Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → WIRTSCHAFT


FRAGEN/031: Maria Heubuch - "Ein Hektar Grünland für 50.000 Euro" (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 408 - März 2017
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

"Ein Hektar Grünland für 50.000 Euro"

Interview von Marcus Nürnberger mit der grünen Europaabgeordneten Maria Heubuch zu Landkonzentration in Europa


Unabhängige Bauernstimme: Der Agrarausschuss des Europäischen Parlaments verhandelt derzeit über einen Bericht zum "Aktuellen Stand der Konzentration von Agrarland in der EU: Wie kann Landwirten der Zugang zu Land erleichtert werden?" Wie kam es dazu?

Maria Heubuch: In vielen ehemals realsozialistischen Staaten, auch in Ostdeutschland, wurde nach 1989 staatlich kontrolliertes Land an seine früheren Eigentümer zurückgegeben oder neu verteilt. Dabei wurden viele Fehler gemacht. Es gab kaum gezielte Programme zum Aufbau und Erhalt bäuerlicher Betriebe und ländlicher Infrastruktur. Die europäische Agrarpolitik setzte in diesen Regionen von Anfang an auf den Strukturwandel, der seit 50 Jahren in der alten EU verfolgt wird. Doch viele der Erben hatten mit Landwirtschaft und oft auch den Dörfern ihrer Vorfahren nichts mehr am Hut. Das Resultat waren oft riesengroße Betriebe, die kleine Felder von vielen verschiedenen Eigentümern pachten oder kaufen, aber kaum Arbeitsplätze schaffen. Die Gewinne fließen häufig an internationale Investoren und Holdings. Entsprechend trostlos ist die Situation in den Dörfern. Dazu kommt die aktuelle Finanzlage: Das Geld ist billig, die Zinsen historisch niedrig. Land gilt in Zeiten von Klimawandel, Bioökonomie und steigender Lebensmittelnachfrage als sichere Anlage. Das heizt die Spekulation an. Die Landpreise sind deshalb in vielen EU-Ländern explodiert. In Deutschland haben sie sich in den letzten zehn Jahren glatt verdoppelt. Auch in der alten EU wird der Zugang zu Land für Neueinsteiger und bestehende bäuerliche Betriebe immer schwieriger. Die Agrarpolitik der EU fördert die Konzentration durch pauschale Hektarzahlungen, aber auch durch komplizierte Antragssysteme in der zweiten Säule. 20 % der Betriebe bekommen 84 % der GAP-Gelder. In Wahrheit ist die Verteilung noch ungerechter, weil viele große Betriebe von wenigen Holdings kontrolliert werden. Die Statistiken verschleiern das. Es ist also höchste Zeit, dass sich das Europäische Parlament dieses Themas annimmt.

Die EU hat ja wahrlich genug Probleme. Soll sie sich nun auch noch in die Landfrage einmischen, die ja in die Hoheit der Mitgliedsländer fällt?

Das Problem ist, dass wir in Europa einen gemeinsamen Agrarmarkt haben, aber uneinheitliche Landgesetze. Doch keine Fraktion fordert neue Kompetenzen für die EU. Sie sollte aber prüfen, welche ihrer Politiken, vor allem die GAP, aber auch Energie, Umwelt, Mobilität und Finanzen, die Landkonzentration verschärfen. Sie muss dringend für Transparenz und eine bessere Datenlage sorgen. Und sie sollte Empfehlungen zum sorgsamen und fairen Umgang mit unser aller Ernährungsgrundlage aussprechen. Dazu gibt es auch Leitlinien der UNO, deren Umsetzung die EU-Kommission innerhalb der EU regelmäßig überprüfen sollte.

Deutschland hat eine sehr unterschiedliche Landwirtschaftsstruktur. In den östlichen Bundesländern ist die Flächenkonzentration der ehemaligen LPGen auch nach der Auflösung der DDR weitgehend erhalten geblieben. In den westlichen Bundesländern sind die Strukturen wesentlich kleiner und die Flächen gehören vielen Privatpersonen. Welche aktuellen Veränderungen nehmen Sie wahr?

In der ehemaligen DDR nimmt die Landkonzentration weiter zu, die Struktur erinnert an den Feudalismus. Einige haben sich dabei in den letzten Jahren auch mit Hilfe der EWG buchstäblich eine goldene Nase verdient. Wenn die jetzt altersbedingt verkaufen, kann kein Landwirt die Millionen, die da aufgerufen sind, bezahlen. Das geht alles an Holdings wie die pleitegegangene KTG Agrar, Lindhorst, Steinhoff, aber auch z. B. die Münchner Rückversicherung. In Ost wie West hält der Höhenflug der Bodenpreise unvermindert an. Bei mir im Allgäu geht schon mal ein Hektar Grünland für 50.000 Euro über den Tisch. 50.000 Euro! Das ist durch eine normale Bewirtschaftung in zwei Generationen nicht abzubezahlen.

Wie könnte eine voranschleichende Landkonzentration zugunsten außerlandwirtschaftlicher Investoren zukünftig verhindert werden?

Das wichtigste ist erst die Umsetzung und dann die Reform der Grundstück- und Pachtverkehrsgesetze in den Ländern. Wenn Land über Anteilskäufe die Hände wechselt, weil z. B. eine GmbH oder Aktiengesellschaft verkauft wird, gibt es derzeit praktisch keine Kontrolle. Deshalb: Investoren und Holdings dürfen nicht länger an den Kreisausschüssen und obendrein auch noch an der Steuer vorbei Flächen an- und verkaufen. Falls sich diese Gesetzeslücke nicht schließen lässt, sollten diese Gesellschaften vom Grunderwerb ausgeschlossen werden. Die Boden- und Pachtpreise müssen sich am Ertrag und nicht an Spekulationserwägungen orientieren. In Frankreich wird das bereits seit langem praktiziert. Da sind die Preise nicht explodiert. Und Frankreich geht auch bei Anteilskäufen voran und hat soeben ein neues Gesetz erlassen. Boden ist keine Ware wie jede andere und muss deshalb besonders geschützt werden. Dazu gehört auch, EU-Subventionen pro Hektar bei einer Obergrenze zu kappen und die Umverteilung auf die ersten Hektar, die ja jetzt schon möglich ist, voll umzusetzen.

Sie fordern, dass jungen Bäuerinnen und Bauern der Zugang zu Land ermöglicht werden muss. Welche konkreten Schritte in Bezug auf die Landverpachtung und den Verkauf fordern Sie?

Landgesellschaften sollten gezielt ihr Vorkaufsrecht, auch über längere Zeit als bisher, ausüben, um Existenzgründer und kleine und mittlere bäuerliche Betriebe mit Land zu versorgen. Dafür brauchen sie eine ausreichende finanzielle Ausstattung und keine steuerliche Doppelbelastung. Auch privat organisierte, gemeinwirtschaftliche Formen des Landerwerbs zwecks Verpachtung an Neueinsteiger und Landwirte sind eine Möglichkeit. Wir brauchen auch mehr Beratung und Unterstützung für Hofabgeber und Hofgründer, um die Überalterung aufzuhalten. Aber all das kann natürlich nur dann helfen, wenn Landwirtschaft sich lohnt und für die Jungen eine echte Perspektive bietet.

Vielen Dank für das Gespräch!


Maria Heubuch, MdEP für die Grünen und Milchbäuerin im Allgäu

*

Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 408 - März 2017, S. 17
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/490 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de
 
Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,45 Euro
Abonnementpreis: 41,40 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 30,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. März 2017

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang