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INTERNATIONAL/120: Landrechte - Rückschläge für indigene und lokale Gemeinschaften (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Februar 2014

Landrechte: Rückschläge für indigene und lokale Gemeinschaften

von Carey L. Biron


Bild: © Daniela Pastrana/IPS

Indigene Kinder unterstützen den Kampf um Landrechte im mexikanischen Cherãn
Bild: © Daniela Pastrana/IPS

Washington, 6. Februar (IPS) - Indigene und lokale Gemeinschaften können im Kampf um ihre Landrechte einige beträchtliche Erfolge vorweisen. Doch Experten warnen, dass sich der Trend seit einigen Jahren verlangsamt und einen Punkt erreicht hat, der die bisherigen Erfolge zunichte machen könnte.

Wie aus einem neuen Bericht der 'Rights and Resources Initiative' (RRI) hervorgeht, wurden in den letzten fünf Jahren 20 Prozent weniger Wald als Kollektivland ausgezeichnet als im vorangegangenen Vergleichszeitraum. RRI mit Sitz in Washington ist ein Zusammenschluss aus 140 internationalen Organisationen, die sich für die Rechte von Indigenen und den Schutz der weltweiten natürlichen Ressourcen einsetzen.

Darüber hinaus fand die Studie heraus, dass der Vergleich der beiden Zeitspannen zeigt, dass deutlich weniger Schutzmechanismen in Kraft gesetzt und dass die wenigen neuen Schutzgesetze verwässert wurden. "Sollten die Industriestaaten dieser Entwicklung tatenlos zusehen, könnten alle bisherigen Fortschritte vergebens sein", warnte der RRI-Koordinator Andy White im IPS-Gespräch. Den Gebern, reichen Staaten und großen Konzernen, warf er vor, die Entwicklungsländer bei den erforderlichen Maßnahmen wie Kartographierung, Registrierung und Beratung im Stich gelassen zu haben.

Der negative Trend geht mit einer bemerkenswerten Zunahme der öffentlichen Debatten über Land- und indigene Rechte einher, wobei multinationale Unternehmen, nationale Gerichte und westliche Geber immer wieder deren Bedeutung unterstreichen und ihre Unterstützung bei den Bemühungen um eine Stärkung der Maßnahmen zum Schutz der Wälder zugesagt haben.

Doch habe sich auch 2013 das Bild verfestigt, dass Eliten und Unternehmen in Entwicklungsländern ihren Ressourcenraub fortgesetzt hätten, so White. Diese könnten sich auf die Unterstützung von Regierungen verlassen, die versessen darauf seien, Investoren fast bedingungslos mit Land zu versorgen, heißt es in dem in Washington und London am 5. Februar veröffentlichten RRI-Jahresbericht.


Regional unterschiedliche Entwicklungen

2013 war es so, dass indigene und lokale Gemeinschaften einen gewissen Grad der Kontrolle über 513 Millionen Hektar Wald hatten. Gerade in den Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen verwalten oder beanspruchen Regierungen über 60 Prozent der Territorien. Vor 2002 waren es noch 70 Prozent gewesen. Allerdings beschränkt sich dieser zehnprozentige Erfolg auf bestimmte Weltregionen und ein halbes Dutzend Staaten. In Lateinamerika beispielsweise kontrollieren die Gemeinschaften 39 Prozent der Wälder. In Subsahara-Afrika sind es hingegen nur sechs Prozess und im Kongobecken keine ein Prozent.

RRI zufolge wurden von 2002 bis 2013 24 neue rechtliche Bestimmungen zur Stärkung bestimmter Formen kommunaler Waldkontrolle erlassen. Sechs waren es seit 2008, wobei die jüngsten Bestimmungen schwächer ausgefallen waren und bei weitem nicht stark genug sind, um als Eigentumsrechte bezeichnet zu werden.

Beobachtern zufolge haben die jüngsten globalen Entwicklungen bei gleichzeitigem Ausbleiben substanzieller Maßnahmen internationaler Akteure die Entwicklungsländer dazu veranlasst, ihre natürlichen Ressourcen aggressiver auszubeuten. "Es ist kein Zufall, dass die Bereitschaft zu Reformen just in dem Moment nachgelassen hat, in dem der Wert von Land, Wasser und Energie in die Höhe schnellte", erläutert Raúl Silva Telles do Valle vom Sozioökologischen Institut, einer brasilianischen Nichtregierungsorganisation.

Das Ergebnis sei eine Zunahme von Land Grabs gewesen. Außerdem betrachten die verzweifelt auf ein Wirtschaftswachstum angewiesenen Länder ihre Wälder als Rohstofflieferanten und weniger als Lebensräume ihrer Bürger. "Doch diese Regierungen müssen erkennen, dass Wälder mehr sind als Gebiete, die sich ausbeuten lassen, und eine Ansammlung von Bäumen."

In den letzten Jahren haben zwar multinationale Unternehmen wie Nestlé und Unilever sowie multilaterale Institutionen einige wichtige Schritte zur Stärkung kommunaler und indigener Landrechte eingeleitet. Doch scheinen sich diese bisher nicht auszuzahlen. Vielmehr zeigen neue Untersuchungen, dass eines der bedeutendsten multilateralen Programme zum Schutz der Wälder, das von der Weltbank betriebene REDD+, nicht die erhoffte Wirkung zeigt.


Rückfall durch Anstieg der Nahrungsmittel- und Landpreise

Während die Zugeständnisse mit der allgemeinen Erkenntnis einhergehen, wie wichtig Landrechte auch aus entwicklungspolitischen Erwägungen heraus sind, stiegen 2007 ganz plötzlich die Preise für Nahrungsmittel und Land. Analysten machen diese Entwicklung dafür verantwortlich, dass vielversprechende Landreformen plötzlich zum Stillstand kamen.

"Lateinamerika befand sich 2002 in einem vielversprechenden Prozess zugunsten demokratischer Reformen, die die Anerkennung der indigenen Rechte als Menschenrechte beinhalteten. Doch leider ist dieser demokratische Funken zunächst nicht auf Afrika oder Südostasien übergesprungen", meinte Andy White. Ausgerechnet in dem Augenblick, in dem diese Weltregionen erstmals ihren Wunsch nach Reformen signalisierten, schnellten die Landpreise in die Höhe und veranlassten Länder wie Laos, Liberia und Kamerun zu Rückziehern.

"Wir alle wissen, dass Investoren, die ein Gewissen haben, nicht in Länder gehen, in denen Landstreitigkeiten ein Problem darstellen. Und wir wissen, dass in der Welt Billionen Dollar in Umlauf sind, die in Zeiten, in denen sich die Nachfrage nach Nahrungsmitteln bis 2050 verdoppeln wird, irgendwo investiert werden wollen", meinte White und erklärte in Richtung Entwicklungsländer: "Sie können gutes Kapital und gute Geschäftsmodelle anziehen, gerade wenn Sie die Reformen voranbringen." (Ende/IPS/kb 2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/02/slowdown-global-fight-land-rights-tipping-point/

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IPS-Tagesdienst vom 6. Februar 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Februar 2014