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UNTERNEHMEN/2695: Warum der Chef immer Schuld ist - Studie zur Verteilung von Lob und Tadel (idw)


Universität zu Köln - 20.02.2018

Warum der Chef immer Schuld ist - Studie zur Verteilung von Lob und Tadel

Sozialer Status spielt bei positiver oder negativer Beurteilung von handelnden Personen eine wichtigere Rolle als gedacht


In einem Experiment von Kölner und Bochumer Forschern und Forscherinnen zeigte sich, dass bei der Zuschreibung von Lob und Tadel, anders als bislang angenommen, der soziale Status der handelnden Person entscheidend ist und nicht die Tatsache, wie viel Einfluss eine Person aktiv auf die Situation genommen hat. Die Ergebnisse beschreiben der Psychologe Prof. Dr. Dr. Kai Kaspar von der Universität zu Köln und die Philosophen Prof. Dr. Albert Newen und Dr. Pascale Willemsen von der Ruhr-Universität Bochum gemeinsam in der Zeitschrift "Philosophical Psychology".

"In der Ethik wird typischerweise angenommen, dass für die Menge an Lob und Tadel, die jemand verdient, drei Faktoren relevant sind: was er getan hat, wie schlimm die Konsequenzen seines Handelns für andere sind, und welche Absichten er verfolgt hat", sagt Pascale Willemsen. "Aber so läuft es in der Praxis nicht." Die Untersuchung konnte zeigen, dass ein Chef für negative Konsequenzen seines Handelns deutlich mehr getadelt wird als ein Mitarbeiter, dessen Handeln gleiche Konsequenzen nach sich zog. "Diese Asymmetrie in der Zuschreibung von Lob und Tadel und auch eine gewisse Kulturunabhängigkeit des Effekts konnten wir bereits in früheren Studien zeigen. Die zugrundeliegenden Bewertungsprozesse sind für lokal wie global operierende Unternehmen daher hoch interessant", ergänzt Kai Kaspar.

Bisherige Theorien waren davon ausgegangen, dass nur der Grad, zu dem man etwas kausal beeinflussen kann, die Zuschreibung von Lob und Tadel beeinflusst. "Der bisherigen Theorie nach erhielte der Chef nur deswegen mehr Tadel als der Arbeitnehmer, weil er die Entscheidung gefällt hat und somit mehr kausalen Einfluss in der Situation hat", erklärt Kai Kaspar. Die soziale Rolle als Boss hätte nach dieser Theorie keinen Einfluss. Willemsen, Newen und Kaspar testeten genau diese Annahme in einer Online-Studie mit Probanden aus den USA. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mussten Stellung zu folgender Situation nehmen: Nicht der Chef, sondern ein Angestellter trifft eine wichtige Entscheidung im Unternehmen. Sowohl dem Angestelltem als auch dem Boss ist dabei bewusst, dass die Entscheidung zwar im Interesse der Firma ist, aber negative Nebeneffekte für die Umwelt haben wird. Beiden sind diese explizit egal.

In dem Experiment erhielt der Chef mehr Tadel als der Angestellte, obwohl er die Entscheidung gar nicht selbst getroffen hatte. "Wir haben nun guten Grund zu der Annahme, dass die soziale Rolle wesentlich mit darüber entscheidet, wie viel Tadel wir einer Person für negative Konsequenzen zuschreiben. Die philosophische Ethik vernachlässigt die soziale Verankerung ethischer Beurteilungen bislang. Dabei zeigen empirische Befunde, dass Menschen ihre moralischen Urteile auf andere Weise fällen, als Moralphilosophen es gerne hätten", resümiert Albert Newen.


Originalveröffentlichung
Willemsen, P., Newen, A. & Kaspar, K. (2018). A new look at the attribution of moral responsibility: The underestimated relevance of social roles. Philosophical Psychology.
https://doi.org/10.1080/09515089.2018.1429592

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution19

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität zu Köln, Anneliese Odenthal, 20.02.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Februar 2018

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