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STRAFRECHT/299: Resozialisierung statt "Wegsperren für immer" (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 19. März 2007

Resozialisierung statt "Wegsperren für immer"

Anlässlich der Sitzung des Rechtsausschusses warnt der DAV vor populistischer Panikmache


Berlin (DAV). Das Thema "Wegsperren für immer" hat rechtspolitisch ungebrochen Konjunktur. Heute führt der Rechtsausschuss des Bundestages eine Anhörung zu den "Altfällen" bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung wegen einer einschränkenden Regelung im Einigungsvertrag durch. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) tritt für eine nüchterne Bestandsaufnahme ein und warnt vor populistischer Panikmache. Die Kriminalpolitik müsse stärker die Resozialisierung fördernde Maßnahmen unterstützen und die in den letzten Jahren auf diesem Gebiet aufgelaufenen schwerwiegenden Versäumnisse ausgleichen. Zu beachten sei insbesondere, dass es nach wie vor an zuverlässigen Diagnose- und Prognoseinstrumentarien für die Gefährlichkeit von Straftätern fehle.

"Für eine Ausweitung der nachträglichen Sicherungsverwahrung gibt es keine vernünftigen Gründe", so Rechtsanwalt Dr. Stefan König, Vorsitzender des DAV-Strafrechtsausschusses. Jüngste Untersuchungen würden deutlich machen, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung kein geeignetes Mittel ist, die Bevölkerung vor gefährlichen Personen zu schützen. Die Prognosen über die vermeintliche Gefährlichkeit der Betroffenen würden zumeist fehlgehen. "Die Sicherungsverwahrung insgesamt ist ein höchst fragwürdiges Instrument. Das gilt auch angesichts des anzuerkennenden Sicherheitsbedürfnisses der Bevölkerung", so König weiter.

Besonders bedenklich ist die seit fast einem Jahrzehnt erkennbare stetige Ausweitung der Voraussetzungen, unter denen Sicherungsverwahrung angeordnet werden kann. Die noch Anfang der 90er Jahre zu beobachtende Tendenz zur Eindämmung der Sicherungsverwahrung hat sich inzwischen in den verschiedenen Gesetzgebungswellen dramatisch umgekehrt, ohne dass hierfür vernünftige Gründe erkennbar wären.

Bevor der Gesetzgeber sich zu einer weiteren Ausweitung des Anwendungsbereichs der Sicherungsverwahrung entschließt, sollten nach Ansicht des DAV zunächst die Fälle evaluiert werden, in denen Anträge der Staatsanwaltschaft auf Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung von den Gerichten abgelehnt wurden. Auch hier wird nachzuprüfen sein, ob die für gefährlich gehaltenen Personen nach ihrer Freilassung tatsächlich rückfällig geworden sind.


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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 14/07 vom 19. März 2007
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Pressesprecher Swen Walentowski
Tel. 030/72 61 52-1 29, Fax 030/72 61 52-1 93
Internet: www.anwaltverein.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. März 2007