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REDE/513: Sigmar Gabriel zum Erneuerbare-Energien-Gesetz, 08.07.2016 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Deutscher Bundestag
Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, zum Erneuerbare-Energien-Gesetz - EEG 2016 vor dem Deutschen Bundestag am 8. Juli 2016 in Berlin:


Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!

Ich will wiederholen, was ich schon in der ersten Lesung zum Thema gesagt habe. Wenn Sie nachlesen, was zum EEG 2014 von Frau Verlinden und Herrn Krischer von den Grünen sowie von den Rednern der Linksfraktion gesagt wurde, dann finden Sie dort fast alle Begriffe, die Sie eben gehört haben: Untergang der Energiewende, Ausbremsen, Stopp, Abrissbirne. - Das Ergebnis ist, dass die erneuerbaren Energien im Zeitraum von 2014 bis heute mit 7,4 Prozent die größte Steigerung seit Inkrafttreten des Gesetzes erfahren haben.

Wir sind insbesondere bei der Windenergie onshore weit über dem verabredeten Korridor. Wir nähern uns fast dem Doppelten. Wir liegen bei der Photovoltaik deutlich darunter. Da kommt immer der Hinweis, dass wir dort nicht so viel erreicht hätten. Warum? Weil wir zuvor drei Jahre lang einen Ausbau mit einem Volumen von mehr als 7.000 Megawatt pro Jahr zu verzeichnen hatten und es dann natürlich weniger wurde.

Des Weiteren wird gesagt, dass wir die Biomasse ausbremsen, weil wir für sie weniger machen. Ich verweise auf das, was wir zusammen mit einem grünen Ministerpräsidenten 2014 beschlossen haben: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz hatte das Ziel, die entsprechenden Technologien preiswerter zu machen. Es gibt eine erneuerbare Energie, die jedes Jahr teurer geworden ist. Das ist die Bioenergie. Das ist die teuerste Form der Produktion von erneuerbaren Energien. Angesichts eines Technologiefördergesetzes, das den Menschen verspricht: "Wir machen es preiswerter", bei dem aber am Ende eine Produktionsform immer teurer wird, können Sie doch nicht so tun, als wäre das völlig egal. Es ist nicht etwa Zufall, sondern es ist gewollt, dass wir die Biomasse auf das vertretbare und notwendige Maß beschränken. Das ist kein Kollateralschaden, sondern das wollen wir.

Bei der Windenergie, der preiswertesten Form, hatten wir 2,5 Gigawatt als Ziel. Wir bauen, glaube ich, auf knapp vier Gigawatt aus.

Von dem ganzen Gerede über das Ende der Windenergie ist - es tut mir leid, aber Sie müssen sich das anhören; ich musste mir auch anhören, was Sie erzählt haben - nichts wahr. Ich will einmal auf die letzten beiden Argumente von Frau Verlinden eingehen. Sie hat gesagt: Wir beenden nun das EEG, wie wir es kennen. - Ja, das ist auch dringend nötig. Das EEG war ein Technologiefördergesetz, das eine Nischentechnologie fördern sollte. Nun sind die Erneuerbaren die bestimmende Säule des Strommarkts. Nun müssen wir den Strommarkt fit für die Erneuerbaren und die Erneuerbaren fit für den Markt machen. Ich verstehe überhaupt nicht, warum die Linke ein System fortschreiben will, bei dem Folgendes passiert: Wenn der Staat immer die Preise für die Erneuerbaren festsetzt, rechnet jeder Marktteilnehmer aus, wie hoch er gehen kann, um sich dabei zu bedienen. Das führt zu Grundstückspachtkosten in Höhe von 30.000 bis 40.000 Euro im Jahr pro Hektar. So viel verdient mancher Arbeitnehmer im Jahr nicht. Aber das wollen Sie beibehalten? Was ist denn daran links, wenn sich jeder bedienen kann? Was ist das denn für eine Debatte? Sie machen Politik für Grundstückseigentümer und gegen diejenigen, die in Wohnungen zur Miete leben. Das ist, was Sie machen. Der Mieter muss das alles bezahlen, weil er das Pech hat, kein Grundstück und kein Dach zu haben. - Sie haben doch angefangen. Ich kann auch netter, wenn Sie wollen.

Es ist doch wirklich irre, dass hier so getan wird, als ginge es um ein Ausbremsen. Das Gegenteil ist der Fall. Wir wollen, dass die Erneuerbaren in Wettbewerb treten, damit die Preiswertesten gewinnen.

Nun behaupten Sie, dass die Bürgerenergiegenossenschaften bei Ausschreibungen nicht dabei sind. Wir haben drei Pilotausschreibungen im Photovoltaikbereich durchgeführt. Das Ergebnis war, dass bei dem niedrigsten Preis die meisten Bürgerenergiegenossenschaften dabei waren. Die werben derzeit dafür; das ist auch vernünftig.

Sie sprechen immer von den großen Konzernen. Wir machen Folgendes: Jedes Unternehmen, das sich an einer Ausschreibung beteiligt, muss eine emissionsschutzrechtliche Genehmigung vorweisen. Die kostet pro Windenergieanlage bis zu 100.000 Euro. Den Bürgerenergiegenossenschaften erlassen wir diese Auflage. Sie brauchen ein Grundstück, auf dem die Anlage errichtet wird, und ein Windgutachten, mehr nicht. Diese Genossenschaften haben keine Vorlaufkosten. Wir fördern sie ganz besonders. Warum machen Sie den Bürgerenergiegenossenschaften denn Angst? Sie scheinen eine ganz besondere Strategie zu verfolgen: den Leuten Angst machen, obwohl es sich um einen Ausbau der erneuerbaren Energie handelt. Wir haben heute einen Anteil der erneuerbaren Energien von 33 Prozent.

- Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen um die Grundrechenarten steht. - Wir haben heute 33 Prozent. Wir werden im Jahr 2025 vermutlich bei über 45 Prozent liegen. Für mich ist das ein Ausbau. Ich weiß nicht, wie Sie das sehen.

Jetzt sagen Sie, man könne noch mehr machen. Damit ignorieren Sie aber die Physik. Man kann doch nicht den Anlagenbau erhöhen, ohne zeitgleich die Netze auszubauen. Das geht doch nicht. Auch ich bedaure, dass sich weder die Grünen noch ich früher beim Ausbau der Erdverkabelung durchsetzen konnten. Sie und ich haben das viel länger gefordert. Deswegen will ich gar keine Schuld zuweisen. Ich hoffe, dass wir jetzt schneller vorankommen. Aber man kann in der Zwischenzeit doch nicht so viele Windparks wie möglich bauen nach dem Motto: Je mehr, desto besser. Am Ende zahlen wir dann den Strom doppelt, einmal beim Windmüller und, wenn der Strom nicht geliefert werden kann, noch einmal bei einem anderen Kraftwerk, damit wir keinen Black-out bekommen. Eine Milliarde Euro kostet uns das derzeit, sagen die Unternehmen. Nach ihren Angaben steigt die Summe auf vier Milliarden Euro, wenn wir nichts ändern. Wenn Sie den Unternehmen nicht glauben, dann glauben Sie vielleicht dem Öko-Institut. Das sagt, dass die Kosten auf 2,7 Milliarden Euro steigen, wenn wir nichts machen. Das ist ein Institut, das Ihnen nähersteht.

Es ist auch nicht wahr, dass der Klimaschutz ausgebremst wird. Die unabhängige Expertenkommission zum Monitoring-Prozess "Energie der Zukunft" sagt: Beim Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor liegt Deutschland auf Zielkurs. Das ist bezogen auf das, was wir uns vorgenommen haben, nämlich einen Anteil von 45 Prozent im Jahr 2025. Sie suchen sich immer ein Gutachten, das Ihnen passt. Das ist alles.

Frau Verlinden, Sie haben völlig Recht, dass die Expertenkommission sagt, wir müssten mehr in den Bereichen Verkehr und Gebäude machen. Sie aber behaupten, wir müssten mehr bei den erneuerbaren Energien machen. Genau das sagt die Expertenkommission aber nicht. Übrigens: Weil die Expertenkommission gesagt hat, wir müssten mehr tun, legen wir 13 Prozent der Braunkohlekapazitäten in Deutschland still. Sie hätten sich früher gar nicht getraut, das zu fordern, was wir in diesem Jahr machen. Sie wollten die Braunkohlekraftwerke ab 2025 stilllegen.

- Wo ist denn Ihre Gesetzesinitiative gewesen, als wir jetzt beschlossen haben, dass wir 13 Prozent Braunkohlekapazitäten, beginnend in diesem Jahr, stilllegen, und zwar wegen dieses Berichtes? - Sie müssen einfach davon ausgehen, dass ich die Berichte lese und nicht nur Einzelteile zitiere. Im Bericht steht: Beim Klimaschutz sind wir im Bereich der erneuerbaren Energien auf dem richtigen Weg.

Wir haben vor fünf Jahren für Erneuerbare zwölf Milliarden Euro ausgegeben. Übrigens, Frau Bulling-Schröter, das Geld kam nicht vom Steuerzahler, sondern vom Stromkunden.

- Nein. Sie haben vorhin von Steuergeldern gesprochen. Es sind keine Steuergelder. - Heute geben wir für Erneuerbare 23 Milliarden Euro aus. Ich wiederhole: Vor fünf Jahren waren es zwölf Milliarden Euro, heute sind es 23 Milliarden Euro.

Durch die mit dem EEG 2014 einhergehenden Maßnahmen sind wir von 24 Milliarden Euro auf 23 Milliarden Euro heruntergegangen. Ich will gar nicht sagen, dass das zu viel Geld ist. Im Gegenteil: Ich finde, dass das mit Blick auf die große Aufgabe von Klimaschutz und Energiewende gut angelegtes Geld ist. Aber man muss sich dieses Betrages auch bewusst sein; denn ihn zahlen die Stromverbraucherinnen und Stromverbraucher in Deutschland. Dieser Betrag ist übrigens anderthalbmal so groß wie der gesamte Forschungshaushalt des Bundes und dreimal so groß wie der Haushalt des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von Frau Schwesig. Ich sage das nur, damit man einmal ein Gefühl dafür bekommt, über wie viel Geld wir hier reden.

Das führt natürlich dazu, dass Begehrlichkeiten geweckt werden, dass alle möglichen Interessen ins Spiel kommen. Das macht übrigens den eigentlichen Grund für den Umfang des Gesetzentwurfs und seine Komplexität aus. Bei 24 Milliarden Euro oder 23 Milliarden Euro gilt das alte Motto: Geld macht sinnlich. Schlecht ist nicht der Lobbyist, der für die klassische Industrie eintritt, und gut ist nicht der Lobbyist, der für die grüne Industrie eintritt; vielmehr haben alle das gleiche Ziel: an das Geld anderer Leute zu kommen. Parlament und Regierung haben die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass man nicht glaubt, dass die Summe der Einzelinteressen das Gemeinwohl ist.

Herr Kauder hat gestern auf all das hingewiesen, was wir geschafft haben. Dass wir in drei Jahren, ich glaube, etwa zehn Gesetze und Verordnungen zur Energiewende zustande gebracht haben, die die Bausteine der Energiewende endlich ineinandergreifen lassen - vom Strommarkt über KWK, von der Braunkohle bis hin zum EEG -, ist, finde ich, ein gutes Ergebnis. Ich danke allen, die daran mit viel Engagement mitgearbeitet haben.

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Quelle:
Bulletin Nr. 85-1 vom 8. Juli 2016
Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel,
zum Erneuerbare-Energien-Gesetz - EEG 2016
vor dem Deutschen Bundestag am 8. Juli 2016 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juli 2016

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