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TOURISTIK/412: Kuba - Tourismusboom durch Tauwetter mit den USA (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. September 2015

Kuba: Tourismusboom durch Tauwetter mit den USA - Initiativen arbeiten an Alternativangeboten

Von Ivet González



Foto: © Jorge Luis Baños/IPS

Die Plaza del Carmen in der Altstadt von Camagüey im Zentrum Kubas
Foto: © Jorge Luis Baños/IPS

El ABRA, KUBA (IPS) - Am Rande der Straße, die ins westkubanische Viñales-Tal führt, lebt und arbeitet der kubanische Maler Miguel Antonio Remedios. Er hat sein Haus in eine Galerie umgewandelt und für Touristen geöffnet, die die Gebirgsregion besuchen.

"Es wäre schon eine große Hilfe, wenn die staatlichen Reiseveranstalter das Projekt in ihr Programm aufnehmen würden", sagt der 47-jährige Autodidakt, der die Initiative 'Remedios del Abra' ('Remedios aus Abra') gestartet hat, eine von mehreren Initiativen, die von dem neuen Tourismus-Boom seit dem diplomatischen Annäherungskurs zwischen dem karibischen Inselstaat und den USA profitieren wollen.

Die US-Regierung hatte im Januar neue Regelungen eingeführt, die US-Amerikanern den Besuch des einstigen Feindeslandes erleichtern. So wurden die Besuchskategorien auf zwölf erweitert. US-Bürger können nun unter anderem zu pädagogischen, religiösen, kulturellen, journalistischen, humanitären oder familiären Zwecken einreisen. Im ersten Halbjahr 2015 hatten 88.900 US-Amerikaner - 54 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres - von diesen Möglichkeiten Gebrauch gemacht.


Foto: © Jorge Luis Baños/IPS

Der Maler Miguel Antonio Remedios hat sein Landhaus in El Abra, einem Dorf im Bezirk La Palma in der kubanischen Provinz Pinar del Rio, in eine Galerie umgewandelt
Foto: © Jorge Luis Baños/IPS

Das Viñales-Tal und El Abra, ein Bergdorf im Gemeindebezirk La Palma, gehören zur Provinz Pinar del Río im äußersten Westen Kuba. Sie ziehen einen großen Teil der jährlich drei Millionen Kuba-Besucher an, die hier Vögel beobachten, wandern und die kuppelartigen Kalksteinberge bewundern können.

Das Haus des Malers ist ein für die Region typisches und mit Palmwedeln bedecktes Holzhaus. Über dem breiten Eingang hängt ein Ochsenjoch. Im Hauptraum stehen ein rustikaler Tisch mit Bänken und ein Holzofen. Die Schlafzimmer sind mit Gitterbetten ausgestattet. An den Wänden hängen die Bilder des Künstlers. Sie sind beim staatlichen Fonds für Kulturgüter registriert, eine Voraussetzung, um Kunst verkaufen zu dürfen.

Die Einnahmen aus dem Verkauf seiner Kunst ermöglichten Remedios den Umbau des Hauses, in dem er geboren und großgezogen wurde. Sie finanzieren zudem die Mal- und Zeichenutensilien, die er braucht, um Kindern kostenlosen Malunterricht zu geben. Das Projekt existiert seit 2013. Spenden von Besuchern sind willkommen.


Hilfe der Lokalbehörden erwünscht

Remedios wünscht sich mehr Unterstützung von den Lokalbehörden, um die "bäuerlichen Traditionen wiederzubeleben und die örtlichen Kunst- und Kulturschaffenden zu fördern", wie er sagt. Er würde gern ein Studio, einen Ausstellungsraum und ein 'Ranchón' - einen strohbedeckten Unterstand - bauen, wo an den Wochenenden traditionelle ländliche Feste stattfinden sollen.

"Die Entwicklung eines alternativen Tourismus, der sich vom Sonnen- und Strandtourismus unterscheidet, ist Sache der Provinzregierungen. Diese entscheiden über die Verwendung der Mittel und Kapazitäten", meint dazu Ricardo Jorge Machado, von 1980 bis 1993 ein Regierungsberater für die Entwicklung des kubanischen Fremdenverkehrs. Der Experte empfiehlt den Kommunen, nicht auf Gelder der Tourismusbehörden zu warten, sondern selbst aktiv zu werden und die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor und den Genossenschaften zu suchen.

Das Tourismusministerium wird im Rahmen seines Fünfjahresplans bis 2030 100 Sonnen-und-Strand- aber nur zwei Alternativprojekte unterstützen. So ist der Ausbau der Strand-Resorts und des High-End-Tourismus vorgesehen, der mit Golfplätzen und Kreuzfahrten lockt. Der Tourismus ist die zweitgrößte Einnahmequelle Kubas - nach dem Export von Dienstleistungen. 2014 erwirtschaftete der Sektor mehr als 2,7 Milliarden US-Dollar.

Bisher sind die Hauptstadt und der Badeort Varadero 140 Kilometer östlich von Havanna sowie die Inseln vor der Nordküste die Hauptattraktionen der Kubareisenden. Der karibische Inselstaat besteht aus der Hauptinsel und 4.195 kleinen vegetationsreichen Eilanden.

Machado schätzt, dass von den 90 touristischen Attraktionen in Havanna gerade einmal zwölf entsprechend angeboten werden. Dazu gehört die Bar 'El Floridita', in der der US-Schriftsteller Ernest Hemingway (1899-1961) Stammgast war, das Restaurant 'La Bodeguita del Medio' und das Kabarett 'Tropicana'.

Kuba sei gut beraten, seine Tourismusangebote zu diversifizieren. Es sollte seine Stärken wie sein vorbildliches Gesundheitssystem und die Sicherheit des Landes in seinen Angeboten stärker betonen, meint der Analyst. Seiner Meinung nach sollte spezielles Augenmerk auf Angeboten liegen, die sich an ältere Menschen richten, wie der Gesundheitstourismus und längere Aufenthalte.

Machado wies ferner darauf hin, dass die regionalen Konkurrenten Mexiko und Kolumbien hier weiter sind als Kuba, wohlwissend, dass der Medizintourismus zehnmal lukrativer ist als der herkömmliche Fremdenverkehr. Jedes Jahr machen allein eine Million US-Bürger von solchen Angeboten Gebrauch. Die Fachkräfte seien in Kuba in jedem Fall vorhanden.

"Es ist offensichtlich, dass immer mehr Besucher kommen werden", berichtet Reina Ramos. Die Lehrerin wohnt im Zentrum von Havanna und beobachtet, wie immer mehr Ausländer in Oldtimern und Cabrios durch die Stadt kutschiert werden.

Wenn der US-Kongress die Beschränkungen für US-Kuba-Reisende in naher Zukunft abschafft - darüber wird zurzeit in Washington debattiert - geht man davon aus, dass sämtliche Besucherrekordzahlen Kubas gebrochen werden. In einem solchen Fall stünde zu befürchten, dass die kubanische Tourismusinfrastruktur dem Ansturm so vieler Menschen nicht gewachsen sein könnte.

Bis dahin wollen die Dörfer und Städte abseits der traditionellen Tourismusrouten die Zeit nutzen, um für ihre atemberaubenden Landschaften und historische Architektur aus der Kolonialzeit zu werben, in der Hoffnung, sich auch einen Teil der wachsenden Tourismuseinnahmen zu sichern. Doch für die Bereitstellung von Unterkünften, die Restaurierung der historischen Gebäude, Dienstleistungen und Infrastrukturen brauchen sie finanzielle Unterstützung.


Tour durch alte Kolonialstädte geplant

Auch die Stadt Camagüey in Zentralkuba möchte stärker als bisher vom Tourismusboom profitieren. So sollen Besucher im Rahmen eines mehrtägigen Reiseprogramms in die 2008 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärte Stadt gelotst werden. Wie der städtische Historiker José Rodríguez gegenüber IPS erklärt, arbeiten die für das nationale Erbe Kubas zuständigen Stellen bereits an Rundreisen durch die historischen Stadtteile von Havanna, Cienfuegos, Trinidad, Sancti Spiritus, Bayamo und Camagüey.

Das Camagüey-Büro stellt derzeit eine Liste von qualitativ hochwertigen touristischen Angeboten wie kleinen Hotels, Nachtclubs und Restaurants sowie kulturellen Veranstaltungen zusammen. Die 300.000 Einwohner zählende Stadt ist die drittgrößte des Landes. (Ende/IPS/kb/01.09.2015)


Links:
http://www.ipsnoticias.net/2015/08/emergen-destinos-en-cuba-para- aprovechar-boom-turistico/
http://www.ipsnews.net/2015/08/alternative-destinations-emerge-as-cuba- gets-ready-for-tourism-boom/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 1. September 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. September 2015

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