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REDE/450: Peter Ramsauer zum Haushaltsgesetz 2011 vor dem Deutschen Bundestag, 17.09.2010 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, zum Haushaltsgesetz 2011 vor dem Deutschen Bundestag am 17. September 2010 in Berlin:


Sehr geehrter Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren auf den Rängen und vor den Fernsehgeräten!

In 16 Tagen begehen wir den 20. Jahrestag der Wiedervereinigung unseres Vaterlandes, und die meisten von uns wissen noch und haben noch vor Augen, wie das DDR-Erbe aussah. Die Verkehrsinfrastruktur war vollkommen vernachlässigt, und Teile der wertvollen Bausubstanz waren dem Verfall preisgegeben. Das war die bittere Wahrheit.

Wenn wir uns heute im geeinten Deutschland und insbesondere in den neuen Bundesländern umsehen, so dürfen wir mit Fug und Recht sagen: In der Stadtentwicklung, im Bereich der Verkehrsinfrastruktur und im Bereich der gesamten Bausubstanz und Baukultur ist Beeindruckendes geschaffen worden. Gerade auch die Verkehrs-, Bau- und Stadtentwicklungspolitik des Bundes hat dazu Erhebliches beigetragen.

Von der Vielzahl an Verkehrs- und Bauprojekten sowie Maßnahmen der Städtebauförderung profitieren dabei nicht nur die Bürgerinnen und Bürger in den neuen Ländern, sondern Gewinner dieser Entwicklung sind wir alle, ist unser ganzes Land in West und Ost.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damals wie heute ist sich die unionsgeführte Bundesregierung des überragenden Stellenwerts einer gut ausgestatteten Verkehrsinfrastruktur für den Wohlstand und die Chancen unseres Landes bewusst. Ich darf zunächst einmal den Verkehrsbereich ansprechen. Wir müssen mit Blick auf unsere Verkehrswege zwei ganz zentrale Aufgaben schultern.

Wir müssen erstens die gute Qualität unseres Bestandsnetzes erhalten, und wir dürfen es nicht auf Verschleiß fahren.

Wir müssen uns zweitens bereits heute rüsten für die sich ständig weiterentwickelnden Mobilitätserfordernisse der Menschen und der Wirtschaft von morgen. Hier ist natürlich die herausragende Herausforderung die Verkehrszunahme, die wir prognostizieren müssen. Wir brauchen also weiterhin einen bedarfsgerechten Aus- und Neubau neben dem Erhalt, und zwar für alle Verkehrsträger.

Unsere Verkehrswege sind die entscheidenden Lebensadern unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft. Deshalb müssen wir auch bereit sein, die dazu erforderlichen finanziellen Mittel in ausreichender und verantwortbarer Weise zur Verfügung zu stellen.

Ich glaube, es ist uns gelungen, im Bundeshaushalt eine durchaus ansehnliche Verkehrsinvestitionslinie zu verankern. Für die Jahre 2011 bis 2014 wird sie ausweislich des vorliegenden Finanzplans mit konstant 9,7 Milliarden Euro auf einem höheren Niveau festgeschrieben, als dies in den Jahren 2001 bis 2008 mit durchschnittlich 9,4 Milliarden Euro der Fall war. Das kann sich durchaus sehen lassen. Aber eine klare Prioritätensetzung ist dennoch erforderlich. Priorität müssen solche Projekte haben, die den größten gesellschaftlichen, aber vor allen Dingen auch den größten ökonomischen Nutzen aufweisen. Beim Neubau wird es also vorrangig um die Beseitigung von Engpässen und den Ausbau überlasteter Hauptverkehrsachsen gehen.

Ich möchte beispielhaft ein Zukunftsprojekt herausgreifen. Für unser Land als führende Exportnation ist eine Verbesserung der Hinterlandanbindung der Häfen auch und vor allen Dingen auf der Schiene von herausragender Bedeutung. Die Realisierung der sogenannten Y-Trasse - das ist die Verbindung von Hannover, die sich y-mäßig Richtung Bremen und Hamburg verzweigt - ist ein Projekt, das kein isoliertes Prestigeprojekt darstellt, sondern ist pure Notwendigkeit, damit wir für die Zielorte und für die Absatzwege fertiger Produkte in Gesamtdeutschland eine stimmige und zukunftsfähige Verkehrsinfrastruktur bereitstellen können.

Wir alle, glaube ich - jetzt komme ich zu einem wichtigen Punkt -, sind gut beraten, immer den gesamtwirtschaftlichen Nutzen derartiger Projekte deutlich stärker in das öffentliche Bewusstsein zu rücken. Jeder von uns weiß um das Konfliktpotenzial von Großprojekten. Das war immer so, und leider Gottes fängt es jetzt wieder an. Wir wissen um die langen Planungszeiträume, und wir wissen um die langen, oft jahrzehntelangen Entscheidungsprozesse. Wenn dann aber endlich der Startschuss für die Realisierung eines Projekts fällt, dann sollten die Entscheidungen, die diesen Projekten vorangegangen sind, auch respektiert und mitgetragen werden.

Ich möchte hier ganz offen das Projekt "Stuttgart 21" ansprechen. Die Bundeskanzlerin hat vorgestern an dieser Stelle schon das Notwendige gesagt. "Stuttgart 21", liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein Projekt, das über 15 bis 20 Jahre hinweg nach allen Regeln rechtsstaatlicher Kunst als Projekt und als Baurecht zustande gekommen ist. Es kann deshalb nicht hingenommen werden, dass nach einer solchen Rechtsfindung nach allen Regeln des Rechtsstaats entgegenstehende Kräfte für sich ein vermeintlich höherrangiges Recht reklamieren, das dem Recht nach rechtsstaatlichen Regeln entgegensteht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Staat, der dies hinnehmen würde, würde sich als Rechtsstaat dem Zweifel preisgeben. Die Politik muss natürlich zu den Resultaten klarer rechtsstaatlicher Prozeduren stehen. Die Politik muss zu dem stehen, was der Rechtsstaat hervorgebracht hat. Zu diesen Prozeduren gehören ganz ausdrücklich auch Bürgerbeteiligungen. Dazu gehören Parlamentsbeschlüsse, Gemeinderatsbeschlüsse, Gerichtsverfahren, Gerichtsurteile und vieles mehr. Tut die Politik dies nicht, dann wirkt sie selbst daran mit, dass Respektlosigkeit ihr selbst gegenüber und gegenüber dem Rechtsstaat um sich greift.

An die Adresse der SPD als größte Oppositionsfraktion sage ich: Stehen Sie zu diesem Projekt! Nehmen Sie sich ein Beispiel an Ihren Kolleginnen und Kollegen von der Südwest-SPD im Landtag von Baden-Württemberg! Ihr Spitzenkandidat Nils Schmid hat noch am vergangenen Samstag klipp und klar festgestellt:

"Aber wir wackeln nicht ... Die SPD steht in der Sache weiter zu Stuttgart 21 und dem Bau der Neustrecke Wendlingen-Ulm."

Und vorgestern, am Mittwoch:

"Die verkehrlichen, ökologischen und städtebaulichen Vorteile überwiegen deutlich. Ein Ausstieg aus dem Projekt würde sich auf die Verkehrsinfrastruktur in Baden-Württemberg fatal auswirken."

Besser noch:

"Ich persönlich bin auch bereit, Seite an Seite mit den Kollegen von den anderen Befürworter-Parteien gegen den Ausstieg zu streiten."

Donnerwetter, kann ich nur sagen. Klatschen!

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich weiß zwar nicht, wer von der SPD sprechen wird, aber Herr Beckmeyer würde zum Beispiel gleich sagen: Zu dem haben Sie nichts gesagt, dazu haben Sie nichts gesagt, dazu haben Sie nichts gesagt. Sie wissen ganz genau, dass ich zu allem gern stundenlang sprechen würde. In den verbleibenden anderthalb Minuten möchte ich noch einige Punkte anreißen.

Zukunft der Städtebauförderung: Das ist ein Thema, das uns allen intensiv am Herzen liegt. Die Einschnitte, die jetzt im Entwurf stehen, sind für uns alle schmerzlich. Ich möchte mir aber den Hinweis erlauben: Wir alle miteinander können stolz darauf sein, in den schwierigen Jahren der Wirtschafts- und Finanzkrise gerade den Kommunen mit zweistelligen Milliardensummen aus dem Konjunkturpaket II - zehn Milliarden Euro, die durch Komplementärmittel und Länder- und Gemeindemittel aufgestockt wurden - geholfen zu haben. Diese Mittel sind vom Zweckcharakter her in Bereiche der Städtebauförderung und der energetischen Gebäudesanierung hineingeflossen. Das waren großartige Erfolge, und daran war natürlich auch die SPD beteiligt.

Beim Thema energetische Gebäudesanierung gehört auch zur Wahrheit, dass, weil das Programm ein Renner war, wir noch im Jahr 2009 damit begonnen haben, Haushaltsmittel aus den Jahren 2010 und 2011 vorzuziehen, um sie in diesen Bereich hineinzupumpen. Vorziehen heißt, dass sie später haushaltsmäßig nicht mehr zur Verfügung stehen. Das wissen auch Sie von der SPD, weil Sie selbst daran mitgewirkt haben. Jetzt müssen wir sehen, wie wir damit in den schwierigen Verhandlungen, die in den Haushaltsberatungen vor uns stehen, zurechtkommen.

Eine Reihe von weiteren Themen wäre zu nennen, beispielsweise die Verkehrssicherheit. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir sie im Haushalt noch besser dotieren können. Ich nenne die Elektromobilität, die Stärkung des Logistikstandorts Deutschland und die Vernetzung von Verkehrsträgern. Wir haben in den kommenden Wochen reichlich Gelegenheit, all diese Themen zu erörtern. Ich als verantwortlicher Ressortminister freue mich auf diese Gespräche und lade die Opposition ein, konstruktiv mitzuarbeiten.


*


Quelle:
Bulletin Nr. 89-1 vom 17.09.2010
Rede des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung,
Dr. Peter Ramsauer, zum Haushaltsgesetz 2011 vor dem
Deutschen Bundestag am 17. September 2010 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. September 2010