Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → WIRTSCHAFT

INTERNATIONAL/199: Pazifik - Wirtschaftsinteressen bedrohen traditionelle Landrechte (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. März 2014

Pazifik: Wirtschaftsinteressen bedrohen traditionelle Landrechte

von Catherine Wilson


Bild: © Catherine Wilson/IPS

Traditioneller Landbesitz ist für viele Menschen in der Pazifikregion eine Existenzfrage
Bild: © Catherine Wilson/IPS

Sydney, 27. März (IPS) - Für die meisten Einwohner der Pazifikinseln ist das Land, das sie seit Generationen bewirtschaften, eine Frage des Überlebens, der Identität und der sozialen Sicherheit. Doch die Regierungen sind bestrebt, das traditionell genutzte Land für Investoren zu erschließen, um die Infrastruktur und Wirtschaft der vorwiegend armen Länder voranzubringen.

"Traditioneller Landbesitz wird oft als Hemmschuh für Entwicklung betrachtet", sagt Inoke Ratukalou, Leiter der Abteilung für Landressourcen im Sekretariat der Pazifischen Gemeinschaft (SPC) in Suva auf den Fidschi-Inseln. "Ungewissheit über die Besitzverhältnisse und Schwierigkeiten bei der Konsensfindung können Investoren abschrecken und die Entwicklung landbasierter Ressourcen behindern."

80 bis 90 Prozent des Landes in den Pazifikstaaten unterliegen dem Gewohnheitsrecht. Das bedeutet, dass die Familien ihr Land von Generation zu Generation weitergeben. Traditionelle Strukturen spielen eine wichtige Rolle in der südwestlichen Pazifikregion, in der der formelle Sektor lediglich 15 Prozent der Arbeitsplätze bereitstellt. Die meisten Menschen sind Subsistenzbauern.


"System des Teilens"

Wie Joel Simo von der Indigenen Melanesischen Allianz zum Schutz von Land (MILDA) in Vanuatu erklärt, ist der traditionelle Landbesitz ein "System des Teilens", das die Bedürfnisse aller berücksichtigt. "Es kommt häufig vor, dass Entwicklung auf traditionell genutztem Land stattfindet. In fast allen Pazifikstaaten dient das Land dem Überleben der Menschen."

Im 21. Jahrhundert steht das Land jedoch unter einem zunehmenden globalen Wirtschaftsdruck. Die Bewohner der Inselstaaten sind inzwischen in höherem Maße von der Geldwirtschaft abhängig, die Bevölkerung wächst rapide und die Verstädterung schreitet fort. Schlecht ausgebaute Straßen und andere Infrastrukturmängel erschweren es den Menschen, ihre Lebensbedingungen zu verbessern und Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung zu erhalten. Bislang sind beispielsweise erst fünf bis 30 Prozent der Straßen in Tonga, Vanuatu, den Föderalen Staaten von Mikronesien, Papua-Neuguinea und den Salomonen befestigt.

Laut SPC besteht die Herausforderung darin, mit Hilfe von Landregistrierungen traditionelle Landbesitzverhältnisse und wirtschaftliche Interessen miteinander in Einklang zu bringen. Denjenigen, die auf nicht registriertem Land lebten, bleibe oftmals der Zugang zu Finanzmitteln zur Gründung eines Unternehmens versperrt.

In Fidschi und Palau wird Land inzwischen registriert, während die Landbesitzrechte in Papua-Neuguinea sowie auf den Salomonen und den Marshall-Inseln bisher kaum formell geregelt wurden. Jüngste Land-Management-Verfahren in Papua-Neuguinea wie das sogenannte 'Lease-Lease Back'-Programm oder die Sonderagrar- und Business-Pachten (SABLs) haben sich für die ländlichen Gemeinschaften als ungünstig erwiesen. Sie sehen vor, dass traditionelle Landeigentümer ihre Parzellen dem Staat verpachten dürfen und dafür im Gegenzug einen offiziellen Landtitel erwerben. Der Staat wiederum darf das Land an Dritte weiterleasen.

Maria Linibi, Vorsitzende der Stiftung für Frauen in der Agrarentwicklung in Papua-Neuguinea, hält zwar eine Verbesserung der Landmanagementsysteme für erforderlich, ist jedoch strikt dagegen, ausländischen Investoren oder dem Staat den Erwerb von Traditionsland zu erleichtern.

Dass die staatlichen Landreformpläne weitgehend umstritten sind, hat mit der verbreiteten Korruption und dem Versagen großer exportorientierter Projekte zu tun, die Lebensbedingungen der Bevölkerungsmehrheit zu verbessern. "Selbst wenn die Menschen ihr Land registrieren lassen, bleiben sie arm", betont Simo.

Die MILDA-Allianz, die sich für die Bewahrung melanesischer Werte und eine langfristige nachhaltige Nutzung des Landes einsetzt, lehnt die Registrierung traditionell genutzter Grundstücke oder deren Verpachtung grundsätzlich ab. "Die vorherrschende Korruption innerhalb des staatlichen Landverwaltungssystems von Papua-Neuguinea hat lediglich dazu geführt, dass Landtitel ohne Weiteres vergeben, manipuliert oder aberkannt wurden", warnte 2010 die Organisation 'Aidwatch'.


Leichtes Spiel für Landgrabber

Im vergangenen Jahr teilte das US-amerikanische 'Oakland Institute' mit, dass die widerrechtliche Landnahme in Papua-Neuguinea in den letzten zehn Jahren zugenommen hat. 5,5 Millionen Hektar Land - zwölf Prozent der gesamten Landesfläche - seien durch einen betrügerischen Umgang mit den SABLs von 'Landgrabbern' in Besitz genommen worden. Nutznießer waren in der Regel internationale Holzunternehmen, die Beamte geschmiert hatten. Die Folge war eine Zunahme der Entwaldung und der Verlust der Kontrolle der traditionellen Landeigentümer über ihr Land.

Offizielle Slogans wie 'Lasst uns das Land für unsere Entwicklung befreien" maskierten einen "Raub am helllichten Tage und den Verrat an den verfassungsmäßig garantierten Rechten." Millionen Einwohner von Papua-Neuguinea würden um ihr Erbe betrogen, heißt es in dem von vom Oakland Institute veröffentlichten Report 'On Our Land'.

Aidwatch zufolge erweisen sich formelle Landtitel als Fehlschlag in Ländern, in denen lokale Landeigner nicht durch Bildung und rechtliche Kenntnisse gestärkt wurden. In Papua-Neuguinea beispielsweise sind 85 Prozent der Bevölkerung in ländlichen Gegenden Analphabeten.

Inzwischen liegen Erkenntnisse vor, dass Kleinbauern in Papua-Neuguinea mit dem Straßenverkauf mehr verdienen können als formell Beschäftigte. So verdient etwa die Hälfte der Frauen, die ihre Agrarerzeugnisse in der Provinz Madang verkaufen, das Dreifache des Mindestlohnes, wie es in einer Untersuchung von 2008 heißt.

Obwohl die Landregistrierung die Steigerung der lokalen Wirtschaftsaktivitäten nicht behindert, tun sich viele Pazifikstaaten schwer damit, wirkungsvolle Mechanismen zur Beilegung von Landstreitigkeiten festzulegen. Die Vereinbarkeit von Gewohnheitsrechten und modernen Rechtssystemen bleibt ein Problem. (Ende/IPS/ck/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/03/pacific-islands-sea-land-rights/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 27. März 2014
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. März 2014