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MELDUNG/097: Kölner Gericht schützt CIA vor Strafverfolgung im Fall El Masri (ECCHR)


European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) - Pressemitteilung vom 12. Dezember 2010

Trotz Folter und Entführung:
Kölner Gericht schützt CIA vor Strafverfolgung im Fall El Masri


Berlin, 12. Dezember 2010 - Das Verwaltungsgericht Köln hat eine im Auftrag des ECCHR eingereichte Klage abgewiesen, aber in Teilen auch die Stellung von Opfern schwerster Menschenrechtsverletzungen gestärkt. Mit der gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Klage sollte die Bundesregierung juristisch dazu gezwungen werden, ein Auslieferungsersuchen an die Vereinigten Staaten von Amerika wegen der 13 mutmaßlich an der Entführung El Masris beteiligten CIA-Agenten zustellen. Gegen die CIA-Mitarbeiter wurden bereits am 31. Januar 2007 vom Amtsgericht München Haftbefehle wegen des dringenden Tatverdachts der schweren Körperverletzung und Freiheitsberaubung erlassen.

Der positive Aspekt des Urteiles ist, dass die Richter Khaled El Masri generell das Recht zugestanden haben, vor Gericht auf die Durchsetzung und Vollstreckung der Haftbefehle gegen seine Entführer klagen zu können. Das Gericht urteilte, dass auch eine Entscheidung über ein Auslieferungsersuchen gerichtlich überprüfbar sei und Individuen zudem ein eigenes Recht besäßen, diese Entscheidung überprüfen zu lassen. Damit folgte das Gericht der Ansicht der Kläger zumindest teilweise und stärkte die Position von Geschädigten bei der Durchsetzung ihres Strafverfolgungsinteresses.

Die Richter entschieden jedoch ebenfalls, dass der Bundesregierung ein weiter außenpolitischer Beurteilungs- und Ermessensspielraum zustehe. Deutschland sei auf die effektive Arbeit von Sicherheits- und Nachrichtendienste befreundeter Staaten angewiesen. Das Gericht verkannte in seiner Entscheidung dabei, dass es sich bei den vom Kläger erlittenen Verbrechen - Verschleppung und Entführung sowie schwerste Misshandlungen und Folter über mehrere Monate hinweg - um gravierende Verletzungen internationalen Rechts handelt, die als internationale Verbrechen zu verfolgen sind und die nicht mit diplomatischen und geheimdienstlichen Erwägungen abgewogen werden dürfen. Die Absolutheit des Folterverbots wird dadurch weiter aufgeweicht, dass Deutschland die Auslieferung von Personen, die der Folter verdächtigt werden, aus diplomatischen Gründen nicht betreibt. Dass dabei nicht nur wie von der Bundesregierung vorgetragen die Überlegung einer ablehnenden Entscheidung des Auslieferungsersuchens durch die USA eine Rolle spielt, sondern vor allem auch der Druck, der von den USA direkt auf Deutschland ausgeübt wurde, zeigt ein über Wikileaks veröffentlichter Diplomatenbericht (http://213.251.145.96/cable/2007/02/07BERLIN242.html). Eine weitere Depesche (http://www.elpais.com/articulo/espana/Cable/embajada/alerta/peligro/idependencia/judicial/Espana/elpepuesp/20101202elpepunac_12/Tes) beinhaltet zusätzliche Informationen zum Entführungsfall El Masri, insbesondere zu der Abwicklung der Entführungsflüge über Mallorca unter Nennung der Namen der 13 Tatverdächtigen.

ECCHR-Generalsekretär Wolfgang Kaleck meint zu dem Urteil: "Der Fall verdeutlicht, dass rechtliche Mittel oftmals nicht ausreichend sind, um Opfer schwerster Menschenrechtsverletzungen zu schützen und ihnen gegenüber diplomatischen Überlegungen zu ihrem Recht zu verhelfen. Dass das Verwaltungsgericht Köln Khaled El Masri ein Klagerecht einräumt, ist bereits ein Schritt in die richtige Richtung, allerdings schrecken die Richter in ihrer Entscheidung dann davor zurück, dem absoluten Folterverbot zu seiner Durchsetzung zu verhelfen und die Vollstreckung von Haftbefehlen gegen mutmaßliche Folterer weiter zu betreiben. Die Bundesregierung stellt sich in ihrer Verweigerung, Auslieferungsersuchen an die USA zu stellen, immerhin gegen die Entscheidung eines deutschen Gerichts, das die Haftbefehle ausgestellt hat."

Mehr Informationen zum Fall El Masri:
http://ecchr.eu/news_details/items/trotz-entfuehrung-und-folter-koelner-gericht-schuetzt-geheimdienste-im-fall-el-masri.html


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Quelle:
Pressemitteilung vom 12. Dezember 2010
European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) e. V.
Zossener Str. 55-58, Aufgang D, 10961 BERLIN
Telefon: + 49 - (0)30 - 40 04 85 90, Fax: + 49 - (0)30 - 40 04 85 92
E-Mail: info@ECCHR.eu
Internet: www.ecchr.eu


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Dezember 2010