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ROHSTOFFE/114: Transparenz ist kein Selbstzweck (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2015

Money for Nothing
Krise als Geschäftsmodell

Transparenz ist kein Selbstzweck
Zur deutschen Umsetzung der Initiative für mehr Transparenz im Rohstoffsektor

von Cathrin Klenck und Michael Reckordt


Die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) zielt darauf ab, die Transparenz der Zahlungsströme im Rohstoffsektor zu erhöhen. Ursprünglich für rohstoffreiche Länder im globalen Süden konzipiert, wird EITI zunehmend von Industriestaaten umgesetzt. Auch in Deutschland laufen die Vorbereitungen zur EITI-Kandidatur. Worauf kommt es bei der deutschen EITI-Umsetzung an und warum sollte sie nicht isoliert betrachtet werden?

Viele Entwicklungsländer verfügen über große Rohstoffvorkommen. Es gelingt jedoch nur den wenigsten, den Rohstoffreichtum für Entwicklungsimpulse zu nutzen. Im Gegenteil, die Ausbeutung von Rohstoffen geht häufig mit Menschenrechtsverletzungen, Gewalt und Umweltzerstörung einher. Undurchsichtige Deals zwischen Unternehmen und politisch Verantwortlichen, Korruption und Bestechung tragen dazu bei, dass hohe Kapitalsummen aus den Förderländern abfließen und Zahlungen versickern, statt der Bevölkerung zugute zu kommen. So leben drei Viertel der armen Bevölkerung weltweit in rohstoffreichen Entwicklungsländern. Der Großteil dieser Länder ist durch eine hohe soziale Ungleichheit geprägt.

"Publish what you pay (PWYP)" - unter diesem Motto schlossen sich im Jahr 2002 zivilgesellschaftliche Organisationen zusammen, um sich gemeinsam für Transparenz im Rohstoffsektor stark zu machen. Konkret forderten sie von Rohstoffunternehmen, ihre mit der Rohstoffförderung verknüpften Zahlungen an die jeweilige Gastregierung zu veröffentlichen. Der Name ist also Programm: "PWYP - Veröffentlicht, was Ihr zahlt". Vorausgegangen waren in den 1990er Jahren Studien, in denen NGOs Ausmaß und Konsequenzen von Korruption und Bestechung bei der Förderung von Bodenschätzen in rohstoffreichen Entwicklungsländern aufzeigten.[1] Spätestens damit wurde klar: Transparenz der Zahlungsströme ist ein wichtiger Ansatzpunkt, um Korruption und Bestechung im Rohstoffsektor einzudämmen. Sie ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass die lokale Bevölkerung und Zivilgesellschaft von ihren Regierungen Rechenschaft über die Verwendung der Einnahmen aus der Rohstoffgewinnung einfordern können.


EITI - Initiative für mehr Transparenz im Rohstoffsektor

Nachdem NGOs das Thema erfolgreich auf die politische Agenda gesetzt hatten, wurde das Prinzip der transparenten Zahlungsströme ab 2003 mit Gründung der Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) in die Breite getragen. Kernstück der freiwilligen Initiative ist eine Art "doppelte Buchführung": In einem Land, das der EITI beitritt, legen Öl-, Gas- und Bergbauunternehmen ihre mit der Rohstoffförderung verknüpften, wesentlichen Zahlungen an staatliche Stellen offen, zum Beispiel Gewinnsteuern, Förderabgaben oder Lizenzgebühren. Staatliche Stellen veröffentlichen wiederum ihre Einnahmen aus dem Rohstoffsektor. Die Zahlungen der Unternehmen und die Einnahmen der Regierung werden miteinander abgeglichen, von unabhängiger Stelle überprüft und jährlich veröffentlicht. Neben dem Zahlungsabgleich enthalten die EITI-Berichte Informationen über den Rohstoffsektor der Länder. So werden etwa der Rechtsrahmen, die Produktionsdaten oder die Lizenzvergabe erläutert. Diese Kontextinformationen sollen die EITI-Berichte verständlicher und für die Bevölkerung nutzbar machen. Seit 2013 empfiehlt der weiterentwickelte Standard der Initiative außerdem, dass die EITI-Länder zusätzlich zu den Zahlungsströmen auch Rohstoffverträge und die Eigentümerstrukturen von Rohstoffunternehmen offen legen.[2] Gesteuert wird die Initiative sowohl auf internationaler Ebene als auch in den EITI-Umsetzungsländern durch Multi-Stakeholder-Gruppen, in denen Regierung, Industrie und Zivilgesellschaft vertreten sind. Mittlerweile setzen knapp 50 Länder die Regeln der EITI um oder bereiten sich darauf vor.


EITI in Deutschland - Bundesregierung für mehr Transparenz im Rohstoffsektor?

Die Bundesregierung unterstützt EITI seit Gründung der Initiative politisch, finanziell und im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Nun hat sie beschlossen, EITI auch selbst umzusetzen. Was ist ihre Motivation? EITI zielt auf transparente Zahlungsströme bei der Rohstoffgewinnung im Land. Doch Deutschland ist ein rohstoffarmes Land, der Gesamtwert aller in Deutschland gewonnenen Rohstoffe trägt nur ein halbes Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Außerdem ist die Bundesregierung bislang nicht als Vorreiterin in Sachen Transparenz im Rohstoffsektor aufgetreten. Im Gegenteil: Als auf EU-Ebene im Jahr 2013 verpflichtende Transparenzregeln für Rohstoffunternehmen beschlossen wurden, gehörte Deutschland - damals noch unter einer Regierung von CDU/CSU und FDP - zu den größten Bremsern.[3] Auch bei aktuellen Verhandlungen über eine neue EU-Verordnung, die Transparenz und Sorgfaltspflichten bei der Nutzung von Konfliktmineralien in der industriellen Lieferkette verankern soll, bewegt sich die Bundesregierung äußerst zögerlich. Und so geriet der Entschluss zur deutschen EITI-Kandidatur zunächst ebenfalls zaghaft. Kanzlerin Merkel konnte sich auf dem G8-Gipfel 2013 lediglich zur Ankündigung einer EITI-Umsetzung auf Probe in einer Pilotregion Deutschlands durchringen, während Großbritannien, die USA, Frankreich und Italien sich zu einer Voll-Umsetzung verpflichteten. Seit Juli 2014 ist diese nun aber auch in Deutschland beschlossene Sache. Die Bundesregierung will die Kandidatur bei der EITI noch in diesem Jahr einreichen. Die Vorbereitungen dafür laufen. Im März 2015 hat eine Multi-Stakeholder-Gruppe die Arbeit aufgenommen. Die VertreterInnen von Regierung, Industrie und Zivilgesellschaft haben sich in einem ersten Schritt auf Ziele für die deutsche EITI (D-EITI) geeinigt und handeln nun aus, welche Rohstoffe und welche Zahlungsströme im ersten D-EITI-Bericht im Jahr 2017 offengelegt werden.[4]


Warum braucht es D-EITI?

Die Zahlungsströme von Bergbau-, Öl- und Gas-Unternehmen müssen in den nächsten Jahren in allen europäischen Mitgliedsstaaten offengelegt werden. Das geben die verpflichtenden EU-Transparenzregeln von 2013 vor, die Deutschland verhindern wollte - ein großer Erfolg für das PWYP-Netzwerk, das für solche verbindlichen Regelungen kämpfte. Und eine Niederlage für die deutsche Industrie, die vergeblich versuchte, eine verpflichtende Regulierung gegen die freiwillige Initiative EITI auszuspielen. Nun setzt Deutschland also beides um. Warum braucht es aus zivilgesellschaftlicher Perspektive überhaupt noch EITI in Deutschland, wenn das Ziel verbindlicher Offenlegungspflichten doch erreicht wurde und die Rohstoffgewinnung in Deutschland keine große Rolle spielt?


Zivilgesellschaft sitzt mit am Tisch

Die Erfahrungen mit der deutschen Rohstoffpolitik der letzten zehn Jahre zeigen: Die Zivilgesellschaft ist außen vor und wird, wenn überhaupt, nur punktuell eingebunden. Über ganz andere Zugänge verfügt die Industrie: Ein interministerieller Ausschuss (IMA) der Bundesregierung verhandelt unter Federführung des Wirtschaftsministeriums regelmäßig und ressortübergreifend rohstoffpolitische Themen - unter Beteiligung der Industrieverbände. Zivilgesellschaftlichen VertreterInnen bleibt der Zutritt hingegen verwehrt. Zwar konnte sich die Zivilgesellschaft einige Türen zur rohstoffpolitischen Diskussion einen Spalt öffnen, die Einbindung in die Rohstoffpolitik ist aber weiterhin mangelhaft. Vor diesem Hintergrund ist D-EITI eine Errungenschaft, denn hier sitzen Regierung, Industrie und Zivilgesellschaft gemeinsam und gleichberechtigt am Tisch. Die Zivilgesellschaft kann D-EITI nutzen, um eine andere, global zukunftsfähige Rohstoffpolitik einzufordern.


Beitrag zu einem globalen Transparenzstandard

Gesetzliche Offenlegungspflichten für Rohstoffunternehmen gibt es bislang neben der EU nur in einer Handvoll Länder, EITI wird bislang von etwa 50 Staaten umgesetzt. Die EITI-Umsetzung von Großbritannien, Frankreich, den USA und Deutschland erhöht den Druck auf andere Industrie-, aber auch auf Entwicklungs- und Schwellenländer, die Initiative umzusetzen beziehungsweise selbst Transparenzverpflichtungen einzuführen. Die Initiative kann also zur Schaffung eines globalen Transparenzstandards beitragen. Außerdem zeigt die Erfahrung der letzten Jahre: EITI entwickelt sich weiter. Deutschland kann und sollte eine Rolle spielen, diese Entwicklung mitzugestalten. Denn die Vorgaben und Empfehlungen von EITI bieten, wie das Beispiel Philippinen zeigt (siehe Kasten), einen klaren Mehrwert für die lokale Bevölkerung, um Regierungen und Unternehmen zur Rechenschaft zu ziehen.


KASTEN

Bantay Kita und EITI in den Philippinen

Seit 2013 sind die Philippinen EITI-Beitrittskandidat und der erste Bericht liegt vor. Das zivilgesellschaftliche Netzwerk Bantay Kita konnte im EITI-Prozess durchsetzen, dass alle Rohstoffverträge zwischen Unternehmen und Staat offengelegt werden müssen. So finden sich im EITI-Bericht unter anderem die Vereinbarungen mit den Indigenen Gemeinschaften (inklusive einer freien, vorherigen und informierten Zustimmung). Darüber hinaus müssen Unternehmen ihren Wasserverbrauch und die Anzahl gefällter Bäume angeben. Bantay Kita strebt an, auch die Eigentümerstrukturen und Unternehmensverflechtungen offen zu legen, da politische und ökonomische Macht im Land oft zusammenfallen. Spannend ist der Ansatz, künftig auch Handelswege und -mengen transparent zu gestalten. Diskutiert wird unter anderem eine Berichtspflicht über die Menge des Erzes, Zielort und -unternehmen sowie Preise. Das würde Transparenz in der Lieferkette unterstützen. Durch EITI ist die philippinische Zivilgesellschaft in der Lage, auch Einblicke in Fonds, etwa zur Sanierung der Abbaugebiete, zu erlangen, um auch hier Korruption und Veruntreuung aufzudecken.

KASTENENDE


D-EITI in breite Rohstoffdiskussion einbetten

Klar ist: Für die Zivilgesellschaft macht eine deutsche EITI-Umsetzung nur Sinn, wenn sie über die Anforderungen der EU-Richtlinien hinausgeht. Die Subventionierung für fossile Rohstoffe, die die Energiewende untergräbt, oder die Umweltauswirkungen des Rohstoffabbaus in Deutschland sind Themen, die D-EITI nicht ignorieren kann. So machte die EITI-Vorstandsvorsitzende Clare Short bei der Auftaktveranstaltung von D-EITI im November 2014 deutlich, dass Debatten zu Fracking oder zur Energiewende EITI glaubhafter und stärker machen.[5] Für deutsche NGOs ist bei der Einbindung der Zivilgesellschaft aber auch Vorsicht geboten. Die deutsche Industrie kämpft in den letzten Jahren mit einer Legitimitätskrise von Abbauprojekten. Die Beispiele Fracking oder Kohleabbau in Deutschland zeigen, dass das Abbaggern von ganzen Dörfern oder das Verpressen toxischer Stoffe in die Erde nicht ohne großen öffentlichen Widerstand durchführbar sind. Daher versucht die Industrie durch "Akzeptanz, Nachhaltigkeit und Transparenz"[6] gegenzusteuern. Die Transparenzdiskussion darf deshalb nicht von entscheidenden Fragen ablenken: Bis wann kann Deutschland 100 Prozent des Bedarfs mit erneuerbaren Energien decken? Oder anders gefragt: Ab wann lassen wir Gas, Öl und Kohle im Boden?


Deutschlands internationale Verantwortung nicht aus dem Blick verlieren

Auch darf die EITI-Umsetzung in Deutschland, die auf die inländische Rohstoffgewinnung abzielt, nicht von der Verantwortung für die weltweiten Auswirkungen unseres Rohstoffverbrauchs ablenken. Deutschland ist von Rohstoffimporten abhängig, bei den primären Metallrohstoffen zu fast 100 Prozent. Unser Rohstoffverbrauch liegt weit über dem global gerechten Anteil. Der Rohstoffabbau trägt in vielen Ländern nach wie vor dazu bei, dass Menschen in den Abbauregionen ihre Lebensgrundlage verlieren, durch Wasser-, Land- und Luftverschmutzung krank werden oder Gewalt durch Militär, Polizei oder private Sicherheitsdienste erfahren. Deshalb müssen sich Transparenz und Verantwortung auf die gesamte Lieferkette erstrecken. Unternehmen müssen sicherstellen, dass Rohstoffe, die in Produkten "Made in Germany" verarbeitet werden, nicht unter Menschenrechtsverletzungen gewonnen werden. Das erfordert verbindliche Standards, verbunden mit Haftungsund Entschädigungsmöglichkeiten für Täter und Betroffene.

Natürlich kann D-EITI nicht auf all diese Herausforderungen Antworten geben. Wichtig ist aber, dass die Initiative nicht entkoppelt von der internationalen, gesellschaftlichen und breiten rohstoffpolitischen Diskussion umgesetzt wird. Denn Transparenz ist kein Selbstzweck und sollte nicht isoliert betrachtet werden. Für die Zivilgesellschaft ist klar: D-EITI kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Initiative einen Mehrwert zum Status Quo erzielt, etwa gegenüber den verpflichtenden EU-Transparenzregeln. Sollte dies nicht gelingen, droht dem Prozess die Bedeutungslosigkeit. All dies spricht für eine mutige, innovative und ambitionierte Umsetzung von EITI in Deutschland.


Cathrin Klenck arbeitet beim Forum Umwelt und Entwicklung und vertritt den AK Rohstoffe, einen bundesweiten Zusammenschluss von Entwicklungs-, Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen, im deutschen EITI-Prozess. Michael Reckordt arbeitet bei PowerShift e. V. als Koordinator des AK Rohstoffe.


Anmerkungen

[1] So wies z.B. Global Witness, ein Gründungsmitglied von PWYP, in der 1999 veröffentlichten Studie "A Crude Awakening" detailliert nach, wie intransparente Zahlungen von Erdölunternehmen Misswirtschaft und Unterschlagung von Einnahmen während des angolanischen Bürgerkriegs ermöglichten.

[2] Siehe EITI-Standard (2013), deutsche Übersetzung:
http://www.d-eiti.de/wpcontent/ uploads/2015/02/German_EITI_ STANDARD_July2013_0.pdf.

[3] Peter Kreysler (2013): Mehr Licht ins Dunkel der Rohstoffbranche:
http:// www.deutschlandfunk.de/mehr-lichtins-dunkel-der-rohstoffbranche.724.de.html?dram:article_id=249242.

[4] Siehe D-EITI (2015): Ziele http://www.deiti.de/de/mitmachen-mitgestalten/

[5] GIZ (2015): Dialog und Transparenz im Rohstoffsektor, Auftakt zur Umsetzung der EITI in Deutschland:
http://www.deiti.de/wp-content/uploads/2015/05/Dialog-und-Transparenz-im-Rohstoffsektor-Auftakt-zur-Umsetzungder-EITI-in-Deutschland-.pdf (S. 15).

[6] BDI (2014): 4. BDI-Rohstoffkongress: Rohstoffversorgung verantwortungsvoll und nachhaltig sichern:
http://www.bdi.eu/Rohstoffkongress.htm.

Weitere Informationen:
http://bantaykita.ph/ und
http://www.ph-eiti.org/


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2015, Seite 22-24
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
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Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Dezember 2015

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