Marktwirtschaft . Sie bildet das Fundament bei der Erarbeitung eines umfassenden Konzeptes einer Finanzmarktregulierung.

Viel getan - viel zu tun

Einigen mag es jedoch erscheinen, als ginge es zu langsam mit den Reformen voran. Die zahlreichen Maßnahmen und politischen Handlungsebenen erschweren den Überblick. Was kann ein Staat alleine leisten? Welche Regulierungen sind nur international durchzusetzen und weltweit wirksam? Fest steht, dass man den Problemen der globalen Finanzmärkte nur mit international abgestimmten Maßnahmen begegnen kann - und die politischen Prozesse sich international teilweise lange hinzuziehen scheinen. Doch man ist auf gutem Weg: Viel wurde bereits erreicht. Was auf europäischer Ebene und in Deutschland schon umgesetzt wurde, kann sich auch im Vergleich mit der Finanzmarktreform der USA, die stark in den Medien hervorgehoben wurde, mehr als sehen lassen.

Was hat Deutschland erreicht?

• Transparentere Rating-Agenturen:
Bewertungsprozesse sollen transparenter, Interessenkonflikte innerhalb von Rating-Agenturen künftig vermieden werden. Die Bundesregierung hat dazu im Mai 2010 mit dem Ausführungsgesetz zur EU-Ratingverordnung die notwendigen Voraussetzungen geschaffen.

• Rahmen für Vergütungssysteme:
Die Vergütungspolitik von Banken und Versicherungen darf nicht die Stabilität der Institute und des Finanzsystems gefährden. Gehaltsexzesse hatten die Risiken in den Instituten erhöht, dem wird jetzt ein Riegel vorgeschoben. Die Banken und Versicherungen sind nunmehr verpflichtet, angemessene, transparente und auf eine nachhaltige Entwicklung ausgerichtete Vergütungssysteme einzuführen. Außerdem ist die Bankenaufsicht ermächtigt, die Auszahlung variabler Vergütungsbestandteile in bestimmten Fällen zu untersagen.

• Verbot von Leerverkäufen:
Der deutsche Gesetzgeber hat im Frühjahr bewiesen, dass er auch kurzfristig handlungsfähig ist: Er hat ungedeckte Leerverkäufe von deutschen Aktien generell verboten. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat neue Rechte bekommen, in Krisensituationen weitere Geschäfte mit Derivaten zu untersagen. Deutschland ist mit diesem scharfen Schwert gegen gefährliche Produkte, die Marktverwerfungen verursachen oder verstärken können, international ein Vorreiter.

• Regulierung von Verbriefungen:
Deutschland will auch bei der Regulierung von Verbriefungen als Vorbild dienen. Eine Bank darf nur dann in Verbriefungen investieren, wenn das Unternehmen, welches eine Verbriefungstransaktion aufgesetzt hat, selbst mindestens zehn Prozent der verbrieften Risiken zurückbehält. Dieser Selbstbehalt sorgt für einen verantwortungsvollen Umgang der Risiken aus den Verbriefungsgeschäften. Die Bundesregierung wird sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass die anderen Mitgliedstaaten Deutschland folgen und den Selbstbehalt von fünf auf zehn Prozent anheben.

• Klares Sanierungs- und Insolvenzverfahren für Banken:
Die Bundesregierung wird in Kürze einen Gesetzentwurf zur Einführung eines besonderen Reorganisationsverfahrens sowie geeigneter aufsichtrechtlicher Instrumente zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Banken vorlegen. Die Bankenaufsicht bekommt danach ein stärkeres Eingriffsrecht, wenn Banken in einer Krisensituation sind. Geschäftsbereiche von Banken, die systemrelevant sind, also starke Auswirkungen auf die Stabilität des Finanzsystems haben, sollen künftig auf eine "Brückenbank" übertragen werden können. Zur Stabilisierung des Finanzmarktes wird ein Restrukturierungsfonds mit Mitteln für die Finanzierung der Restrukturierungsmaßnahmen errichtet.

• Sonderabgabe für deutsche Banken:
Der Restrukturierungsfonds soll durch Beiträge der Kreditwirtschaft gespeist werden Dazu sollen alle Kreditinstitute in Deutschland eine Sonderabgabe leisten. Diese soll im Übrigen eine Lenkungswirkung zur Reduzierung systemischer Risiken entfalten. Der Restrukturierungsfonds wird die Mittel verwalten und bei Schieflage einzelner Banken einsetzen.

• Gestärkter Anlegerschutz:
Voraussichtlich im dritten Quartal wird die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf vorlegen, der Anleger besser schützen und den Kapitalmarkt funktionsfähiger machen soll. Unter anderem soll unerkanntes "Anschleichen" an Unternehmen im Zuge feindlicher Übernahmen verhindert werden. Anlageberater sollen künftig eine angemessene Qualifikation nachweisen und registriert werden. Im Graumarktbereich sollen künftig strengere Anforderungen bei Inhalt und Prüfung von Verkaufsprospekten gelten.

• Zukunftssichere offene Immobilienfonds:
Ein häufig diskutierter Teil des erwähnten Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts sind offene Immobilienfonds, die in den vergangenen Jahren vermehrt in die Krise geraten sind und geschlossen wurden. Das Ziel der Bundesregierung ist, dieses bewährte deutsche Anlageprodukt zukunftssicher zu gestalten.

Was tut sich in Europa?

• Einlagensicherung von Banken ausbauen und harmonisieren:
Das Geld, das Kunden insgesamt als Einlagen bei Banken haben, ist im Falle einer Insolvenz des Instituts innerhalb der EU bisher mindestens bis zu einem Betrag von 50.000 Euro geschützt. Ab 2011 wird innerhalb der EU bereits eine dauerhafte Deckungssumme von 100.000 Euro gesetzlich verankert sein. Auch die Auszahlungsfrist von Sparguthaben soll deutlich verkürzt werden. Bisher kann sie maximal 20 Arbeitstage betragen, künftig plant die EU-Kommission eine Verkürzung auf 7 Tage.

• Finanzaufsicht in Europa stärken:
Zum einen soll ein Europäischer Ausschuss für Systemrisiken geschaffen werden, der die Stabilität des gesamten Finanzsystems in der EU überwacht. Er soll systemische Risiken analysieren, frühzeitig vor ihnen warnen und Empfehlungen zu ihrer Beseitigung aussprechen. Zum anderen soll für die bessere Koordination und Kooperation der Aufseher sowie zur Sicherstellung eines einheitlichen Aufsichtshandelns in Europa ein Europäisches Finanzaufsichtssystem geschaffen werden, also ein Netzwerk, indem die nationalen Aufsichtsbehörden mit drei neuen europäischen Finanzaufsichtsbehörden im Banken-, Versicherungs- und Wertpapiersektor in Tandem zusammenarbeiten sollen.

• Zulassungskriterien v.a. für Hedge-Fonds-Manager:
Manager alternativer Investmentfonds, darunter fallen u.a. Hedge-Fonds und Private Equity-Fonds, müssen künftig Zulassungskriterien erfüllen und werden fortlaufend beaufsichtigt. Das Europäische Parlament wird voraussichtlich im September 2010 über den europäischen Regelungsrahmen abstimmen.

• Eigenkapitalbestimmungen und Risikomanagement:
Die Krise hat Schwächen aufgedeckt, die von der Eigenkapitalrichtlinie III - CRD III beseitigt werden sollen. Die Eigenkapitalanforderungen für risikoträchtige Handelsgeschäfte und für komplexe Verbriefungstransaktionen werden angehoben. Die Banken müssen die neuen Anforderungen spätestens ab Ende des Jahres 2011 erfüllen.

• Derivatemärkte verändern:
Im Herbst 2010 soll ein Legislativvorschlag vorgestellt werden, der die Derivatemärkte auf europäischer Ebene funktionstüchtiger machen soll. Unter anderem soll es eine Verpflichtung geben, dass standardisierte Derivate über zentrale Clearingstellen abgewickelt werden müssen. Eine ähnliche Stoßrichtung weist die europäische Initiative zu Leerverkäufen auf.

Welche Vorhaben laufen international?

Der Weltfinanzgipfel im November in Südkorea soll Empfehlungen verabschieden, die Banken unter anderem neue Standards zur Hinterlegung von Eigenkapital, Liquidität und Verschuldungsquoten auferlegen sollen (Basel III-Regelungen). Außerdem wird derzeit an neuen, weltweit einheitlichen Bilanzierungsstandards gearbeitet.

Was will die Bundesregierung auf nationaler und internationaler Ebene vorantreiben?

• Finanztransaktionssteuer in Europa einführen:
Die Bundesregierung hält eine Beteiligung des Finanzsektors an den Kosten der Krise für erforderlich. Die Bundesregierung will auf europäischer Ebene aktiv für die Einführung einer Finanzmarkttransaktionssteuer werben. Bundesfinanzminister Schäuble und seine französische Kollegin Finanzministerin Christine Lagarde haben sich zu diesem Zweck bereits in einem gemeinsamen Brief an die belgische Ratspräsidentschaft und nachrichtlich an die Europäische Kommission gewandt. Das Thema soll bereits im September 2010 Besprechungsgegenstand eines von der Ratspräsidentschaft anberaumten Sonder-ECOFIN sein.


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Quelle:
BMF-Newsletter vom 30.07.2010
Herausgegeben vom Referat K (Kommunikation) des
Bundesministeriums der Finanzen (BMF)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. August 2010