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ÖFFENTLICHES RECHT/059: Das Recht von Spiel und Wette (Ruperto Carola)


Ruperto Carola - Forschungsmagazin der Universität Heidelberg 2/2009

Das Recht von Spiel und Wette
Schon seit der Antike gibt es Gesetze für Glücksspiele

Von Götz Schulze


Die soziale Praxis des Spielens und Wettens ist uralt - fast ebenso alt sind die Gesetze, welche die Vergnügungen regeln. Weit zurück reicht auch die Erkenntnis, dass von der menschlichen Spiel- und Wettlust nicht nur Freuden, sondern auch Gefahren ausgehen. Der Schutz der Spieler vor ihrer Leidenschaft wird in Deutschland durch einen Staatsvertrag der Bundesländer geregelt. Darin ist festgeschrieben, dass die Spielfreude kontrolliert und einer sich ausweitenden Spielsucht entgegengewirkt werden muss. Diese Aufgabe hat der deutsche Staat in der Vergangenheit nicht in ausreichendem Maße erfüllt: Das Bundesverfassungsgericht hat das staatliche Glücksspielmonopol im Jahr 2006 für verfassungswidrig erklärt. Anstoß nahmen die Karlsruher Richter nicht am Monopol selbst, sondern an der fehlenden Ausrichtung am Gemeinwohl - namentlich der Bekämpfung von Spiel- und Wettsucht. Ob die daraufhin geschaffene Neuregelung aus dem Jahr 2008 auch mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht in Einklang steht, ist noch nicht abschließend geklärt.


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Spiel und Wette zählen zu den ältesten Vergnügungen des Menschen. Sie sind primär nicht rechtlich geprägt, sondern Erscheinungen des Soziallebens. In der Antike hatte das öffentliche Veranstalten von Spielen und Wettkämpfen politische Bedeutung. In Griechenlands Olympia wird das Sportspiel zum Ausdruck überlegener Kultur. In Rom sind Brot und Spiele Zeichen eines despotischen Herrschaftsverständnisses, während das weitverbreitete Würfelspiel als verderblich gilt.

Auch die gesellschaftliche und psychologische Bedeutung des Glücksspiels ist schillernd. Für den venezianischen Adel des 16. und 17. Jahrhunderts war das Casino der Prüfstein für ein politisches Amt, ließen sich doch hier Souveränität und Selbstbewusstsein in Momenten des Glücks und des Pechs demonstrieren. Von dem deutschen Soziologen Niklas Luhmann stammt die psychologische Deutung des Glücksspiels als Koexistenz von höchster Passivität und höchster Erregung in einem Verstande. Die Wette ist dagegen ein Mittel, um widerstreitende Behauptungen zu bekräftigen. Sie schafft ökonomisch spielerische Anreize in alltäglichen Meinungsstreiten und verbindet Kalkül und Affekte bei der Stellung von Zukunftsprognosen.

Die soziale Praxis von Spiel und Wette ist uralt, aber auch die sie betreffenden gesetzlichen Regelungen sind früh entstanden. Eine erste historische Perspektive des Rechts von Spiel und Wette liegt in der Wechselwirkung der sozialen Praxis auf das Recht. Bereits in der Antike werden mit Spiel und Wette rechtliche Vorstellungen verknüpft. Tacitus berichtet in seiner Schrift "Germania" über den Germanen, der im Würfelspiel seine Freiheit einsetzt, sie verliert und bereitwillig in die Knechtschaft geht, weil ihm das gegebene Wort heilig ist. "Und das nennen sie Treue", sagt Tacitus mit spöttischem Unterton. Die germanische Treue bleibt fortan der Inbegriff auch rechtlicher Gebundenheit.

Spiel und Wette haben so offenbar Einfluss auf das Verständnis grundlegender rechtlicher Figuren genommen. Eine Wechselbeziehung besteht etwa zwischen der Wette und dem rechtlichen Verständnis des Vertrages. Der Vertragsbegriff des germanischen Rechts beruhte auf der sogenannten Verwillkürung. Unter "sich verwillküren" (sich verwilligen, wilkoren, lat. arbitrari) wurde eine bedingte Selbstverfluchung verstanden, indem der Schuldner seine Bereitschaft und seinen Willen zu künftiger Leistung mit dem Einsatz des eigenen Körpers und Lebens bekräftigte. Die "Rechtsetzung durch Selbsturteil" ersetzte weitgehend den noch nicht vorhandenen staatlichen Rechtsschutz. Die Kraft der Selbstgesetzgebung lag in der Bindung an das eigene Wort. War dieses in dingfähiger Versammlung gesprochen, besaß es gleichen Wert wie die Rechtweisung der Dinggemeinde, die örtliche Justiz des germanischen Rechts. Die dem Selbsturteil zugrunde liegende Gebundenheit an das eigene Wort ist weithin als germanische Treue überliefert und als mores germana symbolhaft übersteigert worden.

Das vertragliche Versprechen entspricht in seiner Grundstruktur der Wette. Die Behauptung, dass ein bestimmtes künftiges Ereignis eintreten werde, wurde mit einer bedingten Selbstverurteilung für den Fall verbunden, dass es nicht eintritt. Die Wette bildet so eine Art Urform für die Entstehung einer Handlungspflicht durch Selbstverpflichtung. Sie zeigt dabei das Gegenmodell zu einer Verpflichtung nach römisch-rechtlichem Vorbild (stipulatio). Die "stipulatio" leitet die Handlungspflicht aus der Unterwerfung des Schuldners ab. Die rechtliche Bindung, die aus einem Unterwerfungsritual vermutlich mit sakralen Vorstellungen gefolgert wurde, resultierte aus der in der Unterwerfung ausgedrückten Anerkennung des Gläubigerbefehls.

Die Wette aus germanischer Sicht zeigt die Bindung dagegen aus einer autark gedachten Selbstverpflichtung, dem Selbsturteil durch Verwillkürung, deren Grundlage die Treue des Versprechenden ist. Die Setzung einer Sanktion für den Fall der Unrichtigkeit einer eigenen Behauptung entspricht noch heute der Definition der Wette. Der Wetteinsatz zur Bekräftigung der Behauptung entspricht funktional der Sanktion für den Fall der Nichteinhaltung des Versprochenen. Das Wettverhältnis ohne eine gerichtliche Kontrollmöglichkeit und die fehlende Durchsetzbarkeit des Wettversprechens sind im germanischen Recht angelegt.

Die historische Entwicklung des Rechts von Spiel und Wette ist ferner deshalb aufschlussreich, weil sie auf der Grenze zwischen gesellschaftlicher Selbstorganisation und hoheitlicher Regulierung verläuft. Spiel- und Wettschulden gelten bis heute als persönliche Ehrenschulden, und auch das Recht behandelt sie nur als Naturalobligationen und spricht von unvollkommenen Verbindlichkeiten. Diese wirkungsverminderten Forderungen entstehen aus wirksamen Schuldverträgen und werden rechtlich anerkannt. Ihre Besonderheit liegt darin, dass der Gläubiger zu ihrer Durchsetzung keinen Zwang anwenden darf. Die fehlende Zwangsmacht des Gläubigers bedeutet für den Schuldner, dass er nicht unter Zwangsbedrohung, sondern freiwillig seine Schuld erfüllt. Die Pflichterfüllung ist nun allein von der Treue des Schuldners an das gegebene Wort abhängig und erlangt dadurch gar den Anschein des Verdienstvollen. Der Spiel- und Wettschuldner, der, nachdem er verlor, seinen Einsatz leistet, handelt vertragstreu, und seine Pflichterfüllung erscheint zugleich als ehrenhaft.

Dennoch gehen von Spiel und Wette einerseits Gefahren (Spiel- und Wettsucht) und andererseits volkswirtschaftlich beachtliche Geldflüsse aus, die eine rechtliche Erfassung aus Sicht der jeweiligen Gesetzgeber nahelegten. Bereits im römischen Recht galt das Glücksspiel als gefährlich und war als reines Glücksspiel verboten. Der Gewinner hatte keinen Anspruch auf den Gewinn und konnte nur die Rückgabe des eigenen Einsatzes fordern. Erlaubt waren hingegen Sport- und Kampfspiele, die sich durch Geschicklichkeit und Gewandtheit auszeichnen. Auf deren Ausgang konnten auch klagbare Wetten abgeschlossen werden, die allenfalls in der Höhe des Einsatzes beschränkt waren.

Das germanische Recht ließ neben der Wette auch Glücksspiele zu, wie bereits die Tacitusstelle zeigt. Entsprechend waren Spielschulden bis in das hohe Mittelalter hinein einklagbar. Ab dem 14. Jahrhundert änderte sich dies. Das Glückspiel wurde zwar nicht verboten, was aufgrund seiner Verbreitung ohnehin kaum durchsetzbar gewesen wäre. Für Spielschulden wurde aber keine justizielle Hilfe mehr gewährt. Die im mittelalterlichen Recht übliche Personalexekution durch Überantwortung des Schuldners an den Gläubiger fand nicht statt. Es entwickelte sich der Grundsatz, dass niemand mehr als er bei sich führt, verspielen dürfe.

Darüber hinaus wurde auch das ursprünglich bestehende Selbsthilferecht des Gläubigers beseitigt. Es hatte dazu gedient, den Verlierer zur Bezahlung seiner Spielschuld mit dem, was er bei sich hatte, zu nötigen. Die Bekämpfung der Spielsucht erfolgte auf diese Weise durch ein milderes Mittel als durch das Verbot. Die Forderungen aus Glückspielen wurden in nicht klagbare und auch sonst nicht erzwingbare Verbindlichkeiten überführt und der Höhe nach beschränkt. Praktisch waren die Beteiligten damit auf Handgeschäfte beschränkt, der Einsatz musste bereits vor dem Spiel erbracht werden und konnte auch nicht durch Spielerdarlehen oder andere Hilfsgeschäfte unterstützt werden.

Einer Ausweitung des Glücksspiels wirkte die fehlende Absicherung des Zahlungsversprechens entgegen. Eine Diskontierung des Vermögens war praktisch ausgeschlossen. Der Spieleinsatz wurde zu einer riskanten Vorleistung und wirkte dadurch einer immer weitergehenden Kommerzialisierung entgegen. Gleichzeitig durften die gemachten und ausgezahlten Gewinne aber behalten werden. Das Glücksspiel blieb also erlaubt und galt auch nicht als unsittlich.

Die erste große Gesetzeskodifikation, das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794, hat diese rechtlichen Strukturelemente positiviert (I, 11, Art. 577, 578): "Wegen Spielschulden findet keine gerichtliche Klage statt. Was aber jemand in erlaubten Spielen verloren und wirklich bezahlt hat, kann er nicht zurückfordern." Seit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahre 1900 gilt dies Prinzip bis heute in Paragraph 762 BGB fort, und es ist ebenso in vielen Europäischen Rechtsordnungen verankert, beispielsweise in Frankreich, Belgien, Italien, den Niederlanden, Großbritannien, der Schweiz oder Österreich.

Der Grund für die Anerkennung schwacher Naturalobligationen liegt weniger in der mangelnden Ernstlichkeit des Geschäfts als vielmehr in der Gefährlichkeit für die Beteiligten und den gesellschaftlichen Folgen einer sich ausbreitenden Spiel- und Wettleidenschaft. Das heutige Recht versteht das Spiel als einen Vertrag, in dem sich die Vertragspartner alternativ einen Gewinn zugestehen, der im Falle des Glücksspiels vom Eintritt eines zufälligen Ereignisses abhängt, beim Geschicklichkeitsspiel hingegen an das Gelingen einer nach bestimmten Regeln vorgenommenen Tätigkeit geknüpft ist. Die Spielregeln werden damit nicht selbst zu Rechtsregeln. Sie ähneln äußerlich allgemeinen Geschäftsbedingungen, aber ihr Inhalt beschränkt sich auf die Ermittlung eines Gewinners.

Spielregeln und das sogenannte Preisrecht unterliegen grundsätzlich keiner staatlichen Kontrolle. Das Recht greift nur ein, wenn ihr Inhalt gegen die guten Sitten verstößt. Bekannt geworden sind in diesem Zusammenhang Zahlungen über "Kettenbriefe", private Gewinnspiele, denen das sogenannte Schneeballprinzip zugrunde liegt. Die Spielregel führt mathematisch zu einer zunehmend schwindenden Gewinnchance und bedeutet daher letztlich einen Betrug der ersten gegenüber den späteren Teilnehmern.

Das Geschicklichkeitsspiel bildet die gedankliche Grundlage für sportliche Wettkämpfe und kann mit der Auslobung von Preisen zu einem Preisausschreiben verknüpft sein. Je nach Erscheinungsform dient das Spiel dem Leistungswettbewerb, der Gewinnerzielung oder dem Zeitvertreib. Die Wette ist dagegen auf die Bekräftigung eines ernst gemeinten Meinungsstreits gerichtet. Wer unter widerstreitenden Behauptungen Recht behält, soll durch einen Vorteil belohnt werden. Die bewettete Frage muss aber bei Abschluss des Wettvertrages nicht ungewiss sein. Das Rechthabenwollen bezogen auf eine Tatsache genügt. Die Volksweisheit, wer Lust hat zu wetten, hat Lust zu betrügen, findet hier ihren rechtlichen Niederschlag. Allerdings ist die Bezeichnung als Wette für die rechtliche Qualifikation nicht entscheidend. Insbesondere Renn- und Sportwetten gelten als Glücksspiele, weil der Einsatz an den Ausgang des künftigen, überwiegend vom Zufall abhängigen Sportwettkampfes geknüpft ist.

Die begrifflichen Abgrenzungen haben große rechtspraktische Bedeutung. Die öffentliche Veranstaltung von Glücksspielen ist ohne eine behördliche Erlaubnis verboten. Sie wird als strafbarer Eigennutz eingestuft, und die Veranstalter und Teilnehmer werden mit mehrjährigen Freiheitsstrafen bedroht (Paragraphen 284-287 StGB). Ferner hat der Staat ein Glücksspielmonopol eingerichtet, sodass Erlaubnisse grundsätzlich nur staatlichen Veranstaltern erteilt werden können. Das öffentlich veranstaltete Geschicklichkeitsspiel unterliegt diesen Beschränkungen dagegen nicht.

Die Anbieter von Pokerspielen im Internet stellten sich daher auf den Standpunkt, beim Poker handele es sich in Wahrheit um Können, Übung und Geschicklichkeit. In der Tat werden Pokerspiele im Internet mit kalkulatorischen Elementen, ähnlich wie bei Spielen wie Skat oder Bridge, verknüpft. Damit verlagert sich die Entscheidung zwischen erlaubnisfreiem Geschicklichkeitsspiel und staatlich administriertem Glücksspiel auf die Frage nach den Fähigkeiten und den Motiven der Spieler. Profipokerspieler sind Sportler (Geschicklichkeitsspieler), während Hobbyspieler Glücksspieler bleiben. Das Internetpoker zielt auf den Hobbyspieler und gehört damit zum staatlich beherrschten Glücksspiel.

Die staatliche Aufsicht soll die Spielleidenschaft kontrollieren und einer sich ausweitenden Spielsucht entgegenwirken. Dazu gibt es allen Grund. Das Selbstgefährdungspotenzial von Glücksspielen reicht vom Anreiz zur rational ungesteuerten Geldausgabe (Verschwendung) bis zur pathologischen Sucht. Es entsteht ein individuell nicht mehr kontrollierbarer innerer Drang zur Teilnahme, der sich durch die wachsende Angst verstärkt, bestehende Gewinnchancen zu verpassen. In kurzen Zeitabständen können intensive Spannungserlebnisse realisiert werden, während Verlusterlebnisse rasch kompensierbar sind. Ein Abtauchen aus der Alltagsrealität wird möglich.

Das Gefährdungspotenzial von Sportwetten gilt als besonders hoch. Die Ereignisfrequenz einer Sportveranstaltung, die Überschätzung der eigenen Prognosekompetenz und die affektgeladene emotionale Bindung der Wetter an die sportlichen Akteure und das Spielgeschehen steigern die Suchtgefahr. Die individuellen Folgen sind Verschuldung und Apathie. Damit verbunden ist der wirtschaftliche und soziale Abstieg einschließlich der sich hieraus ergebenden Belastungen des familiären Umfeldes wie der Sozialsysteme.

In Deutschland werden etwa 200.000 Spieler als spielsüchtig eingestuft. Zu ihrem Schutz bieten Spielbanken sogenannte Selbstsperren an. Dabei handelt es sich um Verträge, mit denen dem Spieler künftiges Spiel auf seinen eigenen Wunsch hin untersagt wird, um ihn vor weiteren Verlusten zu schützen. Aus diesen Eigensperren erwachsen den Glücksspielveranstaltern Kontroll- und Meldepflichten. Verletzt eine Spielbank ihre dahingehenden Fürsorgepflichten, macht sie sich schadensersatzpflichtig und muss dem Spieler, der unter Umgehung des Verbots dennoch spielte, alle Verluste ersetzen.

Österreich, Großbritannien, Malta, Gibraltar oder die Isle of Man gelten als liberale Rechtsordnungen für das Glücks- und Wettspiel. Bei den letzten drei genügen bloße Firmensitze (Briefkästen), um Glücksspiele und Sportwetten gewerblich anbieten zu können. Für Onlineanbieter ist eine solche Sitzverlagerung kein Problem. Die deutsche Rechtssprechung ist der Umgehung der deutschen Schutzvorschriften dadurch begegnet, dass sie diese als rechtlichen Mindeststandard einstuft und auch in Fällen mit Auslandsbezügen anwendet. Eine Reihe von US-Bundesstaaten haben zwischenzeitlich für elektronische Medien unterschiedlich weitreichende Wettspielverbote erlassen. Zur effektiven Durchsetzung dieser Verbote ist der "Unlawful Internet Gambling Enforcement Act" im Jahre 2006 in Kraft getreten. Darin wird den Glücksspielbetreibern, Banken und Zahlungsdienstleistern verboten, elektronische Zahlungen (Kreditkarten, Online-Überweisungen usw.) anzunehmen.

Das staatliche Monopol im Glücksspielrecht erscheint im Hinblick auf die Suchtgefahren und die damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Probleme legitim. Zugleich dient das Monopol aber unverkennbar als Hebel, um die großen wirtschaftlichen Potenziale dem Fiskus zuzuweisen. Die Zahlungsforderungen bei öffentlich veranstaltetem und staatlich erlaubtem Glücksspiel sind einklagbar, selbsthilfefähig, aufrechenbar und vermitteln ein Zurückbehaltungsrecht. Die auf Freiwilligkeit angelegten Naturalobligationen werden im staatlichen Kontrollsystem insoweit verdrängt. Für Pferdewetten gilt eine Sonderregelung, wonach der Wettvertrag einseitig gegenüber dem Unternehmer beziehungsweise Buchmacher, nicht aber gegenüber dem Wetter durchsetzbar ist.

Einer der Wachstumsmärkte des staatlichen Glücksspiels sind die Sportwetten. Sie werden in Deutschland von den staatlichen Lotto- und Toto-Unternehmen der Bundesländer angeboten, die bundesweit zum "Deutschen Lotto- und Toto Block" (DLTB) zusammengeschlossen sind. Eine gesetzliche Sonderstellung nehmen die Pferderennvereine und Buchmacher ein. Sie sind private Wettanbieter, die aber einem staatlichen Konzessionssystem nach Maßgabe des Rennwett- und Lotteriegesetzes vom 8.4.1922 unterworfen werden.

Das einzige länderübergreifende private Wettunternehmen in Deutschland ist derzeit noch die einzelkaufmännisch betriebene Firma "BWin" (Bet and Win), die sich mit einer im Jahr 1990 erlangten und nach der Wiedervereinigung wirksam gebliebenen Gewerbeerlaubnis gegen den staatlichen Monopolanspruch für die Veranstaltung von Sportwetten behauptet. Die "BWin" vermittelt zudem Sportwetten an inländische oder ausländische Wettanbieter. Sie wirbt im Internet mit täglich bis zu 8000 Sportwetten in rund 80 Sportarten und 20 Sprachen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in einer viel beachteten Entscheidung aus dem Jahre 2006 das bestehende Staatsmonopol für verfassungswidrig erklärt. Anstoß nahmen die Karlsruher Richter dabei nicht primär am staatlichen Monopol, sondern an der fehlenden strikten Ausrichtung dieses Monopols an den verfolgten Gemeinwohlzielen, namentlich der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht, dem Schutz vor betrügerischen Machenschaften sowie dem Verbraucherschutz. Weder die fiskalischen Interessen des Staates noch eine gemeinnützige Verwendung der Einnahmen könnten legitime Ziele für eine Einschränkung der Berufsfreiheit nach Art. 12 des Grundgesetzes sein.

Die Karlsruher Richter stützten sich auch auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Luxemburg hatte im staatlichen italienischen Konzessionssystem einen Verstoß gegen die Marktfreiheiten, namentlich die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit der Art. 43 und 49 des EG-Vertrages, gesehen. Die Ministerpräsidenten der deutschen Bundesländer haben zur Umsetzung der Vorgaben aus Karlsruhe und Luxemburg einem Glücksspielstaatsvertrag zugestimmt, der seit dem 1. Januar 2008 das deutsche Staatsmonopol aufrechterhält und dem Bekämpfen der Spielsucht eine überragende Bedeutung beimisst.

Je stärker Gemeinwohlbelange verfolgt werden, umso eher darf der Staat zum Monopol als Gestaltungsmittel greifen. Die europäischen Gesetzgeber haben für die erstrebte Erzielung direkter Staatseinnahmen somit einen gemeinwohlorientierten Anreiz. In der aktuellen rechtspolitischen Diskussion über die Zulassung privater Sportwettenanbieter ist die Systemfrage nach Staatsmonopol oder Binnenmarktfreiheit daher vorerst zugunsten des Staates entschieden. Auch hat der EuGH in einer jüngst ergangenen Entscheidung das portugiesische Verbot ausländischer Internetanbieter von Glücksspielen für gerechtfertigt gehalten (EuGH v. 8.9.2009 C-42/07 - Santa Casa). Die Richter in Luxemburg werden gelegentlich noch zu prüfen haben, ob die staatlichen Versprechungen auch eingehalten werden. Es gilt keineswegs als sicher, dass das deutsche Glücksspielmonopol danach mit dem europäischen Recht in Einklang steht.


Prof. Dr. Götz Schulze hat sich im Sommer 2007 an der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg mit einer Arbeit über die "Naturobligation: Rechtsfigur und Instrument des Rechtsverkehrs einst und heute" habilitiert. Nach Lehrstuhlvertretungen in Heidelberg und Köln ist er seit August 2008 Inhaber des Lehrstuhls für deutsches Recht an der Universität Lausanne, Schweiz.
Kontakt: Goetz.Schulze@unil.ch


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Quelle:
Ruperto Carola 2/2009, Seite 26-31
Forschungsmagazin der Universität Heidelberg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. November 2009