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AUSLAND/060: Deutsch-türkischer Austausch der Anwaltsverbände in Ankara (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 20. Juni 2019

Unabhängige und freie Anwaltschaft ist rechtsstaatlicher Mindeststandard!

Deutsch-türkischer Austausch der Anwaltsverbände in Ankara


Berlin/Ankara (DAV). Auf Einladung der Türkischen Rechtsanwaltskammer (UTBA) war eine Delegation des Deutschen Anwaltvereins (DAV) vom 17.-19. Juni 2019 in Ankara, um die Grundsätze des Rechts auf ein faires Verfahrens nach Art. 6 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) zu diskutieren. DAV-Präsidentin Edith Kindermann wurde von den beiden Menschenrechtsexperten Dr. Ulrich Karpenstein (DAV-Vorstandsmitglied) und Stefan von Raumer (Vorsitzender des DAV-Menschenrechtsausschusses) begleitet.

Bei einem gemeinsamen Runden Tisch mit der UTBA wurde auf unterschiedliche Aspekte des fairen Verfahrens eingegangen; die Unabhängigkeit der Anwälte und Richter standen im Vordergrund. UTBA-Präsident Prof. Dr. Metin Feyzioğlu wies darauf hin, dass sich die Türkei in einem schwierigen Prozess befinde, es aber durchaus Grund für Hoffnung gebe. Auch in politisch heiklen Zeiten stehe es außer Frage, die Prinzipien des fairen Verfahrens zu wahren.

Die jüngst vom türkischen Präsidenten Erdogan angekündigten Justizreformen begrüßte Feyzioğlu grundsätzlich als einen ersten Schritt. Er erklärte jedoch, dass zum einen die praktische Umsetzung zeitnah folgen müsse und die Anwaltschaft diesen Prozess konstruktiv begleiten werde. Zugleich betonten Feyzioğlu und DAV-Präsidentin Kindermann, dass es ohne Änderung der derzeitigen Vorgaben zur Zusammensetzung des Rats der Richter und Staatsanwälte keine unabhängige Richterschaft in der Türkei geben könne. Der Richterrat ist für die Ernennung der türkischen Richter zuständig.

"Solange die Richterschaft in der Türkei nicht unabhängig ernannt wird, nutzen die Reformen wenig. Unabhängige Gerichte sind die Grundvoraussetzung eines funktionierenden Rechtsstaat und von der EMRK gefordert", so Kindermann.

Rechtsstaatliche Mindeststandards erfordern zudem eine unabhängige und in ihrer Berufsausübung freie Anwaltschaft. Unverzichtbar dafür ist, dass Anwälte nicht mit den ihren Mandanten vorgeworfenen Taten identifiziert und alleine wegen der Wahrnehmung ihrer Berufspflichten strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt werden.

Daher sehen sowohl UTBA als auch der DAV über die Justizreformen hinaus dringenden Handlungsbedarf, damit sich die Situation der Bürgerinnen und Bürger in der Türkei spürbar verbessert. Diskutiert wurden daher auch weitere Aspekte, wie etwa das türkische Strafverfahrensrecht, Zulässigkeitsvoraussetzungen für Beschwerden vor dem EGMR sowie das Recht auf Akteneinsicht.

DAV-Präsidentin Kindermann sicherte der türkischen Anwaltschaft hierfür weitere Unterstützung zu.

"Als Anwaltsverbände sind wir aufgefordert, die Grundsätze des Rechtsstaats und die essentielle Rolle der Anwaltschaft zu verteidigen", betont DAV-Präsidentin Edith Kindermann. "Die gegenseitige Unterstützung und der fachliche Austausch zwischen DAV und UTBA haben eine Brückenfunktion, die die enge Beziehung der beiden Länder zum Ausdruck bringt."

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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 09/19 vom 20. Juni 2019
Deutscher Anwaltverein (DAV)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juni 2019

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