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INTERNATIONAL/187: China investiert in der Ukraine (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 52 vom 27. Dezember 2013
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Shopping auf der Seidenstraße
China investiert in der Ukraine

von Willi Gerns



"Die Ukraine verkauft die Krim - aber nicht an Russland." "Die Chinesen beginnen mit der Eroberung der Krim." Unter diese und ähnliche sensationelle Überschriften stellten ukrainische und russische Zeitungen und Internetseiten ihre Berichte nach der Rückkehr des ukrainischen Präsidenten Janukowitsch von seinem Staatsbesuch in Peking. Was war geschehen?

Nach der "Njezawisimaja Gazeta" (NG) vom 9.12. haben die Ukraine und die chinesische Beijing Interoceanic Canal Investment Management ein Memorandum über die Zusammenarbeit beim Bau eines Tiefwasserhafens auf der Krim unterzeichnet. Außerdem soll der Fischereihafen in Sewastopol modernisiert und eine chinesische Wirtschaft-Entwicklungszone auf der Krim entstehen. In dieser Zone, die Sewastopol und Territorien an der Westküste der Halbinsel im Gebiet Jewpatorija umfasst, planen die Chinesen den Bau eines neuen Flughafens, Werften, ein Erdölverarbeitungswerk, ein Terminal für komprimiertes Erdgas sowie Ausbildungs- und Erholungszentren.

Die erste Phase des Projekts soll Ende 2014 beginnen, darunter der Bau des Hafens. Die Investitionen der Chinesen in die Infrastruktur des Hafens sind mit 3 Mrd. Dollar angesetzt. In der zweiten Phase, in der es um die anderen Vorhaben geht, sollen die chinesischen Investitionen bereits 7 Mrd. Dollar erreichen. Nach chinesischen Angaben ist vorgesehen, das Projekt in nur zwei Jahren zu realisieren. Gewinne werden nach etwa sechs Jahren nach Inbetriebnahme aller Objekte des Vorhabens erwartet.

Wie die NG schreibt, soll das Krimprojekt zu einem Knotenpunkt in der ambitionierten chinesischen Integrationskonzeption unter der Bezeichnung "Wirtschaftsgürtel der Seidenstraße" werden, die der chinesische Präsident Xi Jinping im September ankündigte. Nach Meinung offizieller chinesischer Presseorgane werde dieses Vorhaben sich als bedeutend erfolgreicher erweisen als die Idee des russischen Präsidenten Putin von einer Eurasischen Union. Das chinesische Integrationsvorhaben erfasse nicht nur Zentralasien, sondern auch Transkaukasien: Aserbaidschan, Armenien, Georgien, Narodny Karabach, Abchasien, Südossetien. Endpunkt dieses Projekts sei Europa.

Die NG hebt in diesem Kontext hervor, es sei bemerkenswert, dass Russland vorläufig abseits der Seidenstraße bleibe. Zumindest hätten die Chinesen nichts deutlich Vernehmbares über Projekte auf dem Territorium Russlands verlauten lassen, die vom Gewicht her den Vorhaben der Integrationskonzeption vergleichbar wären. Es heiße nur, in den Aktivitäten Pekings enge nichts die Rechte Moskaus ein und Russland könne sich an der Entwicklung der Infrastruktur, z. B. in Zentralasien beteiligen.

Von Seiten der russischen Führung gibt es keine Reaktion zum Krimprojekt Chinas. Seine Meinung zu diesem Vorhaben äußerte dagegen der stellvertretende Direktor des Instituts für die GUS-Länder, Wladimir Scharichin. Er betonte, dass China Investitionen in der ganzen Welt tätige. So befinde sich Afrika bereits unter starkem Einfluss chinesischer Investitionen. Angesichts des einen Projekts auf der Krim sei es da voreilig davon zu sprechen, die Ukraine befinde sich unter dem Druck Chinas. "Die Ukraine - so Scharichin weiter - hänge bisher wesentlich stärker von Russland und der Europäischen Union ab, zwischen denen sie zurzeit eine schmerzhafte Wahl zu treffen versuche. Die Ukraine sei mit Russland durch gewaltige Finanz- und Warenströme verbunden. Auf Russland und übrigens auch auf die EU entfielen jeweils mehr als 30 Prozent des Warenaustauschs der Ukraine. Der Wissenschaftler vertrat den Standpunkt, es sei eine Übertreibung anzunehmen, China könne in nächster Zeit ein ebenso wichtiger Investor und Handelspartner für die Ukraine werden. Auf die Erfahrung in den zentralasiatischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion verweisend, betonte Scharichin, dass China bisher seinen wirtschaftlichen Einfluss noch nicht mit politischer Einflussnahme verbinde. Allerdings sei es fehlerhaft, "den geopolitischen Faktor im Handeln Chinas völlig zu negieren".

In einem Beitrag, der zeitgleich am 10. 12. auf der ukrainischen Internetseite "finance.ua" und der russischen Seite "gazeta.ru" veröffentlicht wurde, werden die Entwicklungen kritischer betrachtet und es wird insbesondere auch auf die Investitionen Chinas in den ukrainischen Agrarsektor hingewiesen. So habe China Kiew allein 2012 drei Mrd. US-Dollar für die Entwicklung des Agrarsektors und 3,7 Mrd. für Energieprojekte zur Verfügung gestellt. Im September 2013 sei dann bekannt geworden, dass China im Rahmen seiner Politik der Nutzung ausländischer Ländereien für die Erzeugung von Agrarprodukten plane, in der Ukraine etwa drei Millionen Hektar für 50 Jahre zu pachten. Das Projekt beginne im Gebiet Dnjepopetrowsk und werde im Gebiet Cherson und auf der Krim fortgeführt.

Aleksandr Orlow, der Autor des Beitrages, betont, eine Reihe ukrainischer Experten seien über die Unterzeichnung der Übereinkunft mit der Beijing Interoceanic Canal Investment empört und zitiert in diesem Zusammenhang das Mitglied des Expertenrats beim Ministerrat der Krim-Autonomie, Sergej Kiselew:

"Der Hafen wird gebaut, um Getreide aus der Krim zu exportieren, auf der den Chinesen 160 000 Hektar Land zur Pacht angeboten werden. Darauf soll Weizen und Mais angebaut werden. Geplant ist, auf dieser Fläche eine kaum vorstellbare Ernte von 8 Millionen Tonnen einzufahren. Im Ergebnis wird der Hafen der Krim als Kurort-Region den Todesstoß versetzen." Einige Politologen sprächen, so Orlow, sogar davon, dass die Regierung Janukowitsch die Ukraine mit den Landverpachtungen an Investoren aus Zentralasien in eine Reihe mit Ländern der Dritten Welt stelle, die schon seit langem unter einem merklichen Einfluss Pekings stünden.

Die Projekte Chinas auf der Krim finden bei den Menschen dort offenbar nicht nur Zustimmung. Und manches davon dürfte auch in Moskau nicht gerade Begeisterung hervorrufen.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 45. Jahrgang, Nr. 52 vom 27. Dezember 2013, Seite 6
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Januar 2014