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INTERNATIONAL/089: Indien - Kaschmirziege geklont, Hersteller von Paschminaschals hoffen auf neue Geschäfte (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. April 2012

Indien: Kaschmirziege geklont - Hersteller von Paschminaschals hoffen auf neue Geschäfte

von Athar Parvaiz

Shameem Wani liefert Wolle an Frauen, die Kaschmirschals herstellen - Bild: © Athar Parvaiz/IPS

Shameem Wani liefert Wolle an Frauen, die Kaschmirschals herstellen
Bild: © Athar Parvaiz/IPS

Srinagar, Indien, 26. April (IPS) - Nachdem die Ziege, aus deren Flaum kostbare Paschminaschals hergestellt werden, in Kaschmir erfolgreich geklont worden ist, hoffen die Menschen in der Region auf eine Wiederbelebung des traditionellen Handwerks.

"Auf der Welt gibt es nichts, das mit den dichtgewebten Schals aus handgesponnenem Kaschmirgarn vergleichbar wäre. Allerdings kommen ständig billige Kopien auf den Markt", sagt Rafiq Shah, ein Händler aus Srinagar, der Sommerhauptstadt des indischen Bundesstaates Jammu und Kaschmir.

Eine noch größere Gefahr für die Hersteller von Kaschmirprodukten ist jedoch der Schwund der Ziegen, deren Flaum am Unterbauch zu der hochwertigen Wolle weiterverarbeitet wird. Damit das Fell der Tiere wächst, müssen sie in der kalten und windigen Himalaja-Region aufwachsen.

Seit dem 9. März sehen die Produzenten wieder Licht am Horizont. An diesem Tag wurde die erste von der Sher-e-Kashmir-Universität für Landwirtschaft und Technologie (SKUAST) in Srinagar geklonte Kaschmirziege geboren.


15.000 Familien leben vom Verkauf der Paschminaschals

"Stellen Sie sich nur die Folgen vor, die ein kommerzielles Klonen der Ziegen für den Sektor hätte", meint Gouhar Rather, der in Srinagar Kunsthandwerksobjekte verkauft. Mindestens 15.000 Familien sind im indischen Teil Kaschmir für die Paschminaschalindustrie tätig. Während Frauen vor allem die Wolle spinnen, betätigen die Männer die schweren Webstühle, auf denen die Paschminaschals gefertigt werden.

Der Verkauf der Schals bringt jährlich umgerechnet etwa 85 Millionen US-Dollar. Zusammen mit dem Tourismus ist dies die Haupteinnahmequelle für die etwa sieben Millionen Einwohner des Kaschmir-Tals.

"Die Hersteller in Amritsar und Ludhiana im Bundesstaat Punjab, wo viele Wollprodukte hergestellt werden, führen inzwischen Wolle aus Neuseeland und Australien ein", berichtet Shah. Nach der Behandlung mit Chemikalien würden die minderwertigen Schals dann als Paschmina vermarktet.

Shah weiß allerdings, dass Hersteller in China und anderen Ländern in der Vergangenheit mit Paschminaimitaten gescheitert sind. "Es ist nicht einfach, die Wolle so zu spinnen, wie es unsere Frauen können."

Die Anfertigung von Paschminaschals galt lange als ideale Beschäftigung für muslimische Frauen, weil sie dafür ihr Haus nicht verlassen mussten. Es gibt aber auch andere Frauen wie die 42-jährige Shameema Wani, die sich an der Universität auf die Vermarktung der Wollprodukte spezialisiert hat. Sie kauft Schals von etwa 2.000 Produzentinnen und verkauft sie in einem Geschäft, das sie seit zehn Jahren im Zentrum von Srinagar betreibt.

"Die Arbeit ist für Frauen besonders geeignet. Sie verdienen ein eigenes Einkommen und haben noch Zeit für die Hausarbeit", erklärt Wani, die die Nachricht von der Klonziege 'Noori' begrüßt.

"Noori ist die erste geklonte Kaschmirziege der Welt", sagt der Leiter des von der Weltbank finanzierten Forschungsprojekts, Riaz Ahmad Shah, der am Zentrum für Tier-Biotechnologie der Universität in Srinagar tätig ist. Shah und sein Team setzten eine einfache Methode um, die kaum mehr erfordert als ein Mikroskop und eine Petrischale. Das Verfahren kann ohne Probleme in ganz Kaschmir angewendet werden. Das Klonen werde nicht nur dazu führen, dass die Zahl der Ziegen zunehme, erklärt er. Die Wolle werde zudem noch feiner sein als die der bereits existierenden Kaschmirziegen.


Auch Tibet-Antilope und Moschushirsch sollen geklont werden

Die Forscher gehen davon aus, dass die Technologie auch bei anderen kommerziell wertvollen Spezies wie der Tibet-Antilope oder 'Chiru' von Nutzen sein kann. Ihre Wolle - auch als 'Shahtoosh' bekannt - ist noch teurer als Kaschmirwolle. Der Flaum, mit dem sich die Tiere gegen die Kälte auf dem tibetischen Hochplateau und in der Kaschmir-Region Ladakh schützen, wird ebenfalls traditionell zu Schals verarbeitet.

Seit 1975 werden die Chiru-Antilopen durch das Washingtoner Artenschutzabkommen geschützt. In Indien gehörten Shahtooshschals seit jeher zur Aussteuer einer Braut. Sie wurden für jeweils rund 5.000 Dollar verkauft, bis die indische Regierung 1991 den Handel verbot. Die Behörden in Jammu und Kaschmir zogen erst 2000 nach.

Laut Ahmad Khursheed, der ebenfalls für SKUAST arbeitet, wird derzeit auch versucht, den Moschushirsch zu klonen. Die Universität arbeite mit dem Laboratorium für bedrohte Arten in Hyderabad und dem 'Smithsonian Institute' in Washington zusammen, um mehrere gefährdete Spezies in Kaschmir zu schützen.

Früher gab es ausschließlich wild lebende Chirus. An ihren Flaum kam man nur heran, wenn man sie vorher tötete. Khursheed versichert nun, dass die Antilopen inzwischen gezüchtet und ihr Flaum durch Auskämmen gewonnen werde. (Ende/IPS/ck/2012)

Links:
http://www.ccmb.res.in/vr/ccmb-vr-qt/lacones-vr/index.html
http://www.cites.org/
http://www.skuastkashmir.ac.in/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107539

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. April 2012