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INTERNATIONAL/036: Indien - Harte Zeiten für Kaschmir, IT-Sektor völlig unterentwickelt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Juli 2011

Indien: Harte Zeiten für Kaschmir - IT-Sektor völlig unterentwickelt

Von Sana Altaf


Srinagar, 6. Juli (IPS) - Indien ist bekannt als Land der Computerspezialisten. Doch der indische Teil Kaschmirs im äußersten Norden des Subkontinents hinkt der Entwicklung weit hinterher. Obwohl das Internet und Mobiltelefone in Kaschmir inzwischen verbreitet sind, sucht man größere IT-Unternehmen hier vergebens.

Dabei sind sich alle längst einig, dass der Ausbau der Informationstechnologie die hohe Arbeitslosigkeit im Kaschmir-Tal senken würde. Zudem könnte die Abwanderung gut ausgebildeter junger Leute, die im IT-Bereich arbeiten wollen, verhindert werden. Tausende Kaschmirer haben bereits in anderen Teilen Indiens Jobs in der Computerbranche gefunden.

An sich ist Indien eines der technologisch am weitesten entwickelten Länder der Erde. Mehr als 2,5 Millionen Inder arbeiten in der IT-Branche, in der rund fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts und der Exporteinnahmen des Staates erwirtschaftet werden. Die Auslagerungsindustrie wird Prognosen zufolge spätestens 2020 die Schwelle von 225 Milliarden US-Dollar überschritten haben.

Kaschmir kommt in diesen Statistiken allerdings nicht vor. Das Fehlen von Computerfirmen werde als große Lücke empfunden, sagt der Vorsitzende der Industrie- und Handelskammer von Kaschmir, Nazir A. Dar, im Gespräch mit IPS.

Khurram Farooq gehört zu den IT-Experten, die ihre Heimat verlassen mussten. Inzwischen arbeitet er in einer Firma in der südindischen Stadt Bangalore. Hätte er einen entsprechenden Job in Kaschmir gefunden, wäre er nie von dort weggezogen, betont er.


Kaum passende Jobs für IT-Ingenieure in Kaschmir

Die angehende IT-Ingenieurin Sarah Ahmad sorgt sich um ihre berufliche Zukunft. "Ich hatte Glück in Kaschmir zum Ingenieurstudium zugelassen worden zu sein", sagt sie. "Wo ich jetzt einen Job finden soll, weiß ich aber nicht. Ich möchte Kaschmir und meine Familie nicht verlassen."

Ahmad wirft den lokalen Behörden vor, durch die Vernachlässigung der IT-Industrie jungen Leuten Karrierechancen zu nehmen. In der Region gebe es viele talentierte Berufsanfänger, meint sie. Der Regierung scheine ihre Zukunft aber nicht wichtig zu sein.

Auch die Ausbildungsmöglichkeiten sind im Kaschmir-Tal sehr begrenzt. Zukünftige Ingenieure besuchen entweder das Nationale Institut für Technologie (NIT) oder die entsprechende Abteilung an der privaten Managementschule von Srinagar (SSM). Dort kann man allerdings keinen akademischen Abschluss wie an einer staatlichen Universität erwerben. Studenten, die an der NIT nicht angenommen werden, müssen ihr Glück in einem anderen Bundesstaat versuchen.

Der Direktor von SSM, N. A. Shah, sorgt sich um die jungen Leute aus armen Gesellschaftsschichten, die sich ein Studium fern der Heimat nicht leisten können. "Ihre Zukunft wird ruiniert", meint Shah, der für den Aufbau einer Infrastruktur für die IT-Ausbildung und einschlägige Jobs in Kaschmir wirbt.

Die Zahl der jungen Computerexperten ohne Arbeit ist in Kaschmir auf rund 300.000 gestiegen. Befürworter einer lokalen IT-Industrie argumentieren außerdem damit, dass damit die gesamte wirtschaftliche Entwicklung der Region vorangetrieben werden könnte. Die Hauptpfeiler der Wirtschaft seien bislang der Tourismus und der Handwerksbereich, sagt Nazir.


Regierung: Bewaffneter Konflikt schreckt Investoren ab

Der Wissenschaftsminister des Staates Jammu und Kaschmir, Aga Syed Ruhullah Mehdi, schiebt die mangelnde Entwicklung der IT-Industrie auf den Konflikt mit separatistischen Rebellen in der Region. "Aufgrund der Unruhen ist es für multinationale Konzerne zu unsicher, hier Niederlassungen zu errichten", sagt Mehdi. Im vergangenen Jahr hatten demnach mehrere Unternehmen erwogen, Standorte in Kaschmir zu eröffnen. Als es jedoch über einen Zeitraum von sechs Monaten zu heftigen Auseinandersetzungen kam, nahmen sie von den Plänen jedoch Abstand.

Mehdi kündigt zugleich an, dass die Regierung am Rande des Kaschmir-Tals einen IT-Industriepark ansiedeln wolle. Das Geld dafür komme von der indischen Zentralregierung, erklärt er. Sobald die rechtlichen Voraussetzungen geklärt seien, werde das Projekt in Angriff genommen. Unternehmen, die nach Kaschmir kämen, könnten mit finanziellen Anreizen rechnen. (Ende/IPS/ck/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juli 2011